11.01.2021 13:02 Uhr

Warum die neue Stabilität beim BVB in Gefahr ist

BVB-Coach Edin Terzic (re.) muss nach dem Ausfall von Axel Witsel umbauen
BVB-Coach Edin Terzic (re.) muss nach dem Ausfall von Axel Witsel umbauen

Das Saisonaus von Axel Witsel trifft den BVB hart. Nach durchwachsenem Start hatte die Formkurve beim Belgier zuletzt endlich wieder nach oben gezeigt, gemeinsam mit Thomas Delaney bildete er in der Mittelfeldzentrale von Borussia Dortmund ein kampfstarkes Gespann, das entscheidend zur neuen defensiven Stabilität beitrug. Nun ist Trainer Edin Terzic zum Improvisieren gezwungen.

Als Axel Witsel beim Dortmunder Auswärtsspiel in Leipzig nach 28 Minuten mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag, ahnte Kapitän Marco Reus bereits Böses. "Das sah nicht gut aus", erinnerte sich der Offensivmann nach Schlusspfiff am "Sky"-Mikrofon an die Szene aus der ersten Halbzeit. Er sollte recht behalten.

Wie am Sonntagnachmittag bekannt wurde, hat sich Witsel ohne Fremdeinwirkung die Achillessehne gerissen. Schon in den kommenden Tagen soll der Routinier, der am Dienstag einen traurigen 32. Geburtstag feiert, vom Arzt der belgischen Nationalmannschaft operiert werden.

Die folgende Reha dürfte bis in den Sommer hinein dauern, höchstwahrscheinlich wird der Mittelfeld-Chef also nicht nur den Rest der Saison mit dem BVB, sondern auch die EM verpassen.

Neues Abräumer-Duo im BVB-Mittelfeld gesprengt

Unmittelbar betroffen vom Witsel-Aus ist aber erst einmal die Borussia und ihr neuer Coach Edin Terzic. Der gebürtige Mendener hat sich auf die Fahne geschrieben, das unter seinem Vorgänger Lucien Favre ins Wanken geratene Team-Konstrukt wieder zu stabilisieren. Erste Erfolge sind sichtbar: Der BVB gewann vier von fünf Pflichtspielen unter Terzic, kassierte dabei nur vier Gegentore.

Umso ärgerlicher ist es für den jungen Übungsleiter, dass mit Witsel nun eine Stütze über Monate wegbricht. An der Seite des giftigen Thomas Delaney wirkte der 110-fache Nationalspieler in den vergangenen Wochen deutlich präsenter und mutiger. Noch Anfang Dezember hatte sein seltsam unauffälliges Auftreten Rätsel aufgegeben.

Terzic steht nun vor der kniffligen Aufgabe, den frei gewordenen Platz in der Schaltzentrale neu zu besetzen. Die besten Chancen dürfte der defensivstarke Emre Can haben, der nach seiner Einwechslung in Leipzig überzeugte.

Auch Sportdirektor Michael Zorc sieht den DFB-Star in der Pole Position. "Emre hat das sehr gut gemacht und ist Eins-zu-Eins für Axel eingesprungen", betonte der 58-Jährige im Gespräch mit "Sport1".

Eine kurzfristige Neuverpflichtung schloss er aus. "Wir werden diese Lücke mit dem eigenen Personal schließen", stellte Zorc klar, der den zuletzt angeschlagenen Jude Bellingham als weiteren Kandidaten nannte.

Hinten anstellen müssen sich dagegen wohl weiterhin Julian Brandt und Mahmoud Dahoud. Letzterer schaffte es gegen RB nicht einmal ins Spieltagsaufgebot. Auf leichtfüßige, zuweilen aber sorglose Kreativ-Achter dieser Art scheint Terzic derzeit wenig Wert zu legen.

Witsels Siegeswillen wird dem BVB fehlen

Ob Witsel tatsächlich eins zu eins ersetzt werden kann, bleibt trotz einiger personeller Optionen im BVB-Kader allerdings fraglich. Dass der Fanliebling mit der außergewöhnlichen Frisur selbst in mäßiger Verfassung nie um seinen Status fürchten musste, hat seine Gründe.

Seine Verpflichtung im Sommer 2018 galt damals als direkte Reaktion auf einen Mangel an Mentalität und Siegeswillen in der Mannschaft. Obwohl seither kein Titel gewonnen wurde, hat Witsel die hohen Erwartungen an ihn zweifellos erfüllt, wenn nicht gar übertroffen.

In den kommenden Monaten müssen nun andere Spieler für den Routinier in die Bresche springen, schließlich hat Borussia Dortmund auch im Frühjahr ein extrem forderndes Programm zu bewältigen.

Die Meisterschale ist bei lediglich fünf Punkten Rückstand auf Spitzenreiter FC Bayern plötzlich wieder drin, der Pokalsieg ebenfalls, und auch in der Champions League, wo im Achtelfinale mit dem FC Sevilla zumindest kein übermächtiger Gegner wartet, lebt der Traum vom großen Coup.

Voraussetzung für Erfolg ist indes immer auch Stabilität. Auf die Frage, wie der BVB ebenjene ohne Witsel wahren will, muss Edin Terzic schleunigst eine Antwort finden.

Heiko Lütkehus