11.10.2018 13:01 Uhr

Bondscoach Koeman: "Deutschland ist nicht mehr so stark"

Ronald Koeman soll die Elftal zurück zu alter Stärke führen
Ronald Koeman soll die Elftal zurück zu alter Stärke führen

Olaf Thon ist nicht mehr grantig, doch aus dem Gedächtnis streichen kann er diesen schäbigen Aussetzer von Ronald Koeman auch 30 Jahre später nicht.

"Das war ja damals der pure Hass", erinnerte sich der Weltmeister von 1990 in einem Gespräch mit der Münchener "Abendzeitung".

Damals, das war das EM-Halbfinale 1988 mit der unappetitlichen und obszönen Trikot-Geste des heutigen Bondscoaches, die nach dem niederländische Triumph gegen Deutschland sogar Tumulte unter den Zuschauern hervorrief.

"Ich habe immer gesagt: Besser, er wischt sich mit dem Trikot den Hintern ab, als dass er mir von hinten in die Achillessehne tritt", sagte Thon. Zu einem versöhnlichen Treffen sei es seither nicht gekommen, auch wenn dies mal beabsichtigt gewesen sei.

Koeman hat die Aktion später bereut, für Thon "ist es verständlich, dass ich noch heute mit dieser Geschichte konfrontiert werde. Vergessen wird man das wohl nie".

Generationenwechsel nach Frustjahren

Weil eben gerade Koeman den Neuaufbau der Elftal dirigiert und am Samstag in der Nations League die DFB-Elf empfängt, werden auch Erinnerungen an die negative Höhepunkte der früher so bitteren Rivalität wach.

"Das kann man nicht mehr miteinander vergleichen", sagte Thon jedoch mit Blick auf das bevorstehende Duell in Amsterdam. "Ich erwarte gegenseitigen Respekt im Spiel", merkte selbst der einstige Erzfeind Koeman an.

Der Libero des legendären Oranje-Ensembles um Marco van Basten, Ruud Gullit oder Frank Rijkaard wurde auserkoren, um nach den vielen Enttäuschungen der jüngeren Vergangenheit endlich wieder Glücksgefühle in den Niederlanden zu wecken.

Zu den vielversprechenden Anzeichen gehörte nicht zuletzt auch der Auftritt von Ajax Amsterdam in der Champions League bei Bayern München (1:1). "Wir haben wieder viele junge Spieler, die auf einem guten Weg sind", sagte Koeman.

Er ist dabei, aus den hochtalentierten Akteuren ein Team zu formen, das sich in der Fußball-Welt verlorene Anerkennung zurückholt. Abwehrspieler Matthijs de Ligt (19, Ajax) oder Mittelfeldlenker Frenkie de Jong (21, Ajax) sind nur zwei Beispiele, die Hoffnung machen.

"Deutschland ist nicht mehr so stark"

Das knappe 1:2 bei Weltmeister Frankreich im September ließ ebenfalls positive Rückschlüsse zu und Koeman wittert auch gegen den Nachbarn eine Chance. "Deutschland ist nicht so stark wie vor einigen Jahren", sagte er.

Koeman setzt auf eine eher konventionelle Spielstrategie, die auf einer stabilen Defensive basiert. Virgil van Dijk (FC Liverpool), Stefan de Vrij (Inter Mailand) und de Ligt sind auf Sicht deren Kernelemente, davor wird de Jong von Giorginio Wijnaldum (FC Liverpool) unterstützt. Der Offensive fehlt allerdings ein großer Name, die Erben eines Arjen Robben, Robin van Persie oder Wesley Sneijder müssen sich noch herausbilden.

Koeman ist überzeugt von der guten Perspektive, "sonst hätte ich den Job nicht angenommen", wie er sagte. Auch dass Koeman kein Verfechter des weltberühmten "Voetbal totaal" ist, brachte ihm bislang keinen Misskredit. Die Niederlande setzen derzeit auf Pragmatismus, und Koeman lebt diesen vor.

"Wir haben vielleicht nicht mehr die allerbesten Spieler, aber das heißt nicht, dass wir kein gutes Team aufstellen können", betonte er nach der Übernahme seines Traumjobs. Oranje ist zweifellos wieder ein gefährlicher Gegner.