Das sind die drei größten Gewinner der Not-Auswahl

Bundestrainer Julian Nagelsmann ereilte im Vorfeld des Länderspiel-Doppelpacks gegen Bosnien-Herzegowina (2:1) und die Niederlande (1:0) Absage um Absage. Durchaus überraschend nutzte er die Nations-League-Spiele, um einigen Spielern zum Debüt zu verhelfen. Mutige Entscheidungen, die sich auszahlten.
Was haben Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Jamal Musiala (FC Bayern), Benjamin Henrichs, David Raum (beide RB Leipzig), Niclas Füllkrug (West Ham United), Kai Havertz (FC Arsenal) und Robin Koch (Eintracht Frankfurt) gemeinsam? Nicht nur zählen sie normalerweise zum Stammpersonal von Bundestrainer Julian Nagelsmann, sie fielen zugleich auch für die Partien gegen Bosnien-Herzegowina und die Niederlande verletzungsbedingt aus.
"Es ist schwierig, das aufzufangen", befand etwa DFB-Kapitän Joshua Kimmich: "Denn es ist nicht so, dass wir den Kern der Mannschaft schon seit fünf Jahren haben."
Doch Nagelsmann bewies Mut und ein gutes Händchen: Statt auf Nationalspieler zu setzen, die in ihrem Verein aktuell straucheln - wie Julian Brandt, Niklas Süle, Emre Can, Maximilian Beier (alle Borussia Dortmund), Leon Goretzka (FC Bayern) oder Timo Werner (Tottenham Hotspur) -, gab er jenen eine Chance, die bislang unter dem DFB-Radar spielten: Die Stuttgarter Jamie Leweling und Alexander Nübel kamen ebenso zu ihrem Debüt wie Torwart-Routinier Oliver Baumann, der Mainzer Jonathan Burkardt und Gladbachs Mittelstürmer Tim Kleindienst.
England-Legionär Kevin Schade vom FC Brentford rückte zudem erstmals seit über einem Jahr zurück in die DFB-Auswahl, für Robin Gosens von der AC Florenz war es die erste Nominierung seit der USA-Reise im Vorjahr. Die jungen Mittelfeldlenker Angelo Stiller vom VfB, der sein Debüt erst im September gegen Ungarn (5:0) gefeiert hatte, und Aleksandar Pavlovic vom FC Bayern standen erstmals in einer Startformation. Gleich mehrere dieser Entscheidungen erwiesen sich als Volltreffer.
Jamie Leweling (VfB Stuttgart)
Jamie Leweling war gegen die Niederlande der "Held des Abends", wie der "kicker" treffend formulierte. Gegen Bosnien-Herzegowina noch 90 Minuten auf der Bank, zählte er gegen Holland zu den großen Aktivposten im DFB-Team - und dass, obwohl er eigentlich gar nicht hätte spielen sollen. Nur wegen der Muskelbeschwerden von Vereinskollege Deniz Undav rückte er in die erste Elf. "Wären alle gesund gewesen, wäre er nicht dabei gewesen, so ehrlich muss man sein", bekannte Nagelsmann hinterher.
Leweling zeigte von Beginn an, dass es die richtige Entscheidung war, ihn in die Startelf zu befördern. Schon nach zwei Minuten traf der Stuttgarter zur Führung, das Tor wurde jedoch aufgrund einer Abseitsstellung von Serge Gnabry aberkannt.
Der Angreifer ließ sich davon nicht beirren, war auch in der Folge an den meisten Offensivaktionen beteiligt. Mit seiner unbekümmerten Spielweise belebte er den deutschen Angriff sichtbar - ein absoluter Gewinn für die DFB-Auswahl. Bleibt er verletzungsfrei, winkt Mitte November die nächste Berufung.
Oliver Baumann (TSG Hoffenheim)
20 Mal (!) war Oliver Baumann schon Teil der Nationalmannschaft, erwies sich zunächst hinter Manuel Neuer und dann hinter Marc-André ter Stegen stets als idealer Ersatz im Tor: Der 34-Jährige stellte keinerlei Ansprüche, sondern unterstützte vielmehr die Stammtorhüter im Training. Sein erstes Länderspiel hat sich der Hoffenheim somit längst verdient, gegen die Niederlande war es endlich so weit.
"Extrem stolz" sei er nach seinem Debüt, sagte Baumann nach dem knappen Sieg gegen den Nachbarn in München. Der Routinier wurde gegen Oranje lange nicht gefordert, zu einseitig verlief die Partie zu Gunsten der Nagelsmann-Elf. In der Schlussphase durfte sich Baumann dann doch noch einmal auszeichnen, als er gegen BVB-Stürmer Donyell Malen den Sieg festhielt. "Den Flatterball muss man erstmal haben", lobte Nagelsmann.
Baumann winken nun weitere Einsätze mit dem Adler auf der Brust, im Konkurrenzkampf mit Alexander Nübel, der in Zenica debütieren durfte, ist der Hoffenheimer laut dem Bundestrainer aufgrund seiner bisher starken Leistungen bei der TSG "einen Tick" vorne.
Robin Gosens (AC Florenz)
Knapp ein ganzes Jahr lang hat Linksverteidiger Robin Gosens auf seine nächste Chance warten müssen. Eine schwierige Saison bei Union Berlin hatte den 30-Jährigen aus der Nationalmannschaft befördert, sein großer Traum von der EM im eigenen Land war geplatzt.
Die Verletzung von David Raum spülte den Emmericher, der bei seinem neuen Klub AC Florenz einen guten Saisonstart erwischte, nun unverhofft zurück ins Team: Während er gegen Holland eher eingewechselt wurde, um Zeit von der Uhr zu nehmen, durfte er gegen Bosnien nach Einwechslung immerhin 24 Minuten spielen. Durchaus bemerkenswert: Gosens schaffte es, das Tempo in der Schlussphase hochzuhalten, mehrmals bot er Offensivläufe auf der linken Seite an. Im Zweikampf zeigte er sich zudem souverän.
Die Botschaft an den Bundestrainer: Robin Gosens hat seinen Traum von der Nationalmannschaft keineswegs aufgegeben. Für Julian Nagelsmann steht wiederum die wichtige Erkenntnis fest: Fallen Maximilian Mittelstädt oder David Raum aus, hat er einen adäquaten Ersatz parat.