29.10.2019 11:33 Uhr

Auf den Spuren von Kahn: Neuer schärft sein Profil

Manuel Neuer übernimmt beim FC Bayern eine Führungsrolle
Manuel Neuer übernimmt beim FC Bayern eine Führungsrolle

Manuel Neuer ist in den vergangenen Wochen beim FC Bayern München immer mehr zum Lautsprecher geworden. Der Kapitän ruft sogar Erinnerungen an Oliver Kahn wach.

Oliver Kahn dürfte seine helle Freude gehabt haben. Manuel Neuers Tobsuchtsanfall in bester Titan-Manier quittierten die Fans beim zähen 2:1 von Bayern München gegen Aufsteiger Union Berlin in der 51. Minute sogar mit Szenenapplaus. Neuer brüllte seine Mitspieler wütend an, der Kapitän war kaum zu bremsen. Bei Kahn waren solche Szenen nichts Ungewöhnliches, von Neuer hatte man das bislang eher nicht erlebt.

Dass Neuer seit Jahren der wohl beste Torhüter der Welt ist, ist hinlänglich bekannt. In seiner Rolle als Kapitän des deutschen Fußball-Rekordmeisters und der deutschen Nationalmannschaft glänzte der 33-Jährige aber bislang öffentlich eher als Chef-Diplomat. Doch seit einigen Wochen tritt Neuer auch nach außen deutlich offensiver auf. Neben Joshua Kimmich und Thomas Müller ist der Keeper inzwischen zum Lautsprecher und zum Chef-Kritiker der Mannschaft geworden.

Nach dem enttäuschenden Augsburg-Spiel (2:2) hatte Neuer die Einstellung seiner Kollegen als nicht "Bayern-like" bemängelt, nach Piräus (3:2) forderte er mehr Willen und Konzentration, um die großen Ziele nicht zu gefährden. Und gegen Berlin rüttelte der Keeper seine trägen Mitspieler eben auf dem Platz wach. Kurz nach Neuers Tirade fiel übrigens das 2:0. "Es ging um eine Situation, in der wir uns taktisch nicht clever verhalten haben", sagte Neuer danach souverän, "das musste ich ansprechen."

Neuer forsch beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft

Als Trainer habe man auf dem Spielfeld nicht so viele Einflussmöglichkeiten. Da sei es "gut, dass Manu das als Kapitän übernimmt - auch in der Form. Das ist das, was ein Trainer möchte", betonte Niko Kovac vor dem DFB-Pokalspiel der Bayern am Dienstagabend beim VfL Bochum. Neuer sei eben "eine starke Persönlichkeit". Aber er sei auch keiner, "der jeden Tag einen raushauen muss, um seine Positionen zu vertreten".

Müller gefiel Neuers Attacke ebenso: "Das sind solche Momente, die an frühere, glorreiche Zeiten erinnern. Das gehört dazu, man versucht sich zu pushen." Es sei wichtig, "dass alle scharf sind", sagte Müller und dachte dabei wahrscheinlich an Persönlichkeiten wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Arjen Robben, aber wohl vor allem an Oliver Kahn. Der frühere Torwart, der ab kommendem Jahr im Bayern-Vorstand vertreten sein wird, schüttelte einst sogar die Kollegen und stachelte die Mannschaft mit seinen Sprüchen ("Weiter, immer weiter" oder "Eier, wir brauchen Eier") an.

Neuer ist noch längst nicht Kahn, aber er schärft momentan sein Profil. Auch im DFB-Team hatte er sich zuletzt überraschend deutlich im Duell mit seinem Rivalen Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona positioniert und dessen öffentlich geäußerten Frust gekontert. Er wisse nicht, sagte Neuer, "ob uns das hilft".

Neuer, der in München noch bis 2021 unter Vertrag steht, ist sowohl bei den Bayern als auch bei der Nationalmannschaft um Zusammenhalt bemüht. Intern hatte der Keeper schon immer Missstände deutlich aufgezeigt, jetzt vertritt der 33-Jährige immer öfter auch nach außen eine klare Meinung - ein neuer Neuer.