22.08.2024 20:00 Uhr

"Zur alten Bayern-Dominanz fehlt noch viel"

Vincent Kompany startet in seine erste Saison als Cheftrainer beim FC Bayern
Vincent Kompany startet in seine erste Saison als Cheftrainer beim FC Bayern

Die neue Bundesliga-Saison steht in den Startlöchern. Bevor der Ball im Oberhaus endlich wieder rollt, hat sich die sport.de-Redaktion gefragt: Wer wird Meister, wer steigt ab? Findet der FC Bayern zurück zu alter Stärke? Bricht der VfB Stuttgart ein? Und was wird aus dem BVB? Das Meinungspanel.

  • These 1: Bayer Leverkusen wird wieder Meister

Lissy Beckonert: An Leverkusen führt auch in der neuen Spielzeit kein Weg vorbei. Leistungsträger haben die Werkself (Stand jetzt) nicht verlassen, zudem wurde der Kader in der Breite verstärkt. Die Elf von Xabi Alonso könnte sich auf dem Weg zur Titelverteidigung höchstens selbst ein Bein stellen.

Chris Rohdenburg: Die Zahl der Last-Minute-Punktgewinne in der letzten Saison lässt sich kaum mit beiden Händen abzählen, so oft hatte Bayer am Ende auch Glück. Klar sprechen die späten Siege und Remis für mentale Top-Qualität, doch 2024/25 dürfte viele Klubs die Bayer-Magie mittlerweile verstanden und das Team von Xabi Alonso entschlüsselt haben. Kurzum: Es wird deutlich schwerer werden, die Meisterschaft zu wiederholen ist möglich, aber viel schwieriger. Ich gehe eher nicht davon aus.

Emmanuel Schneider: Die Unbesiegbaren der Vorsaison sind nun die Gejagten. Und man muss sagen: Der Kader der Werkself ist nicht schlechter geworden, im Gegenteil. Bayer wird im Titelrennen und im Pokal ordentlich mitmischen, für die Schale wird es aber knapp nicht reichen. Daher: Leverkusen holt den Pott.

Gerrit Kleiböhmer: Es spricht nichts dagegen! Bayer Leverkusen ist nicht Meister geworden, weil der FC Bayern schwächelte. Die sensationellen 90 Punkte hätten in jeder Saison seit 2013/14 zum Titel gereicht. Da Bayer auf dem Platz kaum an Qualität verloren hat, kann die Meisterschaft meiner Meinung nach nur über die Werkself gehen. 

Mats-Yannick Roth: Ähnlich wie die legendären "Invincibles" des FC Arsenal, die in England vor 20 Jahren ungeschlagen Meister wurden, ergeht es auch der Werkself in diesem Jahr. Die fußballerische Qualität ist nicht wegzudiskutieren, wird auch in 2024/2025 für viele Siege sorgen. Doch die Konstanz des letzten Jahres, zu der auch eine ganze Menge Glück gehörte, werden die Leverkusener nicht mehr hinbekommen und vom FC Bayern entthront werden.

  • These 2: Der VfB Stuttgart stürzt ab

Emmanuel Schneider: Vom "Downfall" des VfB war schon zu Beginn des Jahres die Rede, als die Schwaben mal zwei Spiele in Folge verloren. Doch der VfB ist unter Trainer Sebastian Hoeneß gefestigt und hat immer wieder bewiesen, dass die Erfolge keine Glücksache sind. Der VfB hat sich clever verstärkt und der Supercup zeigte, dass der Hoeneß-Ball augenscheinlich noch funktioniert. Vizemeister wird der VfB nicht noch einmal, aber die Top 5 ist machbar, das erste Drittel der Tabelle auf jeden Fall.

Gerrit Kleiböhmer: Nachdem den Stuttgartern im Sommer Waldemar Anton (Kapitän), Hiroki Ito (Defensiv-Leistungsträger) und Serhou Guirassy (Toptorjäger) weggekauft wurden, muss man ja beinahe unken: Spätestens im März 2025 geht mit Erfolgstrainer Sebastian Hoeneß auch die wichtigste Säule der Fabelsaison - wenn der FC Bayern in inzwischen guter alter Tradition verzweifelt einen Nachfolger für Vincent Kompany sucht. Nun im Ernst: Der VfB ist zwar geschwächt worden, aber nicht schwächer geworden. Platz vier ist drin.

