12.11.2015 14:35 Uhr

Entscheidende Tage für Martin Hinteregger

Auch der Blick von ÖFB-Teamchef Marcel Koller gilt Martin Hinteregger
Auch der Blick von ÖFB-Teamchef Marcel Koller gilt Martin Hinteregger

"Bitte nur Fragen zum Nationalteam!" Der ÖFB-Medientermin beim Trainingscamp in Spanien brachte am Donnerstag den Auftritt von Martin Hinteregger, der bei RB Salzburg vor einer ungewissen Zukunft steht.

Als der Innenverteidiger im Real Club de Golf Campoamor in der Journalisten-Runde Platz nahm, wollten die Presseverantwortlichen des ÖFB gleich doppelt Fragen zu seiner aktuellen Situation beim Verein verhindern. Hinteregger hatte sich kaum niedergesetzt, da kam von hinten noch einmal eine Stimme: "Nur Fragen zur Nationalmannschaft!"

Das letzte Länderspiel des Jahres am Dienstag (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) gegen die Schweiz im Ernst Happel-Stadion wurde beim Gespräch mit dem 23-Jährigen dennoch fast zur Randnotiz.

"Froh, dass ich wieder beim Team bin"

Salzburg-Coach Peter Zeidler hatte seinen Abwehrchef beim 1:1-Remis im Spitzenspiel gegen die Austria zuletzt nicht einmal im Kader aufgeboten. "Es war diese Woche so, dass es im Moment für ihn sehr schwer ist, sich zu hundert Prozent zu konzentrieren. Natürlich mache ich mir auch Gedanken. Er hat keine schlimmen Dinge getan, aber momentan ist es einfach für ihn schwierig, das sind auch seine eigenen Aussagen", hatte der Deutsche seine Entscheidung begründet.
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Hinteregger selbst äußerte sich am Donnerstag in Orihuela so: "Ich bin froh, dass ich wieder beim Team bin. Zuletzt musste ich ja verletzt absagen und es war schwierig für mich die Länderspiele nur im TV zu beobachten. Vor dem Fernseher ist es viel schlimmer, als wenn man selbst auf dem Platz steht. Über meine Situation beim Verein denke ich nicht viel nach. Am Mittwoch nach dem Spiel gegen die Schweiz und meiner Rückkehr nach Salzburg werden wir besprechen, was in der Folge passiert."

Ein Gespräch über seine Zukunft. "Es geht in erster Linie darum, dass ich wieder traineren darf", meinte der Kärntner wenig später. Ein Satz, der zwischen den Zeilen erahnen lässt, wie ernst seine persönliche Lage in Salzburg ist.

Der Aufsteiger im ÖFB-Team bangt um seine Zukunft 

Dabei galt Martin Hinteregger eigentlich als einer der größten, wenn nicht sogar DER Aufsteiger in der Nationalmannschaft. In der Legionärs-Auswahl von Teamchef Marcel Koller war der zentrale Abwehrspieler lange Zeit der letzte Mohikaner aus der österreichischen Bundesliga. Seine starken Leistungen bei RB Salzburg in Meisterschaft, Cup und nicht zuletzt der Europa League brachten den Platz an der Seite von Aleksandar Dragović.

Er hatte Sebastian Prödl den Rang abgelaufen. Dragović/Hinteregger galt nicht nur als Abwehrduo der Zukunft, sondern auch der Gegenwart. Doch in den vergangenen Monaten ist viel passiert. Der introvertierte Hobbyjäger gab zunächst ein klares Bekenntnis zu Salzburg ab. "Mir wurde versichert, dass wir eine Mannschaft haben werden, die auch international etwas erreichen kann. Das ist der Grund, warum ich geblieben bin", lautet der Blick zurück.

Doch das doppelte Europacup-Aus gegen Malmö FF und Dinamo Minsk kostete die erhoffte Teilnahme an der Champions League sowie wenig später auch noch an der Europa League. "Das Out gegen Malmö ist mir jetzt noch unerklärlich. Aber wir hatten im Sommer nach dem Umbau zu viele junge Spieler, da war ein komplettes Durcheinander. Erst jetzt hat sich wieder eine gute Mannschaft herauskristallisiert und das Niveau passt wieder", sagte Hinteregger gegenüber weltfussball.

"Gegen Minsk hätte ich nie spielen dürfen"

Dann hatte der Abwehrspieler auch noch mit großen Verletzungsproblemen (Bauchmuskel und Meniskus) zu kämpfen. Beim enorm wichtigen Playoff-Rückspiel der Europa League gegen Dinamo Minsk zog er sich in der Verlängerung eine Blessur zu, musste aber durchhalten, weil das Austauschkontingent schon erschöpft war.

Dann übernahm er trotz der Schmerzen auch noch beim Elfmeterschießen Verantwortung und traf, aber mit Folgen. "Ich habe mir dabei eine kleine Sehne gerissen. Schon zuvor habe ich Tabletten genommen. Gegen Minsk hätte ich eigentlich nie spielen dürfen", gab Hinteregger zu.

Es folgte eine lange Pause. Im ÖFB-Cup und in der Bundesliga feierte er erst Ende Oktober sein Comeback. "Es war nach einigen Jahren, wo es immer bergauf gegangen ist, ein erster Rückschlag. Ich weiß, wie schön es ist, wenn man oben ist. Aber man kann auch aus einer solchen Phase, wenn es nicht so läuft, für die Zukunft einiges mitnehmen."

Kein Ansprüche, sondern auf den Körper hören 

Martin Hinteregger ist nicht der Typ, der Konkurrent Sebastian Prödl verbal kritisiert, um seinen Stammplatz im Team zurückzugewinnen. "Basti hat zuletzt super gespielt. In der Nationalmannschaft gibt es einen positiven Konkurrenzkampf. Ich stelle keine Ansprüche."

Er ist eher der nachdenkliche, zurückhaltende Mensch und hofft für seine weitere Karriere etwas gelernt zu haben: "Man sollte jedes Verletzungsrisiko ausschließen und auf seinen Körper hören. Es gilt auch die kleinsten Wehwehchen zu beachten."

Bis zur EM 2016 in Frankreich, die nicht nur für ihn "ein Sprungbrett ist, wo man sich beweisen kann", hofft er wieder voll im Saft zu stehen. "Wir können dort einiges erreichen und haben eine große Chance. Wir sind inzwischen nicht umsonst unter die Top Ten der Weltrangliste vorgestoßen."

Das Frage-Antwort-Spiel ist zu Ende. Der Interview-Gast trinkt noch einen Schluck Wasser, steht langsam auf und verlässt den Saal. Er bleibt noch bis Dienstagabend und dem Länderspiel gegen die Schweiz im Kreis der Nationalmannschaft. Dann folgt das wichtige Zukunftsgespräch in Salzburg. Es ist für den österreichischen Fußball zu hoffen, dass dabei keine überstürzte Entscheidung fällt. Das ÖFB-Team braucht einen voll fitten Martin Hinteregger mit Spielpraxis.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Orihuela