02.04.2018 13:36 Uhr

Hinkel warnt: Sevilla stärker als 17 Bundesligisten

Andreas Hinkel spielte von Mitte 2006 bis Ende 2007 für den FC Sevilla
Andreas Hinkel spielte von Mitte 2006 bis Ende 2007 für den FC Sevilla

Der 21-malige Fußball-Nationalspieler Andreas Hinkel trug von 2006 bis 2007 das Trikot des FC Sevilla. Im Interview spricht der Trainer von Regionalligist VfB Stuttgart II über Stärken und Schwächen des Viertelfinal-Gegners von Bayern München.

Andreas Hinkel, was erwartet den FC Bayern in Sevilla?

Andreas Hinkel: Das ist eine Mannschaft, die unangenehm sein kann - auch für Bayern. Sevilla gehört zu den Top-Teams Spaniens, obwohl sie in der Liga ein bisschen hinterherhinken im Vergleich zu den Jahren zuvor. Trotzdem spielen sie so stark, wie es in Deutschland keine Mannschaft neben den Bayern tut.

Woran liegt das?

Mit dem ersten UEFA-Cup-Sieg 2006 ist dort etwas entstanden, was man eine Klub-DNA nennen kann. Sevilla ist eine Pokal-Mannschaft, die weiß, wie man in K.o.-Duellen auftritt. Der Klub steht ja auch wieder im spanischen Pokalfinale. Obwohl sie Jahr für Jahr Leistungsträger verlieren, wird diese DNA von denen, die bleiben, vorgelebt und weitergegeben. Es ist ja nie ein krasser Schnitt, es sind immer nur zwei, drei Spieler, die gehen. Sie scouten gut, führen immer wieder Qualität zu. Und sie verkaufen Spieler oft um ein Vielfaches. Das ist ihre Nische."

Und fußballerisch?

Das sind alles technisch gute Fußballer, die knifflige Situationen auflösen können und unter Druck cool bleiben. Taktisch ist Sevilla sehr flexibel. Sie können defensiv gut stehen und über Konter kommen. Aber gegen schwächere Mannschaften zum Beispiel in der Liga können sie auch mit viel Ballbesitz dominant sein. Sie können über die Flügel spielen, aber auch mit einem starken Zentrum.

Wo sehen Sie Schwächen?

Unter den spanischen Topteams haben sie mit Abstand die wenigsten Tore geschossen, da fehlt ein bisschen die Durchschlagskraft. Wissam Ben Yedder und Luis Muriel sind kleine Stürmertypen, das ist für Sevilla untypisch. Seit meiner Zeit hatten sie immer einen Stoßstürmer und einen kleinen drumherum. Da waren sie flexibler.

Ben Yedder hat Manchester United im Achtelfinale abgeschossen.

Er ist der gefährlichste Mann. Wenn einer in der Champions League hinter Cristiano Ronaldo die meisten Tore geschossen hat, ist das sehr gut. Aber drei seiner acht Tore hat er gegen Maribor erzielt, das relativiert es etwas. Auch mit Ben Yedder fehlt Sevilla vorne die letzte Wucht.

Liegt die größte Stärke im Mittelfeld?

Steven N'Zonzi, der im Hinspiel gesperrte Éver Banega, Franco Vázquez - das ist eine gute Mischung und sehr wichtig für Sevillas Spiel. Sie brauchen so ein Herzstück, das ist super für die Balance. Banega hat einen super Fuß, gute Standards. Aber ich würde das nicht aufs Zentrum reduzieren: Joaquín Correa (Flügelstürmer) hat gutes Potenzial, eine tolle Technik, ist ein Krieger, der dem Gegner weh tun kann.

Was halten Sie vom Ex-Schalker Sergio Escudero?

Er hat seine Mannschaft im Old Trafford als Kapitän auf den Platz geführt, das sagt alles. In Deutschland heißt es, er habe sich hier nicht durchgesetzt, das kann kein Guter sein. Aber er hat sich entwickelt. Auch ein Ivan Rakitic hatte es auf Schalke schwer. In Sevilla ist er gereift - jetzt spielt er in Barcelona.

Und Johannes Geis?

Er hat es aufgrund der starken Konkurrenz nicht leicht. Ballbesitzfußball wird zwar heutzutage überall trainiert, aber das in Spanien am eigenen Leib zu erfahren, ist noch einmal etwas ganz anderes. Da spürst du, was das wirklich heißt. Er muss sich anpassen, akklimatisieren, der Alltag in Spanien ist ganz anders, der Lebensrhythmus, dazu die Sprache."

Wie wichtig ist das Estadio Ramon Sanchez Pizjuan?

Das Stadion ist ein Trumpf, es ist immer schwierig, da zu spielen. Ich bin befangen, aber Sevilla hat mit die besten Fans in Spanien, auch Betis. Das ist kein verwöhntes Opernpublikum wie in Madrid oder Barcelona. Da herrscht eine hitzige Atmosphäre, die Fans stehen wie eine Wand hinter der Mannschaft und treiben sie nach vorne. Auch die spanische Nationalmannschaft spielt immer gerne dort. Aber da ist noch etwas...

Ja, bitte.

Man darf das Wetter nicht unterschätzen. Wenn der Frühling kommt und die Temperaturen hoch gehen, fällt es den Spielern in der Bundesliga schon oft schwer, sich anzupassen. Zwischen München und Sevilla kann der Unterschied bei 15 Grad liegen. Das merkst du sofort, wenn du da hinkommst. Fast wie die Höhenlage in Bolivien. Das hat Einfluss. Ich kann mich an viele Spiele erinnern, wo das ein Vorteil für uns war.