22.07.2018 16:09 Uhr

Özil verteidigt Erdogan-Fotos - und übt Kritik

Mesut Özil hat sich erstmals zu seinem Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan öffentlich geäußert
Mesut Özil hat sich erstmals zu seinem Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan öffentlich geäußert

Fußball-Nationalspieler Mesut Özil hat wenige Wochen nach dem Vorrundenaus des DFB-Teams bei der WM in Russland via Twitter zum Rundumschlag ausgeholt. Harsche Kritik übte der 29-Jährige an deutschen Medien und am DFB.

Im ersten Teil einer mehrteiligen Erklärung auf Englisch äußerte sich Özil am Sonntag erstmals öffentlich zur Erdogan-Affäre und bekannte sich zu dem Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten.

Er würde die Aufnahme "wieder machen", schrieb Özil. Über seine Zukunft in der DFB-Elf äußerte er sich dabei nicht. Die Wortwahl insgesamt legte jedoch nahe, dass ein Rücktritt folgen könnte.

Özil erklärte, er habe sich im Mai zu dem Foto mit Erdogan aus Respekt vor dessen Präsidenten-Amt bereit erklärt - unabhängig von der Person. Ähnlich hätten die Queen oder die englische Premierministerin Theresa May gehandelt, als sie sich mit Erdogan trafen.

Das Foto habe aber keine politische Botschaft oder sei als Wahlhilfe zu verstehen gewesen, betonte Özil. Er habe sich mit Erdogan wie bei früheren Treffen nur über Fußball unterhalten.

Außerdem verwies der 29-Jährige auf seine Wurzeln. "Ich habe zwei Herzen, das eine ist deutsch, das andere türkisch", schrieb er. Seine Mutter habe ihn stets gelehrt, Respekt zu zeigen und nie zu vergessen, "wo ich herkomme". Hätte er sich geweigert, Erdogan zu treffen, hätte er seine Wurzeln verleugnet, meinte Özil.

Das Foto, das entstand, als Erdogan sich mitten im Wahlkampf befunden hatte, sei weder als politische Botschaft noch als Wahlhilfe zu verstehen gewesen, schrieb Özil analog zu seinem Kollegen Ilkay Gündogan.

Dieser hatte sich bereits kurz nach Erscheinen der Bilder geäußert, während Özil bis jetzt schwieg. Das Thema überlagerte damit die WM in Russland mit dem historischen deutschen Vorrunden-Aus.

Özil schießt gegen Medien und den DFB

Im zweiten Teil seines Statements richtete sich der gebürtige Gelsenkirchener explizit gegen seine Kritiker.

"Viele Leute sprechen über meine Leistungen – es gibt viel Applaus und viel Kritik. Wenn eine Zeitung oder ein Experte Fehler in meinem Spiel findet, dann kann ich das akzeptieren – ich bin kein perfekter Fußballer, und das motiviert mich oft, noch härter zu arbeiten und zu trainieren", so Özil. "Was ich aber nicht verstehen kann ist, dass deutsche Medien meine doppelte Herkunft und ein einfaches Foto für die schlechte Weltmeisterschaft einer ganzen Mannschaft verantwortlich machen."

Özil warf "einigen deutschen Zeitungen" vor, sie würden seinen Hintergrund und das Foto mit Erdogan als "rechts-populistische Propaganda" benutzen. 

Auch dem DFB machte Özil Vorwürfe. Der Verband habe nichts dagegen unternommen, dass einer seiner Sponsoren (vermutlich Mercedes-Benz) ihn im Zuge der Erdogan-Affäre aus seiner WM-Kampagne genommen habe.

Während DFB-Präsident Reinhard Grindel, den Özil namentlich nicht nannte, von ihm eine öffentliche Erklärung für das Foto gefordert habe, habe sich der Sponsor für Verfehlungen in der Abgas-Affäre nicht entschuldigen müssen. "Warum?", fragte Özil, "was hat der DFB zu all dem zu sagen?"

Außerdem kritisierte er den Verband dafür, auf öffentliche Kritik an Rekordnationalspieler Lothar Matthäus verzichtet zu haben, als dieser sich am Rande der WM mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hat fotografieren lassen.


Der erste Teil der Erklärung von Mesut Özil im Wortlaut:

"Die vergangenen Wochen haben mir die Zeit gegeben, zu reflektieren und über die letzten Monate nachzudenken. Daher möchte ich meine Gedanken und Gefühle darüber erklären, was passiert ist.

Wie bei vielen anderen Leuten geht meine Abstammung auf mehr als nur ein Land zurück. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, meine familiären Wurzeln liegen aber in der Türkei. Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches. Während meiner Kindheit hat mich meine Mutter gelehrt, immer respektvoll zu sein und nie zu vergessen, wo ich herkomme. Und über diese Werte denke ich bis heute nach.

Im Mai habe ich Präsident Erdogan während eines Charity-Events in London getroffen. Das erste Mal hatten wir uns 2010 getroffen, nachdem er sich zusammen mit Angela Merkel in Berlin das Spiel zwischen Deutschland und der Türkei angeschaut hatte. Seitdem haben sich unsere Wege mehrfach gekreuzt. Ich bin mir bewusst, dass unser Foto für eine große Resonanz in den deutschen Medien gesorgt hat. Einige haben mir vorgeworfen, ich würde lügen oder ich sei hinterlistig. Aber das Bild, das wir gemacht haben, hatte keinerlei politische Absichten. Wie ich bereits sagte, hat mich meine Mutter dazu gebracht, niemals meine Herkunft, mein Erbe und meine familiären Traditionen zu vergessen.

Für mich ging es bei einem Foto mit Präsident Erdogan nicht um Politik oder um Wahlen, sondern darum, das höchste Amt des Landes meiner Familie zu respektieren. Mein Beruf ist Fußballer, nicht Politiker und unser Treffen war keine Befürwortung irgendeiner Politik. Tatsächlich haben wir über dasselbe Thema gesprochen wie jedes Mal, wenn wir uns treffen, nämlich Fußball, denn er war selbst Spieler in seiner Jugend.

Auch wenn die deutschen Medien etwas anderes dargestellt haben, ist die Wahrheit, dass die Ablehnung eines Treffens mit dem Präsidenten respektlos gegenüber den Wurzeln meiner Vorfahren gewesen wäre, die mit Sicherheit stolz darüber gewesen wären, wo ich heute bin. Für mich hat es keine Rolle gespielt, wer der Präsident war, sondern dass es der Präsident war. Respekt vor einem politischen Amt zu haben, ist eine Auffassung, die sicher auch die Queen und Premierministerin Theresa May vertreten haben, als sie Erdogan in London ebenfalls getroffen haben. Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Handlungen wären nicht anders gewesen.

Ich verstehe, dass es vielleicht schwer nachzuvollziehen ist, da in einigen Kulturen ein politischer Führer nicht getrennt von der Person betrachtet werden kann. Aber in diesem Fall ist es anders. Was auch immer das Ergebnis der letzten Wahlen gewesen wäre, oder der Wahlen davor, ich hätte das Bild trotzdem gemacht."