21.03.2024 11:35 Uhr

Monster-Statistik: Der überraschende Weltklasse-Mann

Maximilian Mittelstädt erlebt mit dem VfB Stuttgart eine Bilderbuch-Saison
Maximilian Mittelstädt erlebt mit dem VfB Stuttgart eine Bilderbuch-Saison

Maximilian Mittelstädt ist der vielleicht überraschendste Senkrechtstarter der Saison. Nach der märchenhaften Erfolgsgeschichte mit dem VfB Stuttgart soll er nun auch noch ein großes DFB-Problem lösen. Kann er das?

Selten wurde ein Debütant derart mit einer Lobeshymne besungen wie Maximilian Mittelstädt. Auf der Pressekonferenz zum DFB-Kader für die anstehenden Testspiele gegen Frankreich und Niederlande geriet Bundestrainer Julian Nagelsmann ins Schwärmen.

"Maxi Mittelstädt ist aktuell der stabilste Linksverteidiger der Bundesliga: Offensiv extrem gut, defensiv hat er sich unglaublich gesteigert", erklärte der DFB-Coach und berief sich dann auf Top-Werte. "Er ist auch statistisch gesehen der mit Abstand beste Linksverteidiger in der Bundesliga und einer der Top-4-Linksverteidiger der Welt."

Mittelstädt, Top 4 der Welt. Das sorgte dann doch bei vielen für Überraschung. Selbst VfB-Trainer Sebastian Hoeneß waren diese Statistiken neu. Nach sport.de-Informationen bezog sich Nagelsmann auf Werte der Statistik Firma Impect von Ex-Profi Stefan Reinartz ("Packing"). Oft nutzt der DFB eigene Statistiken, für die Außenverteidiger-Position aber holte sich der Trainerstab externe Zahlen ein. Und die sprachen offenbar eine klare Sprache. Mittelstädt ist, Stand jetzt, der beste Mann auf der linken Abwehrseite.

Wohlgemuth-Wette geht voll auf

Und das alles nur weil VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth vor der Saison eine gewagte Wette eingegangen ist. Die lautete: Hole den talentierten, aber stagnierenden Mittelstädt aus einer gewohnten Wohlfühl-Umgebung in ein neues Umfeld mit einem passenden Trainer und hoffe dann auf den Durchbruch.

Es klingt verrückt: Vor einem Jahr noch kämpfte Mittelstädt bei seinem Jugend- und Herzensklub Hertha BSC um einen Stammplatz auf der linken Seite, hatte oft gegen Marvin Plattenhardt (aktuell vereinslos) das Nachsehen. Die desolate Saison der Hertha endete mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga.

Wohlgemuth schlug zu und lotste Mittelstädt nach 157 Partien für die Hertha in den Süden Deutschlands – für sage und schreibe rund 500.000 Euro. Der aktuelle Marktwert hat sich seitdem vervielfacht, dürfte nach der DFB-Nominierung weiter steil steigen.

Zwischen Spätzle und Maultaschen hat sich Mittelstädt in der neuen Umgebung schnell eingelebt, fand auch privat sein Glück und blühte auf. Wegen einer Verletzung kam er zu Beginn der Saison noch weniger zum Zug, erarbeitete sich aber schnell mehr Spielzeit und ist inzwischen nicht mehr aus der Startelf der Schwaben wegzudenken.

Sebastian Hoeneß baute ihn als stabilen Linskverteidiger auf, der defensiv mit unermüdlichem Einsatz viel weggrätscht und inzwischen auch offensiv für Gefahr sorgt. In der laufenden Saison kommt er auf fünf Scorerpunkte, erzielte zwei Tore und drei Vorlagen. Seinen zweiten Bundesliga-Treffer gegen Freiburg schaufelte er so elegant ins Tor, dass man meinte, er sei ein abgebrühter Stürmer wie Serhou Guirassy.

VfB-Powerseite soll DFB beflügeln

Die linke Seite des VfB Stuttgart ist ein Albtraum für fast jeden Gegner. Mittelstädt ist mit Linksaußen Chris Führich, der ebenfalls wieder fürs Nationalteam nominiert wurde, bestens eingespielt. Immer wieder überläuft Mittelstädt den leicht nach innen ziehenden Kollegen, was die Defensiven vor gewaltige Probleme stellt. Entweder zieht Führich gefährlich Richtung Tor oder Mittelstädt kann zur Flanke ansetzen.

Vergleicht man die linke Stuttgart-Seite mit dem DFB-Spiel der vergangenen Jahre, wird klar: Hier kann die Nationalelf von der Sahne-Seite der Schwaben durchaus profitieren.

Ex-Trainer Hansi Flick und Julian Nagelsmann scheiterten bislang daran, das Problem auf der linken Defensivseite langfristig zu lösen. Das Experiment mit Offensivmann Kai Havertz als linker Verteidiger scheiterte jedenfalls krachend.

Mittelstädt heißer Startelf-Kandidat

Mittelstädt gilt daher als der DFB-Neuling mit den besten Chancen auf einen Sprung in die Startelf. Das liegt zum einen an der brutalen Form, die er zurzeit hat und zum anderen an der Konkurrenz auf der Position. Es läuft wohl auf einen Kampf mit den Leipzigern David Raum und Benjamin Henrichs heraus. Zumal Jan-Niklas Beste (Heidenheim), der auch als LV spielen kann, angeschlagen abreisen muss. Ex-Stammspieler Robin Gosens wurde diesmal gar nicht mehr nominiert.

Die Form spricht für Mittelstädt. "Man sieht ihm man an, mit breitem Grinsen, dass er als glücklicher Mensch angekommen ist. Er hat den Rückenwind vom Bundestrainer, dass er in den Datenbanken so weit oben gerankt ist", berichtet RTL-Nationalmannschaftsreporter Felix Görner.

Mittelstädt wirke "frisch und unbekümmert" und wirbt in den Einheiten für sich. "Man sieht im Training: Er geht in die Zweikämpfe rein. Er ist ein Spielertyp, wie ihn Nagelsmann haben möchte. Er könnte schon gegen Frankreich eine Startoption sein."

Der 27-Jährige ist ein Vollprofi, der mit harter Arbeit und Einsatz abliefert. Also genau das, was sich Nagelsmann gemäß seines "Worker"-Mottos wünscht.

Mittelstädt selbst stellte schon bei seiner Ankunft im DFB-Team klar, dass er sich "alles zutraue", "der Mannschaft in der Startelf zu helfen oder sie von der Bank zu pushen".

EM-Baby Mittelstädt

Seinen großen Traum hat er sich schon erfüllt. Bei einem Auftritt vor fünf Jahren in der NITRO-Sendung "100% Bundesliga" bezeichnete der Ex-Juniorenauswahlspieler die A-Nationalelf als "großen Traum". "Da arbeite ich darauf hin, dass ich irgendwann das Ziel erreiche."

Nun schließt sich der Kreis. Seine Eltern verrieten in der TV-Sendung übrigens, dass Mittelstädt während der EM 1996 entstanden ist. Damals endete die EM-Reise der Nationalmannschaft mit dem Titel. Davon ist das aktuelle Team freilich noch weit entfernt. Da helfen auch keine Monster-Statistiken des DFB.

Über die Nagelsmann-Statistik-Hymne musste Mittelstädt übrigens selbst "ein bisschen schmunzeln, als ich das gehört habe". Wenn es so eine Statistik gebe, sei das schön, "aber letztlich zählt die Leistung auf dem Platz. Da versuche ich, 100 Prozent zu geben. Am Ende zählt die Leistung und keine Statistik."

Emmanuel Schneider