14.12.2024 08:12 Uhr

Der steile Aufstieg von Yann Bisseck

Yann Bisseck, ehemaliger Spieler des 1. FC Köln, startet bei Inter durch
Yann Bisseck, ehemaliger Spieler des 1. FC Köln, startet bei Inter durch

In Deutschland fliegt Yann Bisseck, ehemaliger Spieler des 1. FC Köln, weitgehend unter dem Radar. Dabei hat sich der deutsche Verteidiger zu einem Stammspieler beim italienischen Topteam Inter Mailand entwickelt. Winkt bald auch das Nationalteam?

Die Reise in die alte Heimat hatte er sich sicher anders vorgestellt. Etwas bedröppelt stand Yann Bisseck am Dienstagabend die ersten Sekunden nach Abpfiff auf der rechten Außenbahn, abseits des Trubels und blickte gen Nachthimmel. Es war etwas fast schon Historisches passiert: Inter Mailand musste in der Champions League ein Gegentor hinnehmen. Das 0:1 bei Bayer Leverkusen besiegelte auch die erste Neiderlage der Norditaliener in dieser Spielzeit.

Bisseck nahm es sportlich: "Irgendwann musste es passieren, dass wir mal ein Gegentor bekommen, sagte er bei "DAZN": "Man muss dem Gegner aber auch einfach Respekt zollen, sie haben uns teilweise sehr lange hinten reingedrückt."

Beim Clash des deutschen und italienischen Meisters, einem echten Topspiel zwischen dem Tabellenzweiten und -sechsten, stand der 24-Jährige besonders im Fokus.

Vom Rheinland nach Mailand

Denn groß geworden ist der Inter-Innenverteidiger nur einige Kilometer entfernt von der Bay Arena in Köln. Erst über einige Umwege landete Yann Bisseck vom 1. FC Köln bei Inter Mailand, holte dort im ersten Jahr schon Meistertitel und Supercoppa. Es war ein langer und beschwerlicher Weg.

Der Innenverteidiger durchlief zunächst die Jugendteams des Effzeh. Doch der Durchbruch bei den Profis gelang nicht. Er kam zwar als gerade mal 17-Jähriger Ende 2017 auf drei Einsätze in der Abstiegssaison der Geißböcke (jüngster FC-Debütant in der Bundesliga). Anschließend ging es aber auf Leihreise. Bisseck wurde mehrmals verliehen: Nach Kiel in die 2. Bundesliga, nach Kerkrade in die Niederlade, nach Guimaraes in Portugal.

Auch dort lief es nicht wirklich, hinzu kam Verletzungspech. Bisseck stand damals kurz davor, seine Profikarriere vorzeitig zu beenden und Medizin zu studieren. Es kam anders. Nach einer weiteren, diesmal erfolgreichen, Station in Aarhus (Dänemark) klopfte plötzlich Inter Mailand an. Für gut sieben Millionen Euro schlug der italienische Topklub 2023 zu und verpflichtete den deutschen No-Name, der eigentlich kurz vor einem Transfer in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt stand.

Taktisch geschult und robust: Bisseck setzt sich durch

In der Serie A benötigte er etwas Anlaufzeit, schaffte aber als robuster und athletischer Verteidiger mit viel Präsenz den Sprung in die Rotation von Trainer Simone Inzaghi. An der Seite von erfahrenen Spielern wie Ex-Bayern-Profi Benjamin Pavard, Alessandro Bastoni oder Italien-Haudegen Francesco Acerbi setzte er sich als veritable Kader-Option durch, kann sich von den Defensiv-Routiniers viel abschauen.

Im Land, das Verteidigen nicht als nötige Qual, sondern eine Kunstform sieht, kommt das gut an. Inter setzt auf Bisseck und sein noch nicht ausgeschöpftes Potential. Erst vor wenigen Wochen verlängerte er seinen Vertrag bis 2029. Beim FC Internazionale spielt eine immer wichtigere Rolle. Bisseck kann als zentraler Verteidiger in der Dreierkette oder auch auf der Außenbahn spielen und dort viel bis alles wegverteidigen.

Auch beim Gastspiel in Leverkusen nahm er die rechte Position in der Dreier- bzw. Fünferkette von Inter souverän ein, blieb gegen Bayers schnelle Angreifer Florian Wirtz und Nathan Tella weitgehend fehlerfrei. Defensiv blieb vor allem die Szene gegen Zauberfuß Florian Wirtz in Erinnerung, als er ihn in der 33. Minuten gekonnt den Ball wegspitzelte und damit eine Chance aus aussichtsreicher Position vereitelte. Auch offensiv schaltete sich Bisseck ein, deutete mit zwei, drei Steckpässen an, dass er die rechte Seite beleben kann. In der viel zu passiven Inter-Offensive verpufften diese Aktionen allerdings an diesem Abend.

In der Champions League kam er in der laufenden Runde in allen Spielen zum Einsatz und half kräftig dabei mit, über die ersten fünf Partien die weiße Weste in der Königsklasse zu bewahren - zum Beispiel gegen Arsenal und RB Leipzig. Das italienische Team blieb ungeschlagen, ehe es gegen Late-Night-Leverkusen am Dienstagabend den ersten Gegentreffer kassierte.

In der Serie A kam er in dieser Hinrunde auf neun Einsätze in der Serie A und erzielte einen gegen Hellas Verona seinen ersten Saisontreffer.

Nagelsmann hat schon angerufen

Als Italien-Legionär wird Bisseck in Deutschland kaum oder selten wahrgenommen. Trotzdem rückt die Frage in den Vordergrund: Spielt da gerade der künftige DFB-Abwehrchef auf?

Nach Angaben von "Transfermarkt.de" ist Bisseck der wertvollste deutsche Spieler, der nicht in der deutschen Nationalelf spielt. Sein Marktwert wird von dem Portal auf 25 Millionen Euro geschätzt.

Zwar kam er in den Nachwuchsnationalmannschaften stets zu Einsätzen, für die A-Elf wurde er bisher aber nicht nominiert. Das könnte sich schon bald ändern.

Zumindest hat Bundestrainer Julian Nagelsmann schon mal den Hörer in die Hand genommen und bei dem Defensivspieler durchgeklingelt, mal "hallo" sagen, die Lage sondieren. Denn die Sache ist so: Bisseck ist durch seine kamerunische Staatsbürgerschaft auch für die Nationalelf Kameruns spielberechtigt. Eine Entscheidung habe er bisher nicht getroffen, erklärte er jüngst in der "Sport Bild". Klare Priorität habe aber das DFB-Team, schickte er hinterher.

Den Anruf des Bundestrainers fand er „cool“. Er wertete das Gespräch als großes Zeichen des Respekts.

Ist Bisseck, immerhin Durchstarter bei einem der Topteams Europas, also eine Option für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko?

Vorbild Antonio Rüdiger

Leverkusens Jonathan Tah und Antonio Rüdiger bilden derzeit den unumstrittenen Abwehrblock in der Nationalelf. Dahinter lauern unter anderem Nico Schlotterbeck, Waldemar Anton und Frankfurts Robin Koch.

"Bei der Nationalelf gibt es sensationelle Verteidiger. Da muss ich einiges leisten, um dort dazuzugehören. Aber ich glaube fest daran", sagte er jüngst über seine Kader-Ambitionen.

Die Karten auf eine baldige Nominierung hat er mit seinen Leistungen in der Serie A und Champions League stehen gut. Dann könnte sich auch ein Traum erfüllen und er neben Idol Rüdiger auflaufen.

"Ich hätte gerne die Aggressivität von Antonio Rüdiger. Bei ihm denken die Gegner vor Anpfiff: 'Och nee, auf den habe ich heute gar keinen Bock.' So will ich auch in die Psyche meiner Gegner komme", sagte er.

Vielleicht bildet sich der künftige DFB-Abwehrblock auch aus einem Mailänder-Duo. Denn in der Stadt mit dem berühmten Dom spielt auch ein weiterer Ex-NRW-Spieler groß auf. Malick Thiaw entwickelt sich beim Lokalrivalen AC Milan zur festen Größe. Nach ersten Einsätzen unter Ex-Coach Hansi Flick wartet er nach überstandener Verletzung auf eine erneute Berufung ins A-Team.

Für Bisseck geht nun der Blick erst mal Richtung Achtelfinale der Champions League. Trotz der Niederlage in Leverkusen hat Inter mit 13 Punkten beste Aussichten auf die direkte Qualifikation für das Achtelfinale. Die spezielle Reise des einstigen Kölner Talents geht weiter.