Chris Rohdenburg: Spätestens der Auftritt im Supercup hat gezeigt, dass auch mit der stark veränderten VfB-Elf wieder zu rechnen ist. Die Stuttgarter haben sich clever verstärkt, viel Geld wurde ausgegeben, auf den ersten Blick hin aber absolut sinnvoll. Abstürzen werden die Schwaben definitiv nicht, eine weitere Vizemeisterschaft ist aber eher unwahrscheinlich.

Lissy Beckonert: Nach einer derartigen Fabel-Saison ist die Absturz-Gefahr immer groß - gerade wenn man Leistungsträger wie Waldemar Anton, Serhou Guirassy oder Hiroki Ito verliert. Der VfB wird die Dreifachbelastung aber trotz intelligenter Transferpolitik und einem Sebastian Hoeneß, der sich auch bei Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lassen wird, meistern. Mit dem Abstiegskampf werden die Schwaben nichts zu tun haben.

Mats-Yannick Roth: Wie hart die Dreifachbelastung und der permanente öffentliche Fokus werden können, haben in den letzten Jahren einige Mannschaften leidvoll erfahren müssen. Man denke da nur an Union Berlin in der Vorsaison oder Gladbach und Wolfsburg, die parallel zur Königsklasse in der Bundesliga ebenfalls derbe abschmierten. Ähnlich wird es den Schwaben ergehen. Mit dem oberen Tabellendrittel wird der VfB dieses Mal nichts zu tun haben.  

  • These 3: Der BVB stagniert weiter

Gerrit Kleiböhmer: Der BVB setzt auf Identifikation, statt neue Wege einzugehen. Das haben die viele Entscheidungen der letzten Monate gezeigt, die mit einer gehörigen Portion Stallgeruch garniert waren. Mit der Beförderung von Nuri Sahin geht die Borussia zugleich ein ordentliches Risiko ein, verfügt der einstige Klopp-Schützling doch über wenig Erfahrung an der Seitenlinie. Die ersten Wochen werden daher entscheidend sein: Entfacht er neue Euphorie beim BVB, ist der Kader gut genug für den Titelkampf. Wenn nicht, muss man erneut um die Champions-League-Quali bangen.

Lissy Beckonert: Nuri Sahin hat es zwar geschafft, der Mannschaft neuen Esprit einzuhauchen. Für die ganz großen Sprünge reicht es aber noch nicht. Mehr als der enttäuschende Platz fünf in der vergangenen Saison sollte aber schon drin sein.

Chris Rohdenburg: Die Dortmunder haben sich gut verstärkt, vor allem Pascal Groß könnte ein unerwartet guter Transfer sein, das hat der DFB-Kicker bereits auf dem Feld angedeutet. Etwas verworren ist für mich noch die Frage, wie genau der Sturm am Ende aussehen soll und welche Personalentscheidungen noch anstehen. Kurzum: Der BVB wird auch 2024/25 eine Wundertüte sein, mit sehr positivem Inhalt. 

Emmanuel Schneider: Rund um den BVB ist eine neue Euphorie zu spüren. Viel wird vom Saisonstart abhängen, der nicht gerade einfach ist. Zudem fällt Tormaschine Serhou Guirassy einige Wochen aus. Trotzdem sind die Zugänge wie Waldemar Anton und Pascal Groß sehr kluge Transfers, die den Klub sofort verstärken. Die Schwarz-Gelben machen einen Sprung in die Top 3. Wenn sie einen frühen Lauf kriegen und Guirassy wieder Guirassy ist, greift der BVB sogar nach dem Titel.

Mats-Yannick Roth: Holt der BVB alles aus seinem vorhandenen Kader heraus, ist der zweite Tabellenplatz drin. Mehr als die Vize-Meisterschaft wird es in 2024/2025 aber nicht werden, dazu ist die Lücke zum FC Bayern auch in diesem Jahr wieder zu groß.

  • These 4: Der FC Bayern findet zurück zu alter Klasse

Chris Rohdenburg: Alte Klasse? Ja! Titelkampf? Auch! Klarer Meisterschafts-Favorit? Eher nicht! Beim FC Bayern wird auch in der neuen Saison alles daran hängen, wie gut Neu-Coach Vincent Kompany vom Tegernsee aus unterstützt wird. Senkt Uli Hoeneß den Daumen bzw. wird ungeduldig, wird es auch für den Belgier schwierig werden, obwohl dieser durchaus das Potenzial zu haben scheint, auch harte (Personal-)Entscheidungen durchzudrücken. 

Mats-Yannick Roth: Die wichtigste Qualität, um als Cheftrainer beim FC Bayern Erfolg zu haben, ist die richtige Ansprache innerhalb der Mannschaft. Bis dato scheint Vincent Kompany genau verstanden zu haben, wie er sein Münchner Starensemble anzufassen hat. Der Weg führt im ersten Jahr mindestens Mal zum Gewinn der deutschen Meisterschaft.  

Emmanuel Schneider: Die Bayern starten mit viel Wut im Bauch in die neue Saison. Eine erfolgreiche Titeljagd ist auch unter Kompany, der von Hoeneß sehr gelobt wurde, absolut kein Selbstläufer. Die Diskussionen um Tah und Goretzka zeigen, dass auch diese Saison nicht unbedingt ruhiger wird. Trotzdem denke ich, dass die Bayern einen Titel holen werden. Zur alten Dominanz fehlt aber noch viel.

Gerrit Kleiböhmer: Der FC Bayern hat auch in 2024/25 den mit Abstand besten Kader, auf jeder Position sind die Münchner mit Weltklassespielern besetzt. Es kommt nun auf Vincent Kompany an, aus der Star-Truppe wieder eine eingeschworene Mannschaft zu formen. Sicher ist: So einfach wie im letzten Jahr werden es die Bayern den Leverkusenern nicht machen.

Lissy Beckonert: Ich glaube nicht, dass Vincent Kompany es schafft, den FC Bayern zu alter Stärke zu führen. Um einen derartigen Turnaround nach der verkorksten Saison 2023/2024 zu schaffen, hätte es einen Trainer gebraucht, der international mehr Erfahrung und vor allem Erfolge aufzuweisen hat.

  • These 5: Der Abstiegskampf ist längst entschieden

Chris Rohdenburg: Aufsteiger Holstein Kiel wird es schwer haben, auch St. Pauli wird sich umschauen, doch traditionell dürfte auch ein Traditionsteam mit in den Abstiegssumpf rutschen. Ich denke da unter anderem an Werder Bremen, wo der große Transfer-Kracher in diesem Sommer ausblieb. 

Lissy Beckonert: Wie so häufig wird es für die beiden Aufsteiger schwer, Holstein Kiel und der FC St. Pauli sind die Abstiegskandidaten eins und zwei. Auch der 1. FSV Mainz 05 und der VfL Bochum müssen um den Klassenerhalt zittern. 

Mats-Yannick Roth: Entschieden wird der Abstiegskampf wie praktisch jedes Jahr am letzten Spieltag! Neben den üblichen Verdächtigen habe ich Borussia Mönchengladbach auf dem Zettel.

Emmanuel Schneider: Der Abstiegskampf ist offen und hält Überraschungen parat: Mindestens ein Aufsteiger wird den Klassenerhalt souverän schaffen wie in der Vorsaison der 1. FC Heidenheim. Bangen muss vor allem der VfL Bochum.

Gerrit Kleiböhmer: Wer hat in der Vorsaison den 1. FC Heidenheim als Absteiger Nummer eins getippt? Gefühlt alle, auf jeden Fall auch ich! Nun spielt Frank Schmidt mit seinem Team im Europapokal ... Dass nun der FC St. Pauli (ohne Erfolgscoach Hürzeler) oder Holstein Kiel (in der Bundesliga-Debütsaison) ähnlich auftrumpfen, darauf will ich mich aber lieber auch nicht festlegen. Bochum, Hoffenheim, Werder oder sogar Gladbach könnten es derweil auch schwer haben.