25.06.2024 07:35 Uhr

Künstler Sané und das Warten auf den "großen Moment"

Leroy Sané konnte bei der EM noch nicht überzeugen
Leroy Sané konnte bei der EM noch nicht überzeugen

Leroy Sane spielt bei der EM bislang eine Nebenrolle. Der Bundestrainer ist trotzdem voll des Lobes.

Leroy Sane lehnt lässig an einer Wand aus grauen Fliesen, sein weit geöffneter roter Bademantel gibt den Blick frei auf den durchtrainierten Oberkörper des populären Nationalspielers. Die Zeile zu dem Foto aus einem stillgelegten Schwimmbad, das auf dem Cover der Juni-Ausgabe eines Männermagazins prangt, lautet: "Leroy Sane - bereit für seinen großen Moment." Doch der ist auch bei dieser EM noch nicht gekommen.

Im Sommermärchen 2.0, das seine Kumpels Jamal Musiala oder Ilkay Gündogan begonnen haben zu schreiben, ist der Profi von Bayern München bislang nur eine Randfigur - wieder einmal: Drei Kurzeinsätze in drei Spielen über insgesamt 73 Minuten, kein Tor, keine Vorlage, er war stets bemüht. Statt großer Kunst, die bei seiner Nominierung durch die renommierte Ausstellungshalle "Die Schirn" in Frankfurt angekündigt wurde, ist lediglich brotlose zu sehen.

Der Bundestrainer verteidigt sein verhindertes Genie. "Er hatte eine lange Verletzung", sagt Julian Nagelsmann über Sanes Schambein-Probleme. "Die Ausfallzeit war nicht so extrem lang, aber er hatte über einen ganz langen Zeitraum immer wieder damit zu kämpfen, war nie ganz frei in den Spielen." Dazu sei die ständige "Sorge" gekommen, die Schmerzen könnten wieder stärker werden, und eine fast fünfwöchige Trainingspause zum Ende der Saison. Soll heißen: Wie, bitte schön, soll Sane unter diesen Umständen zur prägenden Figur werden?

Wer Sane in den Gruppenspielen oder beim Training in Herzogenaurach beobachtet, sieht sein Vorurteil bestätigt - egal, von welcher Seite er den Bayern-Star betrachtet: Da ist einerseits der begnadete Zocker, der seine Geschwindigkeit clever ein- und seine Mitspieler in Szene setzt, der entschlossen Abschlüsse sucht, aber Pech hat. Und da ist der vermeintliche Phlegmatiker mit hängenden Schultern und wegwerfenden Handbewegungen.

Wie geht ein Trainer mit einem so sensiblen Spieler um? "Ganz normal", sagt Nagelsmann, "wir haben einen sehr guten Draht zueinander und auch ohne, dass wir zehnmal die Woche sprechen, ein ganz gutes Verständnis."

Die spätestens seit Sanes WM-Ausbootung 2018 durch Joachim Löw verbreitete Vorstellung, Sane könnte die Kollegen mit seiner Art runterziehen, weist Nagelsmann entschieden zurück. "Er ist ein ganz angenehmer Charakter, der gut zu führen ist und nicht aufmuckt." Klar, Auswechslungen gefielen dem 28-Jährigen nicht, "aber eingewechselt zu werden findet er ganz gut. Daher ist alles in Ordnung." Dass Sane ungeduldig mit den Hufen scharre, sei "gut so".

Vor der EM hatte Nagelsmann berichtet, der Münchner habe die "Chance, in die erste Elf zu rutschen". Vor dem Achtelfinale am Samstag in Dortmund aber sieht es nicht danach aus. "Es dauert einfach seine Zeit, bis er wieder voll im Rhythmus ist", sagt Nagelsmann, "und die gebe ich ihm." Warum? "Er ist ein bedeutender Spieler für uns, der immer sehr besondere Dinge machen und enge Spiele entscheiden kann."

Der perfekte Joker also? "Er muss sich wie alle hinten dran gerade gedulden", sagt Nagelsmann, "das weiß er auch, das ist gar kein Problem für ihn."

Die Textzeile im Inneren des besagten Männermagazins mit Cover-Model Sane lautet übrigens: "Sein Traum wird wahr". Vielleicht kommt er ja noch, der "große Moment" des Künstlers Leroy Sane.