13.05.2022 06:44 Uhr

Tschüss, Trauma: Warum beim HSV diesmal alles anders ist

Tim Walter (M.) und der HSV träumen weiter vom Aufstieg
Tim Walter (M.) und der HSV träumen weiter vom Aufstieg

Totgesagte leben länger: Vier Siege in Folge haben den HSV im Endspurt der 2. Bundesliga auf den Relegationsrang befördert. Sogar der direkte Aufstieg ist noch drin, sollte Erzrivale Werder Bremen patzen. Endet das Trauma der Rothosen in diesem Jahr?

So sehr sich Uwe Seeler über eine von Erfolg gekrönte Aufholjagd seines Hamburger SV im Aufstiegsrennen freuen würde: Nach drei gescheiterten Versuchen ist die lebende Vereins-Legende skeptisch.

"Hamburg muss in die erste Liga. Aber sie sind ein bisschen zu spät aufgewacht", urteilte der 85-Jährige vor zwei Wochen im "NDR": "Ich glaube nicht, dass sie es noch schaffen."

Mittlerweile dürfte allerdings auch beim früheren Nationalstürmer der Glaube an ein Happy End zurückgekehrt sein. Durch Siege gegen Karlsruhe, Regensburg, Ingolstadt und Hannover hat der HSV das Feld von hinten aufgerollt, Patzer der Konkurrenz spielten dem Team von Trainer Tim Walter dabei in die Karten.

Sollte auch das letzte reguläre Saisonspiel bei Hansa Rostock (Sonntag ab 15:30 Uhr im LIVE-Ticker) gewonnen werden, wäre den Rothosen Rang drei und die damit verbundene Relegation gegen den Drittletzten der Bundesliga nicht mehr zu nehmen.

Und wer weiß? Vielleicht strauchelt ja auch der Nordrivale Werder Bremen daheim gegen Jahn Regensburg und eröffnet dem HSV so die Möglichkeit, aufgrund der klar besseren Tordifferenz direkt ins Oberhaus zu klettern.

Pleite in Kiel wird für den HSV zum Wendepunkt

Derlei Rechenspiele versuchen die Hanseaten derzeit auszublenden. In ihrer neuen Rolle als Jäger fühlen sich die Walter-Schützlinge pudelwohl. Vergessen sind die frustrierenden Vorjahre, als der Klub als Gejagter seinen Vorsprung auf der Saison-Zielgeraden stets verspielte. Diesmal zeigt die Formkurve zur rechten Zeit steil nach oben.

"Wir spüren die Sehnsüchte der Leute in Hamburg. Wir wissen, dass wir mit einem Sieg bei Hansa sicher in der Relegation sind. Und dann wollen wir die natürlich auch gewinnen", verriet Stürmer Robert Glatzel nach dem jüngsten 2:1-Sieg gegen Hannover 96, den der Torjäger quasi im Alleingang herausgeschossen hatte.

Als entscheidenden Wendepunkt bezeichnete der 28-Jährige die 0:1-Niederlage bei Holstein Kiel vor einem Monat, nach der nicht nur Glatzel den Aufstieg bereits abgehakt hatte.

"Wir haben uns darauf eingeschworen, dass es so nicht weitergehen kann, dass einfach immer ein Tick fehlt. Wir haben die entscheidenden Szenen vor dem eigenen und dem gegnerischen Tor nicht auf unsere Seite gezogen. Wir haben nicht gespielt wie ein Aufsteiger", erinnerte sich der gebürtige Münchner. Man habe intern Besserung gelobt - und Wort gehalten.

Hamburgs Erfolgsfaktoren: Der Stil, die Abwehr, ein Top-Stürmer und die Fans

Coach Walter dürfte sich in seinem Ansatz, stets auf die Gesamtentwicklung verwiesen zu haben, bestätigt fühlen. Auch nach dem scheinbaren K.o. in Kiel bewahrten er und seine Vorgesetzten die Ruhe. Die Mannschaft blieb ihrem ligaweit einzigartigen Spielstil treu und fand wieder in die Spur.

Und während die Konkurrenz aus Bremen, Darmstadt und St. Pauli immer wieder patzte, hamsterte der HSV fleißig Punkte.

Ein Garant dafür war die bombensichere Abwehr um Kapitän Sebastian Schonlau, die mit lediglich 33 Gegentreffern ligaweit Spitze ist. Auch Goalgetter Robert Glatzel leistete mit zuletzt vier Toren in vier Spielen (insgesamt 21 Treffer) einen erheblichen Beitrag zur Aufholjagd.

Robert Glatzel ist Hamburgs Tormaschine
Robert Glatzel ist Hamburgs Tormaschine


Nicht zu unterschätzen ist zudem die diesmal uneingeschränkte Unterstützung der Fans, die die Fortschritte der vergangenen Monate honorieren und bei jedem Spiel die Stimmung anheizen.

"Wie die Leute uns hier pushen, das ist ein Spiegelbild. Wir sind überzeugt von uns, mutig und leidenschaftlich und genau das wollen die Fans sehen", beschrieb Walter die Symbiose kürzlich.

Pleiten-, Pech- und Pannen-Image beim HSV bald Geschichte?

Fraglos geht der HSV nun mit mächtig Rückenwind ins letzte Saisonspiel. "Wir haben ganz viel positive Energie und die nehmen wir jetzt mit nach Rostock", kündigte Hoffnungsträger Glatzel an.

Zusammen mit seinem Teamkollegen ist er auf dem besten Wege, das Pleiten-, Pech- und Pannen-Image, das den Verein viele Jahren gelähmt hat, abzustreifen.

So können selbst leidgeprüfte Edelfans wie Klub-Ikone Uwe Seeler wieder optimistischer in die Zukunft blicken.

Heiko Lütkehus