Kingsley Coman: Der Leidtragende des Bayern-Aufschwungs

Nachdem die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga zurückerobert wurde, herrscht beim FC Bayern derzeit beste Stimmung. Doch nicht bei allen Spielern. Beim Aufschwung der Münchner in den vergangenen Wochen gibt es einen Leidtragenden: Kingsley Coman.
Es ist gar nicht lange her, da war das anhaltende Sturmproblem des FC Bayern Thema Nummer eins an der Säbener Straße. Doch das ist längst vergessen.
Seit einigen Wochen brennt der Angriff um Eric Maxim Choupo-Moting, Sadio Mané, Serge Gnabry, Jamal Musiala und Co. ein regelrechtes Offensivfeuerwerk ab.
Einen Namen, den man zumeist vergeblich auf der Scorerliste sucht, ist der von Kingsley Coman. Der Franzose steckt im Formtief.
Der 26-Jährige stand in dieser Saison wettbewerbsübergreifend erst zwölf Mal auf dem Platz. Zuletzt kam er meist nur als Joker zum Einsatz.
Oft erhielten zuletzt die beiden formstarken Gnabry und Sané den Vorzug. Durch die Verpflichtung von Mané gibt es auf den Flügeln zudem weitere Konkurrenz.
Von Comans berüchtigtem und pfeilschnellem Zug zum Tor ist aktuell nur wenig zu sehen. Erst ein Tor und fünf Vorlagen stehen zu Buche. Den Treffer und drei der Assists erzielte der Flügelstürmer beim 7:0-Sieg gegen den VfL Bochum. Abgesehen davon kommt er also nur auf zwei Torvorbereitungen.
Comans Start in die neue Bundesliga-Saison verlief bereits alles andere als verheißungsvoll. Die ersten beiden Ligaspiele verpasste er wegen einer Rotsperre aus der vergangenen Spielzeit.
Nach drei Partien setzte ihn einmal mehr ein Muskelfaserriss außer Gefecht. Bei seinem Comeback gegen den BVB (2:2) erwies der Nationalspieler dem FC Bayern mit seiner Gelb-Roten Karte zudem einen Bärendienst und musste erneut ein Spiel aussetzen. Rhythmus sieht anders aus.
Dabei hatte er im September im "kicker" noch angekündigt: "Ich bin auf einem guten Weg, der Spieler zu werden, der ich sein will. Dieses Jahr wäre ein gutes Jahr, das zu zeigen."
"Ein paar Prozentpunkte" fehlen
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann nahm Coman trotz seiner Leistungsdelle zuletzt in Schutz. "Er hatte in den letzten Wochen immer wieder muskuläre Probleme - Muskelverhärtungen und -krämpfe. Wahrscheinlich war er deshalb nicht in Bestform", sagte der 35-Jährige auf einer Pressekonferenz vor dem Duell gegen Hertha BSC (3:2).
Coman wisse zudem selbst, "dass er besser spielen kann als jetzt". Außerdem würden dem siebenfachen Deutschen Meister "ein paar Prozentpunkte in gewissen Situationen" fehlen.
Steht Coman auf dem Platz, erweckt es tatsächlich den Eindruck, der Angreifer gehe nicht mit 100 Prozent Selbstvertrauen in seine so gefürchteten Zweikämpfe. Hinzu kommt, dass er seine Spritzigkeit vermissen lässt.
Durch seine Beschwerden sei Coman in gewissen Situationen immer ein wenig vorsichtiger gewesen, betonte auch Nagelsmann und erklärte: "Er konnte dann auch längere Zeit nicht so viel sprinten, wie es vonnöten ist."
Macht der Kopf Coman einen Strich durch die Rechnung?
Nagelsmann ließ außerdem durchblicken, dass sich bei Coman mentale Probleme entwickelt haben. Der gebürtige Pariser sei "nicht ganz frei im Kopf. King hat einfach eine große Historie, was Verletzungen muskulärer Natur angeht", so der Coach.
In den vergangenen Jahren hatte Coman immer wieder mit muskulären Verletzungen zu kämpfen, fiel immer wieder aus. Da ist es kein Wunder, dass sich seine Verletzungsanfälligkeit in seinem Bewusstsein verankert hat.
"Wenn du ständig solche Verletzungen hast, geht dir das irgendwann gegen den Strich", zeigte Nagelsmann Verständnis für die Blockade seines Schützlings: "Er muss eine maximale Frische in der Muskulatur spüren, um an sein Leistungsoptimum zu kommen."
Nagelsmann: "Dann ist er unersetzlich für uns!"
Zur Höchstform will Coman auch bei der anstehenden WM auflaufen. Das Turnier in Russland, wo Frankreich Weltmeister wurde, verpasste er wegen eines Syndesmosebandrisses.
"Ich gebe alles, um dabei zu sein, um im richtigen Moment fit zu sein", sagte er kürzlich und ergänzte selbstbewusst: "Ich vertraue meinem Körper."
Sollten Coman dieses Selbstbewusstsein auch wieder auf dem Platz an den Tag legen, dürfte der Konkurrenzkampf für Gnabry, Sané, Mané und Co. wieder frischen Wind bekommen und Coman die Rolle des Nebendarstellers früher oder später ablegen.
Das hob auch Nagelsmann hervor: "Dann ist er unersetzlich für uns!"
Lissy Beckonert