12.05.2021 13:32 Uhr

Der DFB hat schon wieder eine "Leiche im Keller"

Beim DFB lief zuletzt nicht alles nach Plan
Beim DFB lief zuletzt nicht alles nach Plan

Nach dem Aus für die Führung steht der DFB wieder einmal vor einer ungewissen Zukunft. Personal- und Strukturfragen müssen erneut geklärt werden.

Die dramatischen Umwälzungen des Vorabends hatten zumindest äußerlich keinerlei Spuren hinterlassen. Rund um die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Frankfurter Stadtwald herrschte am Mittwoch fast schon gespenstische Ruhe. Und da von den Noch-Bossen nichts zu sehen war, konnten die wenigen Kamerateams nur die "normalen" Verbands-Angestellten filmen, die wie gewohnt von der nahen S-Bahn-Station in den Verbandssitz strömten.

Erleichterung war in den Gesichtern allerdings kaum zu erkennen. Schließlich ist nach der gescheiterten Kurzzeit-Präsidentschaft von Fritz Keller und dem Ende des Machtkampfs an der bald komplett ausgewechselten Spitze noch nichts gewonnen. Die Krise ist längst nicht ausgestanden, die Suche nach einem neuen Boss wird alles andere leicht. Als "Harakiri-Aktion" bezeichnete Karl-Heinz Rummenigge, der sich selbst trotz klarer Dementis in der Verlosung befindet, zuletzt das Platznehmen auf dem Schleudersitz. Doch eine oder einer muss es tun - schon wieder.

Zum dritten Mal in Folge braucht der DFB einen Nachfolger für einen zurückgetretenen Präsidenten. Immerhin bietet sich dem Verband durch den Rückzug der nahezu kompletten Führung diesmal die Chance für einen echten Neuanfang. Schließlich nimmt Keller, der mit seiner angekündigten Demission nach dem von ihm ausgelösten Nazi-Eklat die überfällige Konsequenz gezogen hat, auch seine Widersacher mit.

Generalsekretär Friedrich Curtius, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Amateur-Vizepräsident Rainer Koch, der von Keller mit dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler verglichen worden war, werden ihre Spitzenämter abgeben. Aus dem Präsidialausschuss bleibt lediglich Profi-Vize Peter Peters übrig. Der nach seinem Scheitern bei Schalke 04 viel kritisierte und in der Öffentlichkeit nicht sonderlich bekannte Peters ist somit über Nacht zum nominell mächtigsten Funktionär im deutschen Fußball aufgestiegen.

Der 58-Jährige wird gemeinsam mit Koch den DFB bis zum vorverlegten Bundestag zu Beginn des kommenden Jahres interimsmäßig leiten. Zudem ist er Aufsichtsratsboss der Deutschen Fußball Liga (DFL) und stellvertretender Sprecher des DFL-Präsidiums. Peters sucht also nicht nur den neuen DFB-Boss, er ist auch zuständig für den Erben des scheidenden DFL-Chefs Christian Seifert, der im kommenden Jahr die Segel streicht. Doch damit nicht genug der Machtfülle. Schließlich wurde Peters zuletzt auch noch ins Council des Weltverbands FIFA berufen.

Ins zweite Glied wird Peters erst wieder rücken, wenn die Personalfragen an den Spitzen der beiden großen Verbände geklärt sind. Mit Blick auf den DFB sind einige Namen im Gespräch. Neben dem scheidenden Bayern-Boss Rummenigge auch Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm oder Ex-Nationalspielerin Nadine Keßler. Auch Marco Bode und Matthias Sammer werden gehandelt - genau wie eine mögliche Doppelspitze.

Auch Koch wird weiter eine Rolle spielen. Denn obwohl der Präsident des Bayrischen Fußball-Verbandes (BFV) seinen Posten als 1. Vize aufgibt, will und wird er wahrscheinlich als "normaler" Vizepräsident weiter der erweiterten Spitze angehören. Nur so entstehen auch keine Fragezeichen hinter seiner Mitgliedschaft im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA), in dem nur nationale Spitzenfunktionäre sitzen dürfen.

Der Deal des Präsidiums rund um Kochs Zukunft hinterlässt allerdings schon wieder einen faden Beigeschmack, den der DFB bei seinem Neuanfang eigentlich nicht brauchen kann. Schließlich sollte es unvoreingenommen darum gehen, wie der Verband personell aber auch strukturell besser aufgestellt werden kann. Dass allein der Austausch der Führung zu nichts führt, haben die vergangenen Jahre schließlich bewiesen.

Immerhin soll die Ausgliederung der GmbH mit den finanziellen Kronjuwelen wie der Nationalmannschaft zu Beginn des kommenden Jahres über die Bühne gehen. Deshalb bleibt auch Osnabrügge bis zum Bundestag im Amt - obwohl er in Verbindung mit Koch und Curtius für den eskalierten Streit um einen undurchsichtigen Vertrag mit einem Kommunikationsberater verantwortlich gemacht wird. Osnabrügge hat die Ausgliederung an entscheidender Stelle begleitet. Ein Austausch vor der Umsetzung würde wenig Sinn ergeben.

Wie viel Sinn die Sportgerichts-Verhandlung am Freitag im Fall Keller ergibt, erscheint dagegen fraglich. "Wir haben mit einer gewissen Überraschung die gestrige Erklärung zur Kenntnis genommen, aber das ändert an unserem Auftrag zunächst einmal gar nichts", sagte der Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz dem "SID": "Wer mit welcher Motivation dorthin kommt, entzieht sich unserer Kenntnis."

Aus Verbandskreisen ist zu hören, dass Keller mit einem milden Urteil ein Abgang ermöglicht werden sollte, der sein Gesicht wahren würde - obwohl dieser Zug längst abgefahren erscheint.