"Woltemade soll erstmal nachhaltig performen"

Die Zukunft von Nick Woltemade dominiert derzeit die Schlagzeilen. Der Mittelstürmer glänzte in der Bundesliga mit Top-Leistungen im Trikot des VfB Stuttgart und ist mit acht Scorerpunkten in drei Einsätzen der Überflieger der bisherigen U21-EM. Sollte der 23-Jährige schon in diesem Sommer den nächsten Schritt wagen und das Ländle in Richtung eines absoluten Top-Klubs verlassen?
In der sport.de-Redaktion gibt es unterschiedliche Meinungen.
Wechsel in eine fremde Liga käme verfrüht für Woltemade
Für Vorstandsboss Alexander Wehrle gibt es zumindest öffentlich keinen Zweifel daran, dass Nick Woltemade auch im September nach Abschluss des Transfersommers noch im Trikot des VfB Stuttgart auflaufen wird. "Nick ist unser Spieler und wird auch in der nächsten Saison für uns Fußball spielen", versprach er schon im Mai gegenüber RTL/ntv und sport.de.
Und doch wird auch der Torjäger, der bei den Schwaben bis 2028 ohne Ausstiegsklausel unterschrieben hat, mit Sicherheit nicht unverkäuflich sein. Erst recht nicht, sollten die zahlungskräftigen Klubs aus England vorstellig werden, wie den jüngsten Meldungen von der Insel zu entnehmen ist. Doch wäre ein VfB-Abschied überhaupt ratsam?
17 Tore in seiner ersten Saison für den VfB Stuttgart in der Bundesliga und im DFB-Pokal, schon fünf Tore bei der U21-EM 2025: Die Zahlen von Nick Woltemade im laufenden Kalenderjahr sind beeindruckend, gar keine Frage.
Dass der 1,99-Meter-Schrank aber tatsächlich den allerhöchsten Ansprüchen genügt, diesen Nachweis muss er erst noch erbringen. Getreu dem Sprichwort, dass eine Schwalbe noch längst keinen Sommer macht, rechtfertigt auch ein sehr starkes Woltemade-Halbjahr noch keinen Transfer jenseits der 50 Millionen Euro.
Denn diese müssten es vom FC Chelsea, FC Arsenal oder sonstigem Großklub wohl mindestens sein, um die VfB-Bosse überhaupt an den Verhandlungstisch zu zerren.
Europäisches Top-Niveau hat der gebürtige Bremen phasenweise, aber noch nicht konstant über eine Saison hinweg nachgewiesen, auch beim VfB war er zeitweise nur Stürmer Nummer drei hinter Ermedin Demirovic und Deniz Undav.
Eine ähnliche Anlaufzeit, wie er im Ländle benötigte (ein Tor nach zwölf Spieltagen), würde ihm in der Premier League sicherlich nicht zugestanden werden.

Außerdem schwingt bei dem Angreifer immer die Tatsache mit, dass er als vermeintliches Top-Talent bei seiner ersten Profi-Station überhaupt nicht funktionierte und für Werder Bremen in 51 Pflichtspiel-Einsätzen gerade zwei Törchen zustande brachte.
Beim VfB Stuttgart genießt er spätestens seit Jahresbeginn das volle Vertrauen und die volle Unterstützung, hat unter Erfolgstrainer Sebastian Hoeneß eine klare fußballerische und mentale Weiterentwicklung hinbekommen.
Diesen Trend sollte Woltemade unbedingt weiter fortsetzen, statt einen verfrühten Wechsel in eine fremde Liga mit anderem Fußball zu wagen, die ihn nur wieder um eine oder mehrere Spielzeiten zurückwerfen könnte.
Mats-Yannick Roth
Abschied vom VfB Stuttgart: Der Zeitpunkt ist perfekt
Würde die Konstante VfB Stuttgart der Entwicklung von Nick Woltemade gut tun? Tja, diese Frage wird mit Sicherheit erst die Zeit abschließend beantworten. Aber: Einen wirklich konstanten Anstieg der Karriere-Leistungen vermisst man beim Blick auf die Vita des Angreifers ohnehin.
Wie mein Vorredner schon schrieb, fiel dem Hünen der Sprung ins Profigeschäft keineswegs leicht, einem starken Leihintermezzo in die 3. Liga folgte anschließend wieder eine ernüchternde Lehrzeit in Bremen. Und auch nach seinem Wechsel zum VfB robbte sich Woltemade nicht wirklich Schritt für Schritt ins Rampenlicht - er explodierte ab Dezember 2024 regelrecht.
Plötzlich war da diese 1,99 Meter große Urgewalt, die auch in engen Spielen und gegen Top-Gegner Zählbares liefert und dabei eine durchweg positive Gier ausstrahlt.
Das merkt man auch aktuell bei der U21-EM: Dem höchsten DFB-Nachwuchs schien Woltemade in den vergangenen Monaten eigentlich entwachsen zu sein, trotz erster Erfahrungen in der deutschen A-Auswahl ließ es sich Woltemade aber nicht nehmen, die Endrunde mit der U21 zu bestreiten. Wohl wissend, dass der Titel absolut greifbar ist.
Netter Nebeneffekt: Fünf Treffer und drei Vorlagen später steht Deutschland im Halbfinale - und Woltemade endgültig in den Notizbüchern der europäischen Fußball-Elite.
Dass der gebürtige Bremer bei einem Wechsel ohne Einbußen an seine aktuellen Leistungen anknüpfen kann, kann ihm natürlich dennoch keiner garantieren, eine Überraschung wäre es allerdings nicht.
Denn, auch das muss erwähnt werden, Woltemade ist keinesfalls "nur" ein Stürmer, der in den letzten Monaten schlicht sein Glück im Abschluss gefunden hat, der Offensivspieler überzeugt auch mit einer Ballbehandlung, die man dem nicht gerade kopfballstarken Riesen auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Gerade die physisch fordernde Spielweise der englischen Premier League scheint Woltemade quasi auf den Leib geschneidert zu sein.
Für einen Abschied im Sommer 2025 sprechen allerdings auch die knallharten Fakten: In einem halben Jahr wird Woltemade bereits 24 Jahre, den Status Youngster ist er damit eigentlich abgelegt und mit Blick auf eine Vertragslaufzeit bis 2028 und die jüngsten Leistungen erscheint aus Vereinssicht der perfekte Zeitpunkt, den Rechtsfuß so richtig zu Geld zu machen.
Da kann die Klubführung des VfB noch so markige Worte hinausposaunen, am Ende greifen auch in Stuttgart die Mechanismen des Fußball-Geschäfts. Das weiß auch Wehrle, der im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de auf die konkrete Nachfrage, ob es "keine Chance" für einen Interessenten gebe, klugerweise auch eher vage blieb und sagte: "Uns hat gar keine angerufen und ich gehe auch fest davon aus, dass uns keiner anruft, weil wir mit Nick die nächste Saison planen." Ich würde glatt dagegen wetten und behaupten: Das Telefon wird mehr als einmal klingeln.
Marc Affeldt