Horror-Start: Darum funktioniert Modeste beim BVB nicht

Nach der Krebs-Diagnose von Neuzugang Sébastien Haller musste Borussia Dortmund unfreiwillig auf dem Transfermarkt tätig werden. Mit Anthony Modeste vom 1. FC Köln verpflichtete der BVB die "Wunschlösung" von Trainer Edin Terzic. Doch der Stürmer läuft den Erwartungen weit hinterher.
Immerhin fünf Millionen Euro Ablöse überwies der BVB in die Domstadt und stattete Modeste mit einem satt dotierten Einjahresvertrag aus. Als Soforthilfe sollte der Franzose Haller ersetzten, der seinerseits als Nachfolger von Erling Haaland verpflichtet worden war.
Sportdirektor Sebastian Kehl freute sich über Modeste, "einen gestandenen Profi, der mit seinem Profil genau jene Rolle einnehmen kann, die sich unser Trainer Edin Terzic für den BVB-Fußball vorstellt." Eine erste Zwischenbilanz wirft eine brennende Frage auf: Passt der Spielertyp Modeste überhaupt ins BVB-System?
An einer Statistik führt bei der Spurensuche kein Weg vorbei. Der Vergleich der Flankenanzahl zwischen Köln, wo Modeste in der letzten Saison 20 Tore schoss und dem BVB, bei dem Modeste erst ein einziges Mal traf, liefert eine, wenn nicht gar die Erklärung für den schwachen Start des Stürmers.
BVB flankt zu selten - Modeste seiner Stärken beraubt
Die Kölner sind die Flankenkönige schlechthin in der Bundesliga. In der letzten Spielzeit fütterte der Effzeh seine Angreifer - vorrangig Modeste - mit knapp 15 Hereingaben pro Spiel. Zum Vergleich: Der BVB flankte im gleichen Zeitraum nur 6,6 Mal. In dieser Saison stehen die Schwarz-Gelben immerhin leicht verbessert bei acht Flanken pro Spiel - trotzdem zu wenig für Modeste.
Denn so nimmt Dortmund seinem Angreifer dessen größte Stärke. Fast 30 Prozent seiner insgesamt 84 Bundesligatore erzielte Modeste nach vorausgegangenen Flanken. Dieses Schema führte auch im Auswärtsspiel bei Hertha BSC zum Erfolg, als der 34-Jährige seinen bislang einzigen Treffer im neuen Dress erzielte.
Das BVB-Spiel ist hingegen auf schnelle Pässe und Wege in die Tiefe ausgelegt. Das ist nicht verwunderlich, funktionierte dieses Konzept in den letzten Spielzeiten doch hervorragend. Doch ohne Erling Haaland, der am Mittwoch mit Manchester City auf seine Ex-Kollegen trifft (ab 21 Uhr im sport.de-Liveticker), fehlt dem BVB der geeignete Spielertyp. Sprintgeschwindigkeit zählt jedenfalls nicht zu Modestes Kernkompetenzen.
"Kein Freifahrtschein" für Modeste?
Muss der BVB also seinen Spielstil umstellen? "Der Trainer hat genug Optionen, um in verschiedenen Systemen zu spielen", urteilte Kehl vor dem Saisonstart, Modeste habe aufgrund der hohen Konkurrenz "keinen Freifahrtschein".
Doch die Optionen dünnten sich in den letzten Wochen durch die erneut prekäre Personalsituation aus. Karim Adeyemi kommt wegen anhaltender Fußprobleme auf erst zwei Einsätze, Donyell Malen fehlt wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel seit mehr als drei Wochen. Thorgan Hazard (muskuläre Probleme) und Jamie Bynoe-Gittens (Schulterluxation) sind ebenfalls keine Optionen in der Offensive.

Die einzig fitte Alternative in der Sturmspitze ist derzeit Youssoufa Moukoko. Doch der Youngster durfte nach seinem gelungenen Joker-Einsatz gegen Freiburg (ein Tor, ein Assist) nur noch 41 Minuten spielen. Bleiben Einsatzzeiten und gute Leistungen des 17-Jährigen aus, steht der BVB vor gleich zwei weiteren Problemen.
Modeste sagt "15 bis 20 Tore" für den BVB an
Zum einen läuft der Vertrag des jungen Angreifers im kommenden Sommer aus. In seiner unzufriedenstellenden Lage dürfte Moukoko kaum bereit sein, das Arbeitspapier zu verlängern. Zum anderen schafft es das Eigengewächs derzeit nicht, Druck auf Modeste auszuüben, der seinen Stammplatz damit weiter sicher hat.
Erst wenn der Franzose in den kommenden Spielen häufiger mit Flanken versorgt wird, ist sein ambitioniertes Saisonziel von "15 bis 20 Toren" für den BVB im Rahmen des Möglichen. Die allgemein lahmende BVB-Offensive, die an den ersten sechs Spieltagen nur acht Tore erzielte, allein auf Fremdkörper Modeste herunterzubrechen, würde der Flaute allerdings auch nicht ganz gerecht werden.
Tom Kühner