06.04.2018 08:00 Uhr

BVB-Kapitän Marcel Schmelzer: Das Gesicht der Krise?

Marcel Schmelzer gibt beim BVB den Ton an
Marcel Schmelzer gibt beim BVB den Ton an

Borussia Dortmund läuft in dieser Spielzeit seinen eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher. BVB-Kapitän Marcel Schmelzer schwang sich nach den blamablen Auftritten der jüngeren Vergangenheit zum Mahner und Kritiker der Kollegen auf. Doch wird er dieser Rolle überhaupt gerecht? Oder ist Schmelzer das Gesicht der Krise?

"Ein No-Go", polterte Marcel Schmelzer nach der peinlichen Heim-Niederlage von Borussia Dortmund im Europa-League-Hinspiel gegen RB Salzburg. "Wir müssen jetzt einiges wiedergutmachen."

Passiv, abwesend, fahrlässig: Nach schwachen 90 Minuten gegen die Österreicher stand der BVB mit dem Rücken zur Wand. Schmelzers Worte waren klar und deutlich, sollten die Mitspieler wachrütteln, die Sinne schärfen, motivieren. Noch war nichts verloren.

Doch nur eine Woche später war Schmelzer gezwungen, das nicht für möglich geglaubte Aus im Achtelfinale zu kommentieren. Das große Problem sei, "dass man immer schon vom Titel redet und nicht jedes Spiel, jede Runde ernst nimmt. Das ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann".

Der sichtlich angefressene Routinier legte nach, griff auch das eigene Team an: "Klar ist es nötig, nicht nur den Ton anzuziehen, sondern die Mentalität, die in der Mannschaft steckt, auf den Platz zu bringen." Er wolle durchaus "auch mal auf den Tisch hauen".

"Eine Riesenfrechheit" in München

Die Worte des Führungsspielers scheinen jedoch nicht bei allen BVB-Akteuren angekommen zu sein. Einem knappen 1:0-Sieg gegen Hannover 96 in der Bundesliga folgte die wohl schwächste Saison-Leistung - ausgerechnet beim Rivalen Bayern München.

Urgestein Schmelzer stand auch nach dem eklatanten 0:6 Rede und Antwort, während andere Kollegen schnurstracks in den Kabinen verschwanden. "Es ist eine Riesenfrechheit und es darf nicht so weitergehen", schimpfte der Abwehrspieler nach der Lehrstunde in München, die durchaus noch höher hätte ausfallen können.

Dabei dürfte einer seiner Sätze noch nachhallen: "Man kann viel reden, aber wichtig ist, dass man es auf dem Platz bringt - das war heute nicht der Fall."

Schmelzer-Rückkehr und Sommer-Umbruch

Denn der Abwehr-Routinier zeigt sich auf dem Rasen in den vergangen Wochen selbst nicht sattelfest. Nicht immer auf der Höhe in der Rückwärtsbewegung, zu zaghaft und mit Fehlern behaftet in der Vorwärtsbewegung. Als kreativer Linksverteidiger, der mit Offensivdrang für Torbeteiligungen sorgt, war Schmelzer ohnehin noch nie bekannt.

Die Leistungen in der laufenden Spielzeit werden von den Statistiken untermalt: Schmelzer bringt es auf eine Zweikampfquote von durchschnittlich nur knapp 51 Prozent. Zum Vergleich: Rechtsverteidiger Piszczek kommt immerhin auf rund 55 Prozent.

Auch in puncto Passgenauigkeit ließ Schmelzer dringend benötigte Sicherheit vermissen: 77 Prozent angekommene Pässe gegen München stehen seinem Durchschnitts-Wert von über 85 Prozent gegenüber.

Unvermeidbar also, dass der Kapitän selbst unverhofft zu einem Sinnbild der andauernden BVB-Krise reifte. Neben anderen gestandenen Profis im Kader, wie Nuri Sahin, Mario Götze, Gonzalo Castro oder André Schürrle, steht auch Schmelzer in der Sommerpause in Dortmund auf dem Prüfstand.

"Müssen mal den Arsch zusammenkneifen"

Doch die schwierige Situation des Linksverteidigers hat auch mit äußeren Umständen zu tun. Aufgrund eines Muskelfaserrisses in der Wade fehlte der Kapitän rund zwei Monate zum Jahresbeginn. Schon den Saisonstart verpasste er wegen einer Sprunggelenksverletzung.

Sein Backup, Jeremy Toljan, machte eine noch deutlich schlechtere Figur in der BVB-Abwehrkette. Auch deshalb gilt die linke Seite als ausgemachte Schwachstelle der Borussia.

Erst Ende Februar, im Hinspiel der Zwischenrunde der Europa League gegen Atalanta Bergamo, feierte Schmelzer schließlich sein lang ersehntes Comeback - und sicherte dem BVB mit seinem wichtigen Treffer zum 1:1-Endstand prompt das Weiterkommen.

Seither beackerte er die linke Seite in jedem Spiel über die vollen 90 Minuten - und versucht als kämpferische Leitfigur die Kollegen mitzureißen.

"Reden hilft nicht mehr viel", weiß jedoch auch der Kapitän vor den letzten sechs Bundesliga-Partien: "Wir müssen jetzt ein paar Spiele hintereinander mal den Arsch zusammenkneifen."

Letztlich wird Borussia Dortmund auch in Zukunft einen Kapitän brauchen, der in schwierigen Zeiten den Kopf hinhält und die richtigen Worte findet.

Im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (Sonntag, 15:30 Uhr) muss allerdings auch Schmelzer Taten folgen lassen - sonst wird der zweifache Meister und Pokalsieger künftig um seinen Platz bei den Schwarzgelben bangen müssen.

Gerrit Kleiböhmer