07.06.2023 20:12 Uhr

Wie Arminia Bielefeld in die 3. Liga durchgereicht wurde

Auch Fabian Klos konnte den Absturz von Arminia Bielefeld nicht verhindern
Auch Fabian Klos konnte den Absturz von Arminia Bielefeld nicht verhindern

Seit Dienstagabend ist es Gewissheit: Arminia Bielefeld ist zum zweiten Mal in Folge abgestiegen und spielt in der neuen Saison in der 3. Liga. Wie es dazu kommen konnte, warum der Fan-Frust verständlich ist und was es für einen Neuanfang braucht.

Niemand verkörpert den DSC Arminia Bielefeld so sehr wie Fabian Klos. Doch auch die Klub-Ikone glaubte nach der 0:4-Klatsche im Relegationshinspiel beim SV Wehen Wiesbaden nicht mehr an ein Fußballwunder. "Das Ding ist durch", sagte er am Freitagabend.

Das Rückspiel, das mit 1:2 ebenfalls verloren ging, wirkt im Nachhinein wie ein formaler Akt, den man einfach nur hinter sich bringen wollte.

Und obwohl dieser dritte Abstieg, den Klos in seinen zwölf Jahren in Bielefeld mitmachen musste, "einfach nur beschissen ist", war der 35-Jährige so klar bei Verstand, dass er bei "Radio Bielefeld" festhielt: "Seit dem Erstligaspiel gegen Union Berlin ging es nur bergab. Diese Abwärtsspirale konnten wir nicht aufhalten."

Arminias Abwärtsspirale nimmt kein Ende

Genau dieser letzte Bundesliga-Sieg der Arminia erscheint unfassbar lang her: Der Trainer hieß noch Frank Kramer, aufgrund der damaligen Corona-Beschränkungen durfte nur vor 10.000 Zuschauern gespielt werden und vom Unioner Einzug in die Champions League eineinhalb Jahre später konnte noch niemand wissen.

Ebenso wenig vom späteren Bielefelder Abstieg, denn an diesem 23. Spieltag stand der DSC als 14. immerhin drei Punkte vor dem Relegations- und sechs Punkte vor einem Abstiegsplatz.

Was folgte, lässt sich nur als multiples Versagen bezeichnen.

Schon dieser Bundesliga-Abstieg erschien absolut vermeidbar und geht größtenteils auch auf das Konto von Samir Arabi. Zu lange hielt der damalige Sport-Geschäftsführer an seinem Vertrauten Frank Kramer, der später auf Schalke ebenfalls scheitern sollte, fest und fand nach dessen Rauswurf keinen Feuerwehrmann, der die Arminia noch in der Bundesliga halten hätte können und wollen.

Und dennoch war die Hoffnung auf einen Wiederaufstieg in Ostwestfalen groß. Uwe Koschinat, der mit Arminia Bielefeld erstmals in seiner Trainerlaufbahn abstieg und zu diesem Zeitpunkt noch den 1. FC Saarbrücken trainierte, erkannte im Nachhinein: "Mit dieser Erwartungshaltung, ist die Mannschaft nicht zurechtgekommen."

Spieler müssen sich Söldner-Vorwurf gefallen lassen

Und das, obwohl sich genügend Akteure selber immer noch als Erstligaspieler sahen – bestenfalls ein Irrglaube, schlimmstenfalls Realitätsverweigerung.

"Als Fan gilt immer der Satz: Liebe für den Klub kennt keine Liga. Und als Spieler gilt: Du musst die Liga, in der du spielst, lieben. Und wenn du die Bedingungen, die in der Liga herrschen, nicht annimmst, dann kriegst du Woche für Woche auf die Fresse", drückte es Koschinat bei "Radio Bielefeld" in gewohnt klarer Manier aus.

Damit pflichtete der Fußballlehrer den Fans bei, die am Dienstag vor Anpfiff ein Banner entrollten, auf dem stand: "Elf Spieler, die elf Söldner sind."

Zu oft vermittelten gerade die erfahrenen Profis den Eindruck, dass sie nicht die Knochen für den Verein hinhalten wollten. Ein Vorwurf, den sie sich nicht nur gefallen lassen müssen, sondern der von Koschinat auch bestätigt wurde.

"Heulen nach dem Spiel ist okay, habe ich auch gemacht. Besser wäre aber hart arbeiten", sagte er bei "Sky", nachdem Klos am Freitag bereits der Mannschaft den Charakter abgesprochen und dies mit den Worten "Gute Fußballer machen keine gute Mannschaft" begründet hatte.

Und auch in dieser Thematik führt die Spur wieder zu Samir Arabi. Er, der nie müde zu betonen wurde, dass die Profis sich voll und ganz mit Arminia Bielefeld identifizieren und einen entsprechenden Charakter mitbringen müssten, hat genau diese Gruppe zusammengestellt, die den Verein in nicht einmal eineinhalb Jahren aus der Bundesliga und die Drittklassigkeit befördert hat.

Fan-Frust ist erklärbar

Die ersten dunklen Wolken über Bielefeld zogen nach dem denkwürdigen 3:3 in Braunschweig auf. Dort gab genau diese Gruppe auf kläglichste Weise eine 3:0-Führung her und die Wege von Arabi und Arminia trennten sich.

Kurz darauf war dann auch für Daniel Scherning Schluss, den der Sportchef nach dem erfolglosen Experiment namens Uli Forte noch für eine Ablöse aus Osnabrück losgeeist hatte.

Osnabrück stieg übrigens danach unter dessen Nachfolger Tobias Schweinsteiger durch zwei Last-Minute-Tore gegen den BVB II aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga auf.

Unter den Bielefelder Fans entlud sich eine Woche später jener Frust, der sich lange angestaut hatte: Eine Aufstiegsfeier 2020 wurde ihnen durch Corona genauso genommen wie eine Klassenerhaltsparty ein Jahr später.

Als sie dann wieder ins Stadion durften, ging es mit ihrem Klub bergab. Hilflos mussten sie das mit ansehen, weil sie auch von der Vereinsführung nicht mitgenommen wurden. So grenzüberschreitend die Vorkommnisse am vergangenen Freitag in Wiesbaden waren, so erklärbar sind sie angesichts der jüngeren Historie.

Nach dem feststehenden Abstieg am Dienstagabend, an dem es auf der Bielefelder Alm stets gesittet zuging, forderten sie auf einem Plakat einen "Neuanfang auf allen Ebenen".

Davon kann und darf sich auch das Präsidium nicht ausnehmen, das Arabi viel zu lange blind vertraute und, das als einziger mitverantwortlicher Teil der Misere noch da ist. Die sportlichen Kompetenzen wurden von Insidern schon zu Amtsantritt angezweifelt, was sich anhand des Absturzes schwer widerlegen lässt.

Michael Mutzels Mammutsaufgabe in Liga 3

Mit Michael Mutzel wurde am Tag nach dem Abstieg immerhin Arabis Nachfolger präsentiert, nachdem die Stelle zuvor drei Monate unbesetzt war. Mutzel hat eine echte Mammutaufgabe vor sich: Der DSC muss nun mit einem Drittel seines vorherigen Budgets klarkommen und hat nach aktuellem Stand gerade einmal vier Spieler unter Vertrag.

Fabian Klos gehört zwar nicht zu diesem kleinen Kreis, sendete aber bereits klare Signale bleiben zu wollen: "Für mich fühlt sich das hier nicht nach Abschied an. Der Verein weiß, dass ich mein Handy im Urlaub dabeihabe und ich für jeden immer erreichbar bin."

Sein Verbleib und auch der von Koschinat, der alle hausgemachten Probleme ausbaden musste und trotzdem Lust auf den Traditionsverein verkörperte, wären wichtige Bausteine, um den Neuanfang nicht noch schwieriger zu machen. Klos weiß: "3. Liga ist eklig, da musst du deinen Mann stehen. Da musst du Bock draufhaben und du musst auch Bock auf deinen Verein haben. Nur darum geht es."

Die richtigen Personen dafür zu finden, ist nun die größte Hausaufgabe des DSC Arminia Bielefeld – und das vom Aufsichtsrat bis zum Zeugwart.

Luis Holuch