Gegenwind und Hoffnungsschimmer: Tedesco muss liefern

Als Folge der anhaltenden Krise des FC Schalke 04 nahm Sportvorstand Christian Heidel am vergangenen Samstag seinen Hut. Die Entscheidung fiel, ließ Heidel klar durchblicken, bereits vor der Partie in Mainz und unabhängig von ihrem Ausgang. Dass aber ausgerechnet eine deftige 0:3-Klatsche in Heidels alter Heimat, der Wiege seines Erfolgs, den Rahmen der Entscheidung bot, passt nur zu gut ins Bild. Bleibt die Frage: Wie geht es mit Coach Domenico Tedesco weiter?
Tedesco, der den Offenbarungseid seines Teams scheinbar hilflos und sichtlich mitgenommen am Spielfeldrand verfolgte, verliert mit Heidel seinen wohl größten Fürsprecher auf Schalke. Dass Letzterer sich bei der Verkündung seines Rücktritts äußerst generös gab und die "Gesamtverantwortung" für die negative Entwicklung übernahm, könnte sich zudem als Bärendienst für den jungen Coach erweisen.
Wenn Heidel die Gesamtverantwortung übernehmen kann, welche Rolle nimmt Tedesco im traditionell brüchigen S04-Gefüge dann überhaupt ein? Der toughe Trainer, der Klublegende Benedikt Höwedes vom Hof jagte und Kapitän Ralf Fährmann rasierte, muss um den Erhalt seines Standings ringen.
Jede Menge Unruhe im Schalker Team
Aussagen wie "Mainz hat uns aufgefressen", "Wir waren in allen Belangen unterlegen", "Großartige Erklärungen fallen mir nach so einem Spiel schwer" nach der Demontage in Mainz oder "Das war sehr ängstlich, nicht so richtig couragiert" nach der in der Liga vorangegangenen Nullnummer gegen den SC Freiburg vermitteln zumindest nicht den Eindruck, Tedesco könne den königsblauen Karren aus dem Dreck ziehen.
Kein Wunder, dass dem medialen Äther längst Gerüchte entsprungen sind, die Tedescos Stellung weiter untergraben. Laut "Sport Bild" hat Grüppchenbildung das Schalker Teamgefüge zersetzt, die Mannschaft soll Tedesco nicht mehr bedingungslos folgen.
Ein Eindruck, den auch öffentliche Bekenntnisse der Schalker Profis nicht gänzlich vom Tisch fegen können. Bastian Oczipka betonte zwar unlängst, er "persönlich denke schon", dass Tedesco "der richtige Mann" sei, schob jedoch nach, der 33-Jährige sei "natürlich noch ein junger Trainer". "Persönlich" untermauert zudem, dass der Routinier nicht für die Mannschaft spricht.
Heidel-Nachfolge beim FC Schalke 04 ein Fingerzeig für Tedesco?
Gespalten reagiert derweil das Umfeld der Knappen: Während Ex-Schalker Hans Sarpei Tedescos Personal-Entscheidungen im "Focus" offen kritisiert und hervorhebt, dass die Vizemeisterschaft aus dem Vorjahr sehr glücklich zustande gekommen sei, wünscht sich Gerald Asamoah einen Verbleib Tedescos. Auch Klub-Ikone Klaus Fischer erklärte gegenüber "Sport Bild": "In den vergangenen Jahren war Schalke schnell dabei, im Trainer den Schuldigen zu finden. Ich hoffe, dass das dieses Mal nicht der Fall ist. Man sollte vorsichtig sein, alles zu verdammen."
Dass Tedesco von sich aus hinwirft, scheint derweil ausgeschlossen: "Ich habe an einen Rücktritt keine Sekunde gedacht", erklärte er unlängst auf Nachfrage. Die letzten Handlungen des Vereins dürfen als Fingerzeig gesehen werden, dass auch Schalke weiter auf Tedesco baut. Mit Jochen Schneider verpflichteten die Knappen unlängst einen Heidel-Nachfolger, für den Tedesco kein Unbekannter ist.
Beide kennen sich aus gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart: Schneider war 1999 bis 2015 Sportdirektor der Schwaben, Tedesco begann seine Trainer-Karriere im Ländle 2008 als Coach verschiedener Jugendauswahlen. Während Schneiders Amtszeit wurde Tedesco zum Chef der U17 befördert, 2015 verließen beide Stuttgart.
Klar ist allerdings, dass nur Siege Tedescos Situation verbessern werden. Sollte am kommenden Samstag vor heimischer Kulisse kein Dreier gegen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf eingefahren werden, dürften die Rufe nach einer Wachablösung von den Rängen auf die Führungsriege überschwappen.
Marc Affeldt