20.06.2021 11:48 Uhr

Ungarn feiert Gulácsi und Co.: "Gott hat auf uns geschaut"

Péter Gulácsi bot eine starke Partie
Péter Gulácsi bot eine starke Partie

Fast hätten die Ungarn um den überragenden Torwart Péter Gulácsi Weltmeister Frankreich bezwungen. Daher ist das Selbstvertrauen groß, gegen Deutschland das scheinbar Unmögliche zu schaffen.

Péter Gulácsi legte nach seiner nächsten EM-Heldentat die Hand auf sein Herz und schmetterte gemeinsam mit Ungarns übrigen Fußball-Helden sowie 50.000 ekstatischen Fans die Nationalhymne.

Wieder einmal war der überragende Torwart von RB Leipzig zur kaum überwindbaren Ein-Mann-Mauer mutiert, an der im Hexenkessel von Budapest selbst Kylian Mbappé und Weltmeister Frankreich verzweifelten. Und Gulácsis Paraden erhielten beim 1:1 (1:0) den Traum aller Ungarn am Leben: Die Rache für das Wunder von Bern 1954.

"Ich bin unglaublich stolz, dass wir gegen das beste Team der Welt unentschieden gespielt haben", sagte Gulácsi nach dem Achtungserfolg gegen die Franzosen: "Wir haben unsere Chancen auf das Achtelfinale mit großem Kampfgeist und etwas Glück am Leben erhalten."

Völlig entfesselt jubelte der 31 Jahre alte Schlussmann nach Abpfiff, sank auf die Knie und ballte die Hände zu Fäusten, während aus dem französischen Block Getränkebecher auf ihn flogen. Das war aber egal, denn der Punkt fühlte sich an wie ein Sieg.

"Es ist gut, Ungar zu sein - wir haben den Weltmeister bekämpft", schrieb die Sportzeitung "Nemzeti Sport", auch Ministerpräsident Viktor Orban jubelte im Stadion mit den übrigen 55.998 Zuschauern.

Am Mittwoch (21:00 Uhr/ZDF und MagentaTV) hat der klare Underdog in der Todesgruppe F tatsächlich sein Finale um das Achtelfinal-Ticket in München gegen Deutschland. Dass auch nur die Möglichkeit auf das Weiterkommen besteht, auf den zweiten Einzug in die K.o.-Runde nacheinander, hätte kaum ein Experte vor dem Turnier gedacht.

Bis zum Deutschland-Spiel werden in Ungarn nun sicher die Erinnerungen an das schmerzvolle 2:3 gegen die Deutschen im WM-Finale vor 67 Jahren aufblühen, aber Nationaltrainer Marco Rossi setzte lieber auf eine gesunde Mischung aus Euphorie und Bescheidenheit.

"Ich habe die EM immer im Fernsehen gesehen, jetzt bin ich 56, und ich fühle mich wie ein Kind im Freizeitpark", sagte der Italiener, der von 1996 bis 1997 kurz für Eintracht Frankfurt gespielt hatte: "Ich sage jetzt aber nicht, wir fahren nach München und gewinnen dort. Wir werden nach München fahren und unser Bestes versuchen, um dort zu gewinnen."

Gulácsi klärt in größter Not

Ungarn vorschnell abzuschreiben, wäre jedenfalls ein Fehler. Das musste auch Rossi einsehen. Nach der 0:3-Auftaktniederlage gegen Europameister Portugal, wo Gulécsi bereits glänzend gehalten hatte, sei der Coach "besorgt" gewesen, dass sein Team gegen Frankreich eventuell verlieren würde. Es sollte ganz anders geschehen, Ungarn bot ein Schauspiel an Kampfeswillen. Mitten in der Drangphase der Équipe Tricolore brachte Linksverteidiger Attila Fiola (45.+2) die Puskas-Arena mit seinem Führungstor zum Kochen.

Vorher hatte Gulácsi gleich mehrfach in höchster Not geklärt - und sich ein Sonderlob von seinem Trainer verdient. "Er ist einer der besten Torwarte in Europa", sagte Rossi. Dass er den Schuss von Antoine Griezmann (66.) später nicht halten konnte, war dann sogar zu verschmerzen. "Frankreich könnte sehr wohl das gesamte Turnier gewinnen, aber heute war der Tag, an dem Gott auf uns herabgeschaut hat", sagte Rossi. Der wichtigste Kampf steht jedoch erst noch bevor: Am Mittwoch gegen Deutschland.