08.12.2022 09:05 Uhr

Wie sich Benjamin Pavard ins Abseits manövriert

Benjamin Pavard steht noch bis 2024 beim FC Bayern unter Vertrag
Benjamin Pavard steht noch bis 2024 beim FC Bayern unter Vertrag

Mit seinem öffentlich artikulierten Wechsel-Wunsch sorgte Benjamin Pavard beim FC Bayern für Irritationen. Auch in Frankreichs Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Katar hat sich der 26-Jährige ins Abseits manövriert. Wie konnte es dazu kommen?

Für Benjamin Pavard dürfte die Fußball-WM 2022 als dunkles Kapitel in seine Vita eingehen - wohl auch unabhängig vom Abschneiden Frankreichs, das vor dem Viertelfinal-Kracher gegen England am Samstag (20:00 Uhr) in Katar weiter auf die Titelverteidigung hoffen darf.

Pavard wird aller Voraussicht nach auch dann wieder keine Sekunde für die Équipe Tricolore auf dem Platz stehen, wie schon in den Gruppenspielen gegen Dänemark (2:1), Tunesien (0:1) sowie im Achtelfinale gegen Polen (3:1).

Was Didier Deschamps dazu bewog, auf den nach "kicker"-Noten drittbesten Abwehrspieler der bisherigen Bundesliga-Saison zu verzichten, erklärte Frankreichs Nationaltrainer erstaunlich offenherzig nach dem Auftaktspiel gegen Australien (4:1), bei dem Pavard noch in der Startelf gestanden und bis zur 89. Minute durchgespielt hatte.

Fußball-WM 2022: Harsche Kritik an Benjamin Pavard

Der Profi des FC Bayern sei "körperlich und mental" nicht in der Lage gewesen, eine gute Leistung zu zeigen, unkte Deschamps. Er berichtete von "mehreren Diskussionen" mit Pavard, wollte bei seiner Kritik aber nicht weiter ins Detail gehen.

Das Fachmagazin "kicker" enthüllte, was hinter Deschamps' aufsehenerregenden Worten steckte: Demnach habe sich Pavard nicht auf taktische Vorgaben des Erfolgscoachs einlassen wollen - genauer gesagt die Anweisung, mit Zuspielen von der rechten Abwehrseite aus den vor ihm postierten Ousmane Dembelé zu füttern.

Pavards Problem: Er hadert seit langem mit der Rechtsverteidigerposition, will lieber in der Abwehrzentrale spielen.

"Dadurch ist er unruhig und grübelt zu viel", erklärte der frühere Bundesliga-Profi und heutige TV-Experte Johan Micoud bei "Sport1". "Ich verstehe nicht, warum sich Benjamin dermaßen gehen lässt und seine Schultern nur noch nach unten hängen."

FC Bayern: Benjamin Pavard plaudert seinen Wechsel-Wunsch aus

Auch bei seinem Arbeitgeber in München hat Pavard, der als eigenwilliger Typ gilt, zuletzt einiges Porzellan zerschlagen.

Gegenüber der französischen "L'Équipe" äußerte er im Vorfeld der WM seinen Wunsch, den deutschen Rekordmeister zu verlassen: "Ich bin nicht dagegen, ein neues Projekt zu entdecken. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit. Warum nicht ein neues Land, eine neue Kultur entdecken?"

Vorstandschef Oliver Kahn sah sich zu einer Replik genötigt. "Bei uns kann keiner seinen Abgang mit Aussagen einleiten, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das gibt es bei uns nicht", sagte der 53-Jährige im "Sky"-Interview. "Benjamin weiß, was er am FC Bayern hat. Wir wissen auch, was wir an ihm haben. Wir können die Emotionen der Spieler, die mal hoch und mal runter gehen, einordnen und managen."

Benjamin Pavard (l.) und Frankreichs Nationalcoach Didier Deschamps
Benjamin Pavard (l.) und Frankreichs Nationalcoach Didier Deschamps

Wie die Klub-Bosse mit der Causa Pavard umgehen werden, ist noch unklar. Sein Vertrag an der Säbener Straße läuft 2024 aus.

Bis zum kommenden Sommer steht also eine Grundsatzentscheidung an, da ohne Verlängerung nur noch dann eine Ablösesumme für den Profi winkt.

Wie plant der FC Bayern mit Benjamin Pavard?

Medienberichten zufolge hatte der FC Bayern wegen Pavards ordentlicher bis starker Leistungen in den letzten Monaten eine weitere Zusammenarbeit mit ihm angepeilt.

Doch auch vereinsintern hat er inzwischen dem "kicker" zufolge seinen Wunsch hinterlegt, zukünftig in der Innenverteidigung spielen zu wollen - eine Forderung, auf die sich die Verantwortlichen um Trainer Julian Nagelsmann zweifellos nicht einlassen werden.

Sie werden außerdem auch einschätzen müssen, ob Pavards Sturheit für das Klima beim FC Bayern eine ähnliche Gefahr birgt wie für das bei den Franzosen.

Dort soll die Personalie während der WM für Unruhe in der Kabine sorgen. Spieler wie Dembelé opponieren laut "L'Équipe" gegen Pavard, andere wie Kapitän Hugo Lloris oder Olivier Giroud halten wohl zu dem Leistungsträger a.D.

Spekulationen um Abgang von Benjamin Pavard vom FC Bayern

Dass Pavard, der während der Hochphase der Corona-Pandemie mit Depressionen zu kämpfen hatte, im weiteren WM-Verlauf noch einmal für Frankreich aufläuft, scheint ausgeschlossen.

"Die Zukunft wird zeigen, ob er zurückkehren wird oder nicht", sagte Deschamps-Assistent Guy Stephan nach dem Polen-Spiel ausweichend.

Er glaube nicht, "dass Pavard noch eine Minute spielen wird", erklärte Ex-Nationalspieler Jérôme Rothen bei "RMC Sport".

Und auch über Pavards Zukunft im Vereinsdress mehren sich die Spekulationen. Der FC Barcelona und Real Madrid sollen die Fühler nach ihm ausstrecken. Auch ein Winter-Wechsel ist angeblich nicht vollends ausgeschlossen.

Tobias Knoop