19.01.2022 15:15 Uhr

Endet Sabitzer beim FC Bayern als Missverständnis?

Marcel Sabitzer spielt seit dem letzten Sommer für den FC Bayern
Marcel Sabitzer spielt seit dem letzten Sommer für den FC Bayern

Nach schwachen Leistungen im defensiven Mittelfeld des FC Bayern durfte sich Marcel Sabitzer aufgrund der großen Corona-Not in den letzten Wochen als Linksverteidiger versuchen. Doch auch dort enttäuschte der ehemalige Kapitän von RB Leipzig. Ist die Ehe zwischen Sabitzer und dem Rekordmeister nur ein großes Missverständnis?

Nein, das war überhaupt nicht das, was ihm sein Cheftrainer Julian Nagelsmann mit auf den Weg gegeben hatte: "Ich bin jemand, der mutige Spieler mag. Er soll einfach frei von der Seele spielen", hatte der Bayern-Coach in Richtung Marcel Sabitzers am "Sky"-Mikrofon vor dem letzten Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Köln (4:0) gesagt. 

Befreites aufspielen, mutig drauflos kicken sind derzeit allerdings die letzten Eigenschaften, die in Zusammenhang mit Marcel Sabitzer stehen, der im vergangenen Sommer noch als 15 Millionen Euro teurer Wunschtransfer von Nagelsmann präsentiert wurde.

Der Österreicher wirkt im Bayern-Trikot auch nach seinem ersten Halbjahr im Klub immer noch total gehemmt, bisweilen wie ein Fremdkörper im Spiel des Tabellenführers. 

Katastrophen-Auftritt bei Pleite des FC Bayern gegen Gladbach

Beim kollektiven Versagen des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach zum Rückrunden-Auftakt (1:2) stach der 27-Jährige sogar noch negativ hervor, spielte katastrophale 20 Fehlpässe in seinem ersten Spiel als Linksverteidiger. 

"Marcel Sabitzer war auf der Linksverteidiger-Position eine absolute Fehlbesetzung" urteilte der einstige Bayern-Kapitän Stefan Effenberg gegenüber "Sport1" über den Sommer-Einkauf, der sich vertraglich bis Mitte 2025 an den deutschen Branchenprimus gebunden hat. 

Statt die Gelegenheit, für die Corona-erkrankten Alphonso Davies, Lucas Hernández und Omar Richards in die Viererkette der Bayern gespült worden zu sein, am Schopfe zu packen, deutete Sabitzer an, wie sehr er doch mit der Position hinten links fremdelt. 

FC Bayern: Erneut viele Fehlpässe von Marcel Sabitzer

Der negative Eindruck des Gladbach-Spiels (sport.de-Note 5,0) hinsichtlich der Einsatzbereitschaft wurde am letzten Wochenende beim 1. FC Köln nur unwesentlich verbessert. In seinem 75-Minuten-Auftritt beim Effzeh führte Sabitzer ganze sechs Zweikämpfe. Zum Vergleich: Joshua Kimmich stand nach 90 Minuten bei 23 Zweikämpfen. 

Wie gegen Gladbach spielte Sabitzer auch in Köln die meisten Fehlpässe für seine Farben und sammelte kaum Argumente dafür, am kommenden Wochenende bei Hertha BSC (ab 17:30 Uhr) erneut in der Startformation aufzulaufen.

Mittlerweile sind mit Lucas Hernández und Omar Richards ohnehin zwei Alternativen zurück im Kader, die Sabitzer seinen Platz streitig machen werden. Der französische Weltmeister sieht die Linksverteidiger-Position für sich zwar ebenfalls nur als zweite Präferenz an, spielt viel lieber im Abwehrzentrum der Münchner.

Allerdings warf Hernández als Außenverteidiger in der Vergangenheit stets alles in die Waagschale, was er in Sachen Aggressivität, Zweikampf- und Laufstärke anzubieten hat. Und setzte damit die wichtigste Vorgabe des Trainers um: Mutig aufspielen. Bei Sabitzer war das nicht unbedingt zu beobachten.

FC Bayern: Teamkollege als Vorbild für Marcel Sabitzer?

Dass man eine solche Gelegenheit, sich plötzlich von Beginn an bewähren zu dürfen, auch nutzen kann kann, bewies beim glatten Auswärtssieg in Köln am letzten Wochenende Corentin Tolisso. Der 27-Jährige erhielt auf der Sechser-Position den Vorzug vor Sabitzer, überzeugte mit über zehn gelaufenen Kilometern in 75 Minuten, 63 Prozent gewonnenen Zweikämpfen und seinem ersten Saisontor. 

Der französische Nationalspieler, der eigentlich schon ausgemustert war und als Wechselkandidat im Sommer galt, kämpft um die vielleicht letzte Gelegenheit, noch einmal einen neuen Vertrag beim FC Bayern zu bekommen.

Diesen Kampfgeist, sich der unbefriedigenden Situation als Edel-Reservist beziehungsweise Aushilfs-Linksverteidiger mit vollem Engagement zu stellen, lässt Sabitzer hingegen zu häufig vermissen. 

Allzu viel Zeit wird dem einstigen Leistungsträger von RB Leipzig nicht mehr bleiben, das Ruder in München endlich herumzureißen und mit starken Performances Eigenwerbung zu betreiben. Die heiße Saisonphase fängt für den ambitionierten FC Bayern jetzt erst an.

Gelegenheiten zum großen Probieren oder Rotieren werden sich dann voraussichtlich nicht mehr bieten. Vor allem nicht, wenn mit den zuletzt ebenfalls ausgefallenen Leon Goretzka, Dayot Upamecano oder Alphonso Davies weitere Leistungsträger zurück in den Kader drängen werden. 

In Leipzig marschierte Sabitzer im zentralen Mittelfeld als Anführer vorweg, trat als Mannschaftskapitän, Torschütze und Kreativspieler in Erscheinung. Ausgerechnet bei dem Klub, bei dem er schon seit Kindesbeinen an spielen wollte, fehlt es noch genau an diesen selbstbewussten Auftritten. 

Seine 15 Einsätze für den FC Bayern endeten allesamt torlos und insgesamt weitestgehend blass. Sabitzer muss langsam liefern, um nicht schon in seinem ersten Jahr in München als Missverständnis abgestraft zu werden. Gelegenheiten dazu hatte er eigentlich schon genug.  

Mats-Yannick Roth