08.07.2022 08:21 Uhr

Wie mit Farke der Erfolg nach Gladbach zurückkehren soll

Neuer Trainer: Daniel Farke soll die Fohlen wieder in die Erfolgsspur führen
Neuer Trainer: Daniel Farke soll die Fohlen wieder in die Erfolgsspur führen

Borussia Mönchengladbach will nach einer Saison der Missverständnisse unter Adi Hütter mit einem frischen Trainer wieder angreifen. Der 45-jährige Westfale Daniel Farke steht für Ballbesitzfußball und soll rund um den Borussia-Park wieder Euphorie wecken.

"Der Trainer ist gut. Ich merke es in den Trainingseinheiten, an den Ansprachen, wie er uns mitnimmt. Was er für einen Fußball spielen lassen will", so drückte Christoph Kramer seine ersten Eindrücke vom neuen Übungsleiter der Fohlen, dem 45-jährigen Daniel Farke, aus. Die Rückkehr zum Ballbesitz-Fußball tue der Mannschaft gut. Das ist die einhellige Meinung in Gladbach und gleichzeitig ein kleiner Seitenhieb gegen Vorgänger Adi Hütter und die Entscheidung, den Österreicher zur Saison 2021/22 verpflichtet zu haben.

Doch Platz zehn und die schwächste Saison seit elf Jahren sind Vergangenheit. Mit Farke und Sportdirektor Roland Virkus, der sein Amt Mitte Februar als Nachfolger von Max Eberl angetreten hat, soll neue Energie freigesetzt werden. "Es war wichtig, den Reset-Kopf zu drücken", bilanzierte Führungsspieler Kramer nach nur wenigen Tagen im Trainingslager.

Norwich-Fans setzten Farke ein Denkmal

Farke, einst für den BVB-Nachwuchs verantwortlich, war zuletzt für lediglich zwei Monate beim russischen Erstligisten FK Krasnodar tätig, löste seinen Vertrag allerdings nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine - ohne ein einziges Pflichtspiel als Trainer - auf.

Seine über vierjährige Amtszeit bei Norwich City (2017-2021) wird nicht nur Farke in ewiger Erinnerung behalten. Die Fans setzten ihm mit einem Wandbild, das sein Konterfei zeigt, an einem Haus in Norwich ein Denkmal.

Sein Spielstil mit viel Ballbesitz und hohem Pressing wurde von den Fans der Canaries "Farkeball" getauft. Von diesem Stil möchte er auch in Gladbach nicht abrücken: "Borussia Mönchengladbach hat immer dafür gestanden, mit Ballbesitz zu spielen. Kreativ, mit Kombinationsfußball. Ich finde mich da sehr wieder. Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass es passt", sagte Farke bei seiner ersten Pressekonferenz im Borussia-Park.

"Farkeball": Intensives Pressing und hoher Ballbesitz 

Doch was waren die Schlüsselelemente in Farkes Ära bei Norwich? Er gab der Mannschaft eine neue Identität und setzte seine Idee vom 4-2-3-1-System mit einem intensiven, hohen Pressing konsequent um - und das, obwohl seine Premierensaison auf Platz 14 der zweiten englischen Liga endete. Farkes Stil war stark geprägt von zwei offensiv ausgerichteten Außenverteidigern, die für die nötige Breite sorgten, damit die drei offensiv ausgerichteten Mittelfeldspieler nach innen stoßen konnten. 

2018/19 war Norwich eines der Teams mit dem höchsten Ballbesitz und stieg in die Premier League auf. Trotz des sofortigen Abstiegs schwärmte sogar Pep Guardiola vom Ballbesitzfußball der Canaries.

Der deutsche Coach schaffte 2021 erneut den Wiederaufstieg in Englands höchste Spielklasse, doch seine Amtszeit endete Anfang November nach über 200 Pflichtspielen an der Seitenlinie von Norwich City. Die Transferpolitik des Klubs - Schlüsselspieler des "Farkeball-Systems" wurden abgegeben - passte nicht mehr zum Fußball, den Farke über Jahre etabliert hatte. 

"Wir brauchen einen guten Transfersommer"

Nicht passend war auch die Zusammenarbeit zwischen Gladbach und Adi Hütter. Bereits unter dem Österreicher sollte die Borussia zum ballbesitzorientierten Spiel zurückkehren, doch dies war wohl ein Trugschluss. "Dann müsst ihr auch einen Ballbesitz-Trainer holen", sagte Hütter jüngst bei "Servus TV" über die unterschiedlichen Vorstellungen. "Doch das bin ich nicht allein", verwies Hütter auf versprochene Transfers, die ausgeblieben waren. 

Daniel Farke könnte nun vor demselben Dilemma stehen. "Wir brauchen einen guten Transfersommer. Keine Frage", so seine Worte bei der Antrittsrede. Besagter Sommer ist zwar noch lang, doch bis dato hat sich in puncto Personalien nicht viel getan: Außer Matthias Ginter gab Gladbach zwar kaum einen Spieler ab, doch auf der Einkaufsliste stehen erst zwei Namen: Der defensive Mittelfeldspieler Ko Itakura, der als Leihspieler von Manchester City in der Vorsaison bei Schalke 04 zumeist in der Innenverteidigung zu überzeugen wusste. Und der 18-jährige zentrale Mittelfeldspieler Oscar Fraulo vom FC Midtjylland, der aber eher als Perspektivmann gelten dürfte. 

Fohlen mit schwächster Defensive seit elf Jahren

Man müsse "brutal ehrlich" sein, sagte Farke zu den Zielen mit der Borussia. Es wäre falsch, zu euphorische Ziele auszusprechen. Der erste Schritt für den 45-Jährigen dürfte sein, dass alle in Gladbach wieder an einem Strang ziehen. Mut, Empathie und Loyalität sind wichtige Attribute für den Trainer. Wenn dann noch der eine oder andere Neuzugang für Farkes Spielidee präsentiert wird, dürfte eine neue Basis am Borussia Park gelegt werden.

Eine der wichtigsten Aufgaben: Der gebürtige Westfale muss wieder eine gesunde Balance zwischen Offensive und Defensive herstellen: 61 Gegentreffer in der Vorsaison waren der dritthöchste Wert ligaweit und für die Fohlen eine Flut an Gegentoren wie seit der Saison 2010/11 nicht mehr.

Ob mit Ballbesitzfußball oder nicht - die Fohlen wollen wieder attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen. Ein erster Stimmungsumschwung ist Farke bereits geglückt.

Lars Wiedemann