12.05.2021 14:06 Uhr

Diese Konfliktherde drohen Nagelsmann beim FC Bayern

Julian Nagelsmann wechselt von RB Leipzig zum FC Bayern
Julian Nagelsmann wechselt von RB Leipzig zum FC Bayern

Offiziell ab dem 1. Juli tritt Julian Nagelsmann seinen Dienst beim FC Bayern an. Der scheidende Trainer von RB Leipzig beerbt in München Hansi Flick, um den es in den letzten Wochen und Monaten viel Unruhe gab.

Doch auch auf Nagelsmann warten an der Säbener Straße viele mögliche Konfliktherde. Gibt es wie bei Flick auch Differenzen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic? Wie reagieren die arrivierten Superstars des FC Bayern auf den erst 33 Jahre alten Coach? Und welches Zoff-Potenzial bergen die Mitarbeiter, die Nagelsmann mitbringt?

  • Julian Nagelsmann und Hasan Salihamidzic – kann das gut gehen?

Zwischenzeitlich wurde rund um den FC Bayern sogar die Wiedergeburt des FC Hollywood ausgerufen. Grund hierfür war der Konflikt zwischen Hansi Flick und Hasan Salihamidzic. Dieser gipfelte schließlich darin, dass der Sextuple-Trainer der vergangenen Saison um die Auflösung seines ursprünglich noch bis 2023 datierten Vertrags bat – und den FC Bayern am Saisonende verlassen wird.

Die menschliche Komponente könnte eine hochexplosive Mischung darstellen. Julian Nagelsmann gilt als sehr extrovertiert und trifft mit Salihamidzic auf einen baugleichen Typ Mensch. "Ich schreie im Alltag sehr viel, nicht nur auf dem Platz", sagte der zukünftige Bayern-Trainer einmal über sich selbst.

Zwischen Flick und Salihamidzic krachte es vordergründig in Transfer-Fragen, der scheidende Übungsleiter wünschte sich mehr Entscheidungsgewalt.

Immerhin: Mit Dayot Upamecano hat der FC Bayern bereits einen Spieler verpflichtet, der ganz nach Nagelsmanns Geschmack ist. Der Innenverteidiger folgt seinem Coach für 42,5 Millionen Euro aus Leipzig nach München.

Potenzial für Meinungsverschiedenheiten gibt es dennoch. David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martínez hinterlassen Lücken, die erst einmal gefüllt werden müssen. Flick monierte zudem schon in dieser Saison immer wieder die fehlende Kaderbreite - ein gerade in Corona-Zeiten wegen fehlender Gelder schwieriges Thema, das auch zwischen Salihamidzic und Nagelsmann aufkommen dürfte.

  • Wie reagieren die Superstars des FC Bayern auf Julian Nagelsmann?

Seitdem er 2016 mit gerade mal 28 Jahren zum jüngsten Chefcoach der Bundesliga-Geschichte avancierte, ist Julian Nagelsmann das deutsche Trainer-Talent schlechthin.

In seiner Karriere ging es stetig bergauf. Nach Platz vier und Rang drei mit der TSG Hoffenheim und der damit verbundenen Qualifikation für die Champions League zog Nagelsmann im Sommer 2019 zu RB Leipzig weiter. Die Sachsen führte er in der Vorsaison bis ins Halbfinale der Champions League. In dieser Spielzeit winkt neben der Vize-Meisterschaft auch der Triumph im DFB-Pokal. Es wäre der erste Titel in Nagelsmanns steiler Trainer-Karriere.

Solche Erfolge können seine zukünftigen Schützlinge beim FC Bayern längst zuhauf nachweisen. Robert Lewandowski beispielsweise ist amtierender Weltfußballer, neunmaliger deutscher Meister und wohl auch der Spieler, der den Uralt-Torrekord von Gerd Müller knacken wird. Manuel Neuer und Thomas Müller wurden 2014 Weltmeister, sind mit zahlreichen Titeln geschmückt und absolvierten in ihrer Laufbahn jeweils weit über 600 Pflichtspiele.

Kann sich Nagelsmann, der selbst nie Profi war, angesichts dieser geballten Star-Dichte den nötigen Respekt verschaffen? Oder wird er von Bayerns Top-Spielern zunächst eher belächelt?

Erste Aussagen der Münchner Führungsspieler dürften dem neuen Coach Mut machen. "Er schafft es immer, Mannschaften auf ein Niveau zu heben, das man ihnen nicht zutraut. Die Performance der Mannschaften liegt bei Nagelsmann meistens über den Erwartungen, über der Summe der Qualität der Einzelspieler", schwärmte Lewandowski gegenüber "Sport Bild".

  • Julian Nagelsmann im Konflikt mit sich selbst?

Dass Julian Nagelsmann äußerst ehrgeizig ist, ist ein offenes Geheimnis. Der Anspruch des FC Bayern, in Europa zu den besten drei Klubs zu gehören, sei dem neuen Coach "wahrscheinlich sogar zu wenig", teilte der designierte Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn im Interview mit "Sport Bild" ein wenig augenzwinkernd mit.

Nagelsmann strebt immer nach dem absoluten Maximum. Dass er an seine Leistungsgrenze geht und das auch von seinen Spielern verlangt, entspricht seinem persönlichen Mantra. Und er kennt aus seiner bisherigen Karriere nur eine Richtung, nämlich nach oben. Aber wie geht der Ehrgeizling mit möglichen Misserfolgen um, die beim FC Bayern nicht eingeplant sind?

Der junge Coach könnte schnell ins Hadern kommen, beispielsweise nach einem nicht den immens hohen Erwartungen entsprechenden Saisonstart, einem Ausrutscher im DFB-Pokal oder der Champions League. Die dann rund um den Rekordmeister auch medial aufkommende Kritik wäre er aus Leipzig zumindest in diesem Ausmaß nicht gewohnt.

  • Sorgt die Personalie Kathleen Krüger beim FC Bayern für Unruhe?

Teammanagerin Kathleen Krüger bezeichnete "Sport Bild" einmal als "mächtigste Frau beim FC Bayern". Sie gilt als einer der Faktoren für die Erfolge der jüngeren Vergangenheit sowie den herausragenden Mannschaftsgeist unter Hansi Flick. 

Die 35-Jährige ist bei den Spielern äußerst beliebt. Ein Indiz: Sie gehört als einzige Person außerhalb der Mannschaft zur WhatsApp-Gruppe der Bayern-Stars.

Seit Anfang Mai befindet sich Krüger jedoch im Mutterschutz. Der Start der Ära Nagelsmann findet also ohne eine wichtige Kontaktperson der Profis statt. Auch langfristig muss der FC Bayern womöglich ohne Krüger auskommen. Sie könnte es zusammen mit Flick in den Stab der Nationalmannschaft ziehen.

Krügers Nachfolger bringt Nagelsmann gleich mit zum FC Bayern: Timmo Hardung, den er noch aus seiner Hoffenheimer Zeit kennt und der bei RB als Leiter des Lizenzbereichs fungiert. Ihn betraut der neue Münchner Coach mit der für den Erfolg der gesamten Mannschaft so wichtigen Aufgabe des Teammanagers, die nicht nur die Organisation der Reisen und die Unterbringung der Profis umfasst.

Hardung wird seine Tätigkeit anders angehen als Krüger. Tuscheleien im Hintergrund über das veränderte Vorgehen, neue Abläufe sowie womöglich einen anderen zwischenmenschlichen Umgang sind nicht ausgeschlossen.

Hardung muss also schnell einen Draht zu den Münchner Profis finden. Schon jetzt scheint aber festzustehen: Krüger wird er (vorerst) nicht ersetzen können.

Andre Oechsner