24.09.2021 16:13 Uhr

Thomas Meunier beim BVB: Wären da nicht diese Aussetzer

Thomas Meunier will in seinem zweiten Jahr beim BVB den Durchbruch schaffen
Thomas Meunier will in seinem zweiten Jahr beim BVB den Durchbruch schaffen

Nach einem insgesamt enttäuschenden Debütjahr wollte Thomas Meunier beim BVB in der neuen Saison endlich durchstarten. Und tatsächlich: In den ersten Partien präsentierte sich der viel gescholtene Belgier agil und offensivfreudig wie selten. Romantiker könnten glatt von (echter) Liebe auf den zweiten Blick sprechen, wären da nur nicht die immer wiederkehrenden Abwehr-Aussetzer des Routiniers.

Am vorigen Sonntag erlebten die Fans von Borussia Dortmund die sportliche Neuauflage des Kult-Dramas Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Beim 4:2-Heimerfolg gegen Union Berlin bewies Rechtsverteidiger Thomas Meunier aufs Neue, dass ihm in seiner Rolle in der Abwehrkette zwei Charaktere innewohnen: zum einen der (neuerdings) mutige Impulsgeber in der Offensive, der in drei seiner bisherigen vier Pflichtspiel-Einsätze mit direkten Torvorlagen glänzte, zum anderen ein bisweilen seltsam fahriger Durchschnittskicker mit Nachholbedarf im Einmaleins der Zweikampfführung.

Anders ausgedrückt: Meuniers Vorarbeit zu Erling Haalands Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0 war große Klasse. Seine Bemühungen, Gegenspieler Andreas Voglsammer vor dem Anschlusstor zum 2:3 am Kopfball zu hindern, dagegen mangelhaft.

Dennoch sind die Verantwortlichen beim BVB mit der Entwicklung des 30-Jährigen zufrieden. "Er hat sich deutlich verbessert", lobte Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl Meunier unlängst in der "WAZ". Doch ist der erfahrene Nationalspieler auch gut genug für die hochambitionierte Borussia?

Meuniers Blackouts beim BVB noch nicht ganz verschwunden

Kehl sieht bislang jedenfalls keinen Grund für Kritik. "Thomas hat unter die vergangene Saison einen Strich gemacht. Er ist ganz anders in diese Saison hereingegangen – und obwohl er durch die Corona-Erkrankung und eine Muskelverletzung zurückgeworfen wurde und er sich noch nicht auf seinem absoluten Fitnesslevel befindet, gefällt mir sein Spiel jetzt deutlich besser", betonte der ehemalige Kapitän des BVB.

Freilich wird auch Kehl nicht entgangen sein, dass Meuniers in der verkorksten letzten Spielzeit fast zur Gewohnheit gewordenen Blackouts in der Defensive noch immer nicht ganz verschwunden sind.

Meunier selbst wollte nach dem Union-Spiel gar nicht lange um den heißen Brei reden und gestand: "Das zweite Tor nach der Ecke geht auf mich."

Dass über seinen Fauxpas am Ende kaum gesprochen wurde, hatte der belgische Nationalspieler vor allem Teamkollege Erling Haaland zu verdanken, der quasi im direkten Gegenzug nach dem Berliner Treffer auf akrobatische Art und Weise den alten Zwei-Tore-Vorsprung wiederhergestellt hatte.

Neues BVB-System kommt Meunier zugute

Fakt ist: Am Limit ist Meunier noch lange nicht. Der Routinier war zwar auch bei seinen vorigen Stationen in Brügge und Paris nie ein Unterschiedsspieler, aber grundsolide und verlässlich. Beim BVB war davon in seinem Debütjahr wenig zu sehen.

"Diese Saison war keine gute von mir", bilanzierte der Abwehr-Hüne (1,91 Meter) im "Spox"-Interview selbstkritisch. Umso wichtiger, dass Meunier bei der paneuropäischen EM im Nationalteam Selbstvertrauen tanken konnte.

Dieser neue Mut ist nun immer häufiger zu sehen, wenn sich Dortmund im Vorwärtsgang befindet. Es scheint, als habe Trainer Marco Rose mit seinem Rauten-System einen Weg gefunden, den zuvor so unglücklichen Flügelspieler gewinnbringend(er) ins Team einzubauen.

Gelegentliche Patzer seines Schützlings nimmt der aus Gladbach gekommene Übungsleiter bislang in Kauf und verweist auf die Fortschritte: "Thomas macht im Moment richtig Spaß, weil er in Form kommt, ins Rollen."

Die nackten Zahlen bestätigen ihn: Mit durchschnittlich 77,67 Ballkontakten pro Partie rangiert Meunier im teaminternen Vergleich aktuell auf Platz drei. Neuerdings wird der 30-Jährige von seinen Mitspielern nicht mehr nur gesucht, sondern auch gefunden.

Meunier muss sich gegen Top-Gegner beweisen

Demnächst stehen für Meunier allerdings einige Nagelproben auf dem Programm. In der Liga warten bis zur Winterpause noch Duelle mit den übrigen Champions-League-Teilnehmern RB Leipzig (06.11.), VfL Wolfsburg (27.11.) und Bayern München (14. Spieltag, noch nicht final terminiert), hinzu kommen Begegnungen mit Sporting (28.09.) und Ajax Amsterdam (19.10.) in der Königsklasse.

Erst dann wird sich zeigen, ob die guten Ansätze der letzten Wochen bei Meunier halten oder doch nur ein fußballerisches Strohfeuer waren. Denn um dem BVB konstant helfen zu können, muss der Rechtsverteidiger seine defensiven Tiefschlafphasen weiter reduzieren.

Kurz gesagt: Mehr Dr. Jekyll, weniger Mr. Hyde.

Heiko Lütkehus