28.06.2022 16:22 Uhr

Wird die Wackel-Abwehr des BVB wieder stabil?

Problemlöser? Edin Terzic steht vor seiner zweiten Amtszeit beim BVB.
Problemlöser? Edin Terzic steht vor seiner zweiten Amtszeit beim BVB.

In der neuen Defensivzentrale von Borussia Dortmund hat Coach Edin Terzic die Qual der Wahl, auf den Außenpositionen gibt es allerdings noch einige Fragezeichen. Wie könnte die zukünftige Abwehrkette aussehen, welches Potenzial steckt im Kader, wer könnte den BVB noch verstärken? sport.de gibt einen Überblick.

Am Mittwoch bittet Edin Terzic in seiner zweiten Amtszeit als Cheftrainer von Borussia Dortmund zum Trainingsauftakt. Einige Nationalspieler werden dann noch fehlen, doch einer der Schwerpunkte sollte klar sein. Die anfällige Defensive. In der Vorsaison offenbarte diese mit 52 Gegentoren eklatante Schwächen, die Marco Rose letztendlich zum Verhängnis wurden. Auf eine Bundesliga-Saison bezogen war es die schwächste Defensivleistung der Dortmunder seit 2007/08.

Terzic muss mit seinen Schützlingen einige Baustellen beheben: Auffällig viele Gegentreffer fielen nach Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung - zudem resultierten gleich acht Gegentore aus schweren, individuellen Fehlern. Zusammen mit dem SC Freiburg war das der Höchstwert in der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Ein deutlicher Mangel an Spielern mit Führungsqualitäten und Erfahrung auf allerhöchstem Niveau war auszumachen.

Lösen Süle und Schlotterbeck beim BVB alle Probleme?

Zur Lösung dieser Schwachstellen stehen Terzic nun echte Spezialisten zur Verfügung: der einstige Champions-League-Sieger und Serienmeister Niklas Süle vom FC Bayern und Nico Schlotterbeck, das vielleicht größte Innenverteidiger-Talent des Landes.

Der inzwischen 33-jährige Mats Hummels gerät aufgrund dieser hochkarätigen Neuzugänge beinahe in Vergessenheit. Da Terzic in der Vergangenheit ausschließlich mit Viererkette spielen ließ, droht einem der genannten Spieler voraussichtlich ein Platz auf der Bank.

Der Verein kann sich aufgrund der Konkurrenzsituation in der Zentrale sogar leisten, dass Manuel Akanji verkauft werden soll und Megatalent Soumaïla Coulibaly weiterhin kaum eine Rolle spielen wird.  

Defensive Außenpositionen müssen verstärkt werden

Auf den defensiven Außenpositionen hat Terzic alles andere als die Qual der Wahl. Auf rechts probierten sich in der Vergangenheit Thomas Meunier, Marius Wolf, Felix Passlack oder auch Emre Can - ohne dabei nachhaltig für Stabilität zu sorgen.

Ein gefühlter Neuzugang ist Mateu Morey, der nach seinem "Totalschaden" im Knie im Mai 2021 so langsam aber sicher wieder eine Option als Rechtsverteidiger wird. Seine beste Zeit erlebte der Spanier vor dieser schweren Verletzung unter Trainer Terzic. Entsprechend "glücklich" sei er über Wahl des neuen (alten) Trainers gewesen. Trotz fehlender Konstanz dürfte dennoch Meunier als Nummer eins in die ersten Trainingseinheiten gehen.

Einen Favoriten auf der linken Abwehrseite auszumachen, ist gar nicht so einfach. Der Portugiese Raphael Guerreiro war dies in der Vergangenheit, doch in der abgelaufenen Saison ließ er sich von der Unsicherheit anstecken. Die sechste Saison von Guerreiro war einer der schwächsten beim BVB. Über seine linke Abwehrseite fielen einige Gegentore und offensiv war er mit vier Toren und zwei Vorlagen - 2020/21 waren es zehn Assists - weit von seiner Bestform entfernt.

Bei einem Verkauf des weiterhin enttäuschenden Nico Schulz wäre Guerreiro die einzige ernsthafte Option als Linksverteidiger.

David Raum: Teuer und umworben 

So beschäftigt sich Sportdirektor Sebastian Kehl mit einem weiteren deutschen Nationalspieler: David Raum von 1899 Hoffenheim, der sich in seiner ersten Bundesliga-Saison gleich in den Fokus spielte.

Laut "Sport1" greift die Ausstiegsklausel des 24-Jährigen erst in der kommenden Saison, in diesem Sommer soll Hoffenheim eine Ablösesumme von 40 Millionen Euro aufrufen.

Eine große Hürde für den BVB, die man wohl nur bei entsprechend guten Erlösen für Akanji und Schulz überspringen möchte. Zudem sollen die Premier-League-Klubs Manchester United, West Ham und Newcastle den Linksverteidiger locken. 

Vertraut Terzic beim BVB weiter einer Viererkette?

Terzic kann bzw. muss zunächst also mit einer erfahrenen Abwehrzentrale und wackligen Außenpositionen planen, die folgendermaßen aussehen könnte: Meunier - Süle - Schlotterbeck (Hummels) - Guerreiro.

In seiner ersten Amtszeit vertraute der Coach bis auf eine Ausnahme immer einer Viererkette. Eine Alternative dazu wäre eine Dreierkette bestehend aus Süle, Hummels und Schlotterbeck. Drei gelernte Innenverteidiger, die auf ihrer jeweils besten Position spielen würden. 

So sehr der BVB Terzic und seinen taktischen und auch menschlichen Qualitäten vertraut, die defensiven Baustellen konnte der einstige Nachfolger von Lucien Favre in seiner ersten Zeit nicht nachhaltig beheben. In nur neun der 32 Pflichtspiele - also nicht mal einem Drittel - stand die Null.

Im Vergleich zu Rose (im Schnitt 10,7 Schüsse) ließ der BVB unter Terzic sogar mehr gegnerische Versuche (12,3) pro Bundesliga-Spiel zu.

Ein paar Puzzleteile fehlen dem BVB noch

Als zukünftiger BVB-Trainer empfahl sich Terzic vor allem aufgrund seines beeindruckenden Endspurts von acht Siegen in Serie, darunter der 4:1-Sieg im DFB-Pokalfinale.

Was er ebenfalls schaffte: Spaß und Vertrauen zu vermitteln. Die Mannschaft trat als Einheit auf. Das zeigte sich unter anderem im Zweikampfverhalten: In der ersten Terzic-Zeit hatte der BVB mit 54 Prozent die beste Zweikampfbilanz aller Bundesligisten. 

"Edin weiß um die Stellschrauben, an denen wir drehen möchten, um unseren Fans erfolgreichen Fußball bieten zu können", sagte Sebastian Kehl bei der Präsentation seines neuen, alten Trainers Ende Mai.

Der Nachfolger von Michael Zorc hat in beeindruckender Manier dafür gesorgt, dass Terzic die entsprechenden Puzzleteile dafür bekommt. Finalisiert ist die defensive Achse allerdings noch nicht.

Lars Wiedemann