27.06.2010 19:00 Uhr

4:1 gegen England: DFB-Team im WM-Viertelfinale

Bloemfontein (dpa) - Die «Boy-Group» von Joachim Löw hat ihre Reifeprüfung in Südafrika mit Bravour bestanden. Die junge deutsche Nationalmannschaft fertigte den Erzrivalen England im Achtelfinale in Bloemfontein deutlich mit 4:1 (2:1) ab und darf nun tatsächlich auf den ganz großen Triumph hoffen.

Die Routiniers Miroslav Klose (20.) und Lukas Podolski (32.) sowie Youngster Thomas Müller (67./70.) mit seinen WM-Toren zwei und drei machten vor 40 510 Zuschauern im Free State Stadion den Erfolg perfekt und schickten die «Three Lions» nach Hause. Im 15. WM-Viertelfinale wartet nun am 3. Juli in Kapstadt der zweifache Champion Argentinien oder Mexiko auf das DFB-Team.

Für die Engländer, die wegen eines nicht gegebenen Tores von Frank Lampard zurecht mit Schiedsrichter Jorge Larrionda aus Uruguay haderten, traf Matthew Upson per Kopfball in der 37. Minute. Der Treffer brachte das überzeugend aufspielende deutsche Team aber nur kurz aus dem Rhythmus. «Ich bin stolz auf diese Mannschaft, mit welcher Leidenschaft und Spielfreude sie sich hier präsentiert hat», sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger schon zur Pause.

44 Jahre nach dem legendären Wembley-Tor erhitzte auch bei der 32. Auflage des Klassikers zwischen Deutschland und England eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters die Gemüter - diesmal die der Engländer. Beim Schuss von Frank Lampard in der 38. Minute prallte der Ball von der Unterkante der Latte deutlich sichtbar hinter der Torlinie auf, doch weder Larrionda noch sein Assistent an der Seite hatten dies bemerkt. Die wütenden Proteste der «Three Lions» blieben ohne Wirkung. «Das muss der Linienrichter sehen. Das war ein klares Tor», meinte Franz Beckenbauer im TV-Sender «Sky».

Die deutsche Mannschaft hatte das Prestige-Duell lange Zeit erstaunlich sicher im Griff und lieferte ihre beste Turnierleistung. Das Kombinationsspiel lief wieder auf Hochtouren, und auch die Angreifer zeigten sich von ihre besten Seite. Klose, der für den angeschlagenen Cacau ins Team zurückgekehrt war, unterstrich im 99. Länderspiel seinen Wert für das Team mit seinem 12. WM-Treffer. Damit liegt in der ewigen WM-Torschützenliste in Gerd Müller (14) nur noch ein Deutscher vor dem Münchner, der mit seinem 50. Länderspieltor zudem ein Jubiläum feierte. Nur zehnmal weniger traf im DFB-Trikot Podolski, der sich mit dem eiskalt erzielten 2:0 endgültig für den Elfmeter-Fehlschuss gegen Serbien rehabilitierte.

Erst wenige Stunden vor dem Anstoß war die Ungewissheit um den Einsatz von Bastian Schweinsteiger beendet. Der Münchner erhielt nach intensiver medizinischer Betreuung ebenso grünes Licht wie Jerome Boateng, der nach dem Ghana-Spiel gleichfalls über muskuläre Probleme geklagt hatte. Und Schweinsteiger erwies sich sofort als Kopf des Teams, das keine Nervosität erkennen ließ und sich mehr zutraute als die mit Respekt beginnenden Engländer. Der Bayern-Spieler organisierte das Spiel und leitete ebenso wie der erneut starke Mesut Özil viele gefährliche Aktionen ein. Weil sich dafür Sami Khedira mit seinen Vorstößen zurückhielt, gewann das deutsche Mittelfeld die gegen Ghana vermisste Sicherheit zurück.

Auf den voll besetzten Rängen gaben die sangesfreudigen englischen Fans den Ton an, auf dem Rasen setzte die junge deutsche Elf die Akzente. Ohne Nervenflattern suchten die Löw-Schützlinge sofort den direkten Weg zum Tor und besaßen schon nach fünf Minuten die Chance zum 1:0. Özil drang nach Zuspiel von Schweinsteiger entschlossen in den Strafraum ein, doch mit einer Fußabwehr blockte der fast 40- jährige Torwart-Oldie David James den Schuss des Bremers aus spitzem Winkel ab. Bereits in dieser Szene zeigte sich, dass die Abwehr der «Three Lions» nicht immer im Bilde war.

Dann leitete ein 80 Meter-Abschlag von Manuel Neuer die deutsche Führung ein. Der agile Klose nahm den Ball auf, setzte sich im Laufduell gegen Upson durch und erzielte gegen den chancenlosen James das 125. Länderspieltor unter Löws Regie. Dieser Treffer verlieh der deutschen Mannschaft Flügel. Plötzlich liefen die Kombinationen wieder wie am Schnürchen. In der 30. Minute hätte Klose bereits für das 2:0 sorgen können, als er nach Khediras Zuspiel dem englischen Tor zustrebte. Diesmal blieb James der Sieger. Doch zwei Minuten später war der Schlussmann durch Podolskis Schuss aus spitzem Winkel erneut geschlagen. Müller hatte die Vorarbeit geleistet.

Doch die DFB-Elf brachte den Vorsprung nicht in die Kabine. Als Boateng nach Steven Gerrards Flanke das Kopfballduell gegen Upson verlor und Neuer zu spät aus seinem Kasten kam, hieß es durch den Abwehrspieler von West Ham United nur noch 1:2. Damit waren auch die Engländer endgültig in der Partie zurück. 80 Sekunden später wurde Schiedsrichter Larrionda für die Briten zum Sündenbock, als er beim Schuss von Lampard nicht auf Tor erkannte.

Auch sechs Minuten nach Wiederbeginn war die DFB-Auswahl mit Fortuna im Bunde, als ein Freistoß von Lampard aus fast 35 Metern an die Latte krachte - Neuer zeigte kaum eine Reaktion. Und die Engländer blieben am Drücker, immer häufiger rückte das deutsche Tor in den Blickpunkt. In dieser kritischen Phase behielt vor allem Arne Friedrich kühlen Kopf und klärte manch brenzlige Situation, ehe ein schneller Konter über Schweinsteiger das erlösende dritte Tor durch Müller brachte. Wenig später lief Özil der englischen Abwehr auf und davon. Müller machte mit dem vierten Tor den Sack endgültig zu.