13.02.2025 07:30 Uhr

Aufholjagd mit dem G-Faktor: Guirassy frisst die Kritik auf

Serhou Guirassy bejubelt seinen zehnten Treffer in dieser Champions-League-Saison
Serhou Guirassy bejubelt seinen zehnten Treffer in dieser Champions-League-Saison

Vom "Fallsüchtigen" zum Vollender. Dortmunds Torjäger Serhou Guirassy zeigt in der zweiten Halbzeit der Champions-League-Partie gegen Sporting Lissabon, warum der BVB so viel Hoffnung in den Stürmer setzt. Der Faktor Guirassy wird im Kampf um die europäischen Plätze ein ganz entscheidender sein.

Serhou Guirassy schaute dem Ball hinterher, öffnete die Arme und stürmte in Richtung Eckfahne. Dort feierte er mit den Auswechselspielen ausgelassen den Führungstreffer.

Was zuvor passiert war, kann man getrost als klassischen "Guirassy" bezeichnen. Butterweich köpfte er im Sechzehner aus dem Seitwärtslaufen die Flanke von Julian Brandt entgegen der Laufrichtung von Lissabon-Keeper Rui Silva ins Tor (60.). Der Treffer, der Jubel – alles eine sichtliche Erlösung. Und die passende Antwort auf die immer lauter werdende Kritik in den vergangenen Wochen.

Kurz darauf (68.) flankte Guirassy Nationalspieler Pascal Groß das 2:0 auf den Fuß. Später markierte der zuletzt oft glücklose Karim Adeyemi den 3:0-Endstand und das Ausrufezeichen des BVB.

Guirassy war das Sinnbild für den Ruck, der durch das BVB-Team nach der Halbzeit und der offenbar Energie erzeugenden Kovac-Ansprache ging. Die angezählte Mannschaft war kaum wiederzuerkennen. Allen voran Guirassy.

Die Renaissance des Serhou Guirassy - aber hält sie an?

Die Zahlen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. In den neun Partien des BVB in der Königsklasse traf er nun sagenhafte zehnmal, bereitete dazu drei weitere Treffer vor. 13 Scorer schaffte bislang kein BVB-Stürmer in einer CL-Saison (natürlich im alten Modus). Kein Erling Haaland, kein Jude Bellingham, kein Robert Lewandowski.

Auch in der Liga ist seine Quote eigentlich akzeptabel. Dort stehen neun Tore, drei Assists in 18 Spielen zu Buche – allerdings kein Vergleich zu der Saison davor, als er im VfB-Trikot 28 Treffer erzielte und den Vereinsrekord einriss.

Diese Spielzeit gleicht bisher einem steten Auf und Ab. Der Nationalspieler Guineas kam nach einigem Hickhack um den Medizincheck mit einer Knieverletzung im Ruhrgebiet an, verpasste das Trainingslager unter Nuri Sahin und die ersten Partien. Dann spielte er schnell auf, traf in den ersten drei Partien dreimal.

In den vergangenen Monaten und Wochen aber wurde die Kritik lauter, einhergehend mit dem Abrauschen des BVB ins Niemandsland der Tabelle und dem Rauswurf von Sahin. Teilweise glich auch der Angreifer nur einem Schatten seiner selbst. Manchmal gar einem Fremdkörper im Spiel der Dortmunder.

Immer öfter, so wirkte es, ergriff ihn gar eine spontane und seltsame Fallsucht, die aber selten zu Pfiffen oder gar Elfmetern führte. Ausgerechnet gegen Ex-Klub VfB wurde er zuletzt von seinem "Kryptonit"-Gegenspieler Jeff Chabot kaltgestellt und "bereitete" mit einem Fehlpass in der eigenen Hälfte auch noch den zweiten Treffer der Schwaben vor.

So kannte man Guirassy in Stuttgart nicht. Dort brillierte er in der vergangenen Saison vor allem als eiskalter Killer vor dem Tor, der fast keine Großchance liegen ließ. Und auch als wacker mitarbeitenden Stürmer, der mit Kollege Deniz Undav auch noch hinten mitackerte, Räume zustellte.

Kovac lobt seinen "Ausnahmestürmer"

In einer solchen Form ist Guirassy ein absolutes Phänomen. Mit seiner wuchtigen Präsenz, Ballbehandlung und Technik kann er Bälle gezielt verwerten, ist gefährlich im Abschluss, bindet Gegenspieler wie Licht ausschwärmende Fliegen.

Und so wirkte diese zweite Halbzeit in Lissabon wie eine kleine Renaissance des Serhou Guirassy von 2023/24. Aufopfernd fürs Team, treffsicher vor dem Tor und als Vorbereiter für die Kollegen. Peak Guirassy.

Lob gab es dafür auch von Trainer Niko Kovac. Er sei "froh", einen derartigen "Ausnahmestürmer" in seinem Kader zu haben, sagte der neue Coach, der seinen ersten Sieg im Amt feierte. Es wird eine der wichtigen Aufgaben von Kovac sein, die Bindung Guirassys ans BVB-Spiel weiter zu verbessern und Konstanz reinzubringen.

"Serhou war wirklich überall, er hat der Mannschaft extrem geholfen", lobte Sportdirektor Sebastian Kehl nach der Partie. "Wir haben eine Menge Qualität, aber müssen zusammenstehen - und durch diese schwierige Zeit gemeinsam durch."

Der Blick ging beim BVB schnell weiter in Richtung Bundesliga, zum wichtigen Brot- und Buttergeschäft.

"Das war fürs Selbstbewusstsein richtig gut, aber wir dürfen jetzt nicht die ganze Saison vergessen", sagte der Sport-Geschäftsführer Lars Ricken. Jetzt sei es wichtig, "den Willen zu zeigen, das zu bestätigen. Bochum wartet - das Selbstbewusstsein müssen wir jetzt kurzfristig mitnehmen."

BVB: Dauerbrenner Serhou Guirassy

Das gilt allen neben zuletzt kritisierten Stars wie Brandt und Adeyemi vor allem für Guirassy. Der 28-Jährige wird einer der wichtigen Faktoren sein beim anvisierten BVB-Aufholsprint in Richtung europäische Plätze.

Die Dortmunder müssen hoffen, dass ihm dabei nicht die Puste ausgeht. Denn bislang bekam Guirassy kaum Pausen.

In dieser Saison hat er nur vier Spiele verpasst, drei in der Liga, eines im Pokal. Alle zu Beginn der Spielzeit. Zudem spielte er fast immer 90 Minuten durch. Das macht bisher insgesamt 2377 Spielminuten.

Guirassy muss den Rest der Saison wohl im Diesel-Modus bleiben. Damit er auch in der kommenden Saison in der Champions League jubeln darf.