23.05.2025 17:01 Uhr

Bobic exklusiv über VfB-Coup, Finale, BVB und Legia-Fans

Fredi Bobic feiert mit Giovane Elber
Fredi Bobic feiert mit Giovane Elber

Er weiß, wie man den Pokal gewinnt. Fredi Bobic holte als Teil des magischen Dreiecks und einer legendären Mannschaft mit dem VfB Stuttgart 1997 den DFB-Pokal. Im exklusiven Interview mit sport.de blickt der heutige Fußballchef von Legia Waschau auf den emotionalen Abend mit Giovane Elber zurück und spricht über die Erwartung an das VfB-Finale am Samstag gegen Arminia Bielefeld sowie über Niko Kovacs sensationelles Comeback mit Borussia Dortmund.

sport.de: Herr Bobic, wenn Sie an das Pokalfinale 1997 denken, was fällt Ihnen dann als Erstes ein?

Fredi Bobic: Sehr positive Erinnerungen. Es war das letzte Spiel zusammen mit meinen zwei "Brüdern" Krassimir Balakov und Giovane Elber. Aber auch die Atmosphäre und natürlich der Sieg, der nie gefährdet war.

Es war ein emotionales Spiel, auch weil Giovane Elber das letzte Mal für den VfB auflief. Dann traf er auch noch zweimal. Er wechselte im Sommer zum FC Bayern. Wie haben Sie das damals erlebt? Haben Sie ihn hinterher getröstet?

Es war auf der einen Seite verständlich, dass er den nächsten Schritt macht. Auf der anderen war er auch traurig, weil wir einfach eine Truppe hatten, die bis heute noch immer unheimlich viel Kontakt untereinander hat, auch im zwischenmenschlichen Bereich. Es war so, dass wir nach dem Spiel im Hotel waren und plötzlich fragten: Wo ist eigentlich Giovane? Er hatte sich oben auf dem Zimmer eingeschlossen, wollte eigentlich gar nicht zur Party runterkommen. Und dann bin ich hoch gestiefelt zu ihm und hab gesagt: So Junge, das ist hier deine Party heute. Wir gehen da runter und werden schön feiern. Er hat sich überreden lassen und dann haben wir noch eine richtig schöne Feier gehabt.

Danach gab es legendäre Feierbilder in Stuttgart mit rotgefärbten Haaren und Joachim Löw, dem die Haare abrasiert wurden. Wie wild war das damals?

Das war wild. Wir waren eben eine wilde und tolle Truppe. Nach dem Halbfinale haben wir gesagt: Wenn wir das Finale erreichen, machen wir das. Und auch Jogi hat gesagt, er macht’s, wenn wir das Finale gewinnen. Und da sieht man einfach, was es für ein zwischenmenschliches Miteinander war. Auf dem Rathausplatz in Stuttgart haben wir dann mit dem Rasierer angesetzt (lacht).

Wissen Sie noch, wie Joachim Löw Sie vor der Partie eingestellt hat?

Dass wir unser Spiel spielen sollen und wir auf einen sehr unangenehmen Gegner treffen. Energie Cottbus war unfassbar zweikampfstark. Er hat aber auf unsere Stärken hingewiesen und betont, wie wichtig sei, dass wir sie immer vom Tor weghalten. Es war von der Konzentration her kein einfaches Spiel. Wir waren überlegen, aber es war ein Spiel, bei dem du immer auf der Hut sein musstest.

In dieser Zeit befand sich das "magische Dreieck" in seiner Hochphase. Wie genau hat Löw Ihre Offensivpower entfesselt?

Er hat uns auf dem Platz einfach machen lassen. Er hat uns sicher ein paar Sachen vorgegeben, wenn es gegen den Ball ging. Wir haben zu der Zeit schon Pressing gespielt, wo viele andere Vereine das noch gar nicht kannten in der Form oder nicht spielen wollten, weil es irgendwie zu riskant war.

Insgesamt hatten wir eine Mannschaft, die auch in der Defensive sehr tolle Spieler hatte: Zvonimir Soldo, Thomas Berthold, Thomas Schneider und Franz Wohlfahrt im Tor. Jogi hat uns ein Grundsystem gegeben. Er liebt den Offensivfußball. Uns kam das gelegen, weil wir auf dem Platz Freiheiten hatten.

Bobic war wegen Löw-Entlassung "richtig sauer"

Wie sauer waren Sie eigentlich, als Löw 1998 trotz der Erfolge gefeuert wurde und durch Winfried Schäfer ersetzt wurde?

Wir waren richtig sauer. Wir haben es überhaupt nicht verstanden. Es hat sich auch gezeigt, dass es danach einen größeren Umbruch gab. Ein Jahr danach bin ich nach Dortmund. Löw hat uns gut eingestellt und hatte uns im Griff. Es war keine schöne Situation in dem Jahr nach dem Europapokalfinale einen neuen Trainer zu bekommen, wenn der alte eigentlich Erfolg hatte.

Gab es einen Spieler im 97-Kader, der Ihrer Meinung nach unterschätzt ist?

Zvonimir Soldo, ganz klar. Er war ein Spieler, der auf der Sechs alles weggeräumt hat. Hinter ihm auch noch Frank Verlaat unser Kapitän, der ein genialer Fußballer war. Beide standen dort, wo andere erst hinlaufen mussten, das hatten sie intuitiv drin. Also die Mitte war schon richtig stark.

Welche Bedeutung hat der Pokaltitel in Ihrer Karriere?

Eine sehr große. Wenn man sieht, dass der VfB bis zum heutigen Tag keinen Pokal mehr gewonnen hat. Jetzt steht man kurz davor. Ich komme aus Stuttgart. Mit dem eigenen Verein einen Titel zu gewinnen, ist immer etwas ganz Besonderes.

Am Wochenende könnte es wieder soweit sein. Inwiefern ist das Spiel gegen Bielefeld vergleichbar mit dem Spiel gegen Cottbus 1997? Ein starker Drittligameister mit viel Euphorie.

Es ist schon vergleichbar. Auch Bielefeld besticht durch mannschaftliche Geschlossenheit, durch hartes Arbeiten auf dem Platz. Nicht umsonst haben sie mehrere Bundesligisten rausgekegelt. Sie haben es selbst bei Bayer Leverkusen geschafft, den Gegner auf ihr Niveau runterzuholen und dieses Spiel zu gewinnen. Da muss man schon Respekt davor haben.

Für den VfB wird es wie für uns damals das Wichtigste sein, zu jeder Minute voll konzentriert zu sein. Und dann zum richtigen Zeitpunkt, die Tore zu machen, die Qualität einzusetzen. Aber du musst es erstmal körperlich und von den Zweikämpfen angehen, wie wenn dir ein Bundesligist gegenübersteht.

"Spiel auch aus wirtschaftlicher Sicht für den VfB eminent wichtig"

Wie macht man das, damit man so ein Team nicht unterschätzt. Gibt es einen Trick?

Sie werden Bielefeld nicht unterschätzen. Wenn du ins volle Olympiastadion einläufst, merkst du: Es ist was anderes. Egal, wer auf der anderen Seite steht, du wirst voll fokussiert sein.

Wo kann Bielefeld dem VfB gefährlich werden?

Standards sind immer gefährlich. Wenn sie es schaffen, den VfB vom Tor wegzuhalten, ihn nicht zu Chancen kommen lassen und es schaffen, das Spiel auf ihr Tempo herunterzubekommen, so wie sie es gegen Leverkusen gemacht haben, dann werden sie gefährlich werden für den VfB.

Beim VfB droht ein Ausfall von Nationalspieler Angelo Stiller. Wie schwerwiegend wäre es, wenn er nicht spielen könnte?

Das darf in diesem Spiel keine Rolle spielen. Er ist sein sehr guter Spieler. Es ist nicht so, dass die Mannschaft ohne ihn keine Waffen hätte.

Verraten Sie uns Ihren Tipp fürs Endspiel?

Für mich ist es klar: Ich denke, dass es ein enges Spiel wird und tippe auf ein 2:0, also einen souveränen Sieg des VfB.