DFB-Frauen starten "zutiefst überzeugt"

Die DFB-Frauen brennen auf den Start der EM-Titelmission. Trotz ihrer Favoritenrolle gegen Polen sind sie gewarnt.
St. Gallen (SID) Giulia Gwinn und ihre Kolleginnen lehnten sich in den gemütlichen Liegestühlen noch entspannt zurück. Beim Rudelgucken des EM-Auftakts im Teamquartier erhielten die deutschen Fußballerinnen zwar bereits einen kleinen Vorgeschmack auf die elektrisierende Atmosphäre am Traumziel Basel, der Weg zum Finalort ist jedoch steil. Zunächst einmal muss der Rekordeuropameister die erste Etappe des Gipfelsturms meistern - die Überzeugung scheint aber nahezu grenzenlos.
Ein "guter Start" in die Titelmission am Freitag (21:00 Uhr/ARD und DAZN) in St. Gallen gegen den Debütanten Polen, betonte Bundestrainer Christian Wück, sei "unheimlich wichtig - und das funktioniert am besten mit einem Sieg." Danach soll "ein Flow" die Vize-Europameisterinnen im Idealfall wie bei der mitreißenden EM vor drei Jahren in England bis ins Endspiel tragen.
2022 habe die DFB-Auswahl "die Luft schnuppern dürfen, wie es ist, im Finale zu stehen und haarscharf leider zu scheitern", sagte Kapitänin Gwinn: "Da haben wir schon Blut geleckt." Es sind solch angriffslustige Töne, die dieser Tage immer wieder aus dem DFB-Lager zu vernehmen sind. Der Glaube an den neunten EM-Titel scheint gewaltig.
Sie könne sich "nicht erinnern, wann ich mal so zutiefst überzeugt war, dass wir was ganz Großes erreichen können", betonte etwa Gwinn. Und auch Linda Dallmann hatte bereits bei der Ankunft im Teamhotel in Zürich unverblümt die Marschroute ausgegeben. Sie sei natürlich "hier, um Europameister zu werden", sagte die Spielmacherin, "die anderen Mädels auch. Alles andere wäre der falsche Weg."
Die Überzeugung kommt aber nicht von ungefähr. Durch ein schwieriges erstes Jahr unter Wück, durch einige Höhen, aber auch viele Tiefen infolge des Umbruchs nach Olympia-Bronze hat sich offenbar ein "eingeschworener Haufen" gebildet. So bezeichnet es jedenfalls Gwinn, die als Anführerin in die großen Fußstapfen von Alexandra Popp getreten ist. Sie ist das Gesicht einer neuen Generation, die den ersten Titel seit 2013 holen will.
Auch Wück dürfte der Zusammenhalt freuen. Die Kritik an seiner angeblich mangelnden Kommunikation ist verstummt, der Fokus liegt längst auf dem großen Ziel. Man dürfe aber "nicht nur davon reden, zur EM zu fahren und erfolgreich zu sein", mahnte er im SID-Interview, man müsse es "wirklich in uns spüren. Das Ziel ist, dass wir davon träumen, diesen Titel zu holen, wie es ist, wenn wir durch das Spalier gehen und die Medaillen bekommen."
Euphorie entfachen, die Nation hinter sich bringen, das ist Wücks Ziel. Dies soll möglichst schon im ersten Spiel gelingen, bevor die Duelle mit Dänemark (8. Juli) und Schweden (12. Juli) warten. Zwar gewann das deutsche Team bisher alle sechs Partien gegen die Polinnen, der Gegner besitzt aber eine Waffe, die in Deutschland bestens bekannt ist.
Auf die pfeilschnelle Topstürmerin Ewa Pajor, einst beim VfL Wolfsburg zweimal Torschützenkönigin, nun in Diensten des FC Barcelona, müsse sein Team gerade bei Kontern "höllisch aufpassen", mahnte Wück. Doch wie lässt sich die Angreiferin stoppen? Pajor möge es nicht, "wenn man ganz nah an ihr oder eklig ist", sagte ihre Ex-Kollegin Jule Brand.
Die nicht immer sattelfeste DFB-Defensive steht vor ihrer ersten Prüfung. Doch Vize-Kapitänin Janina Minge lässt keine Zweifel zu: "Jetzt geht es um was, aber uns ist bewusst, wie gut wir sind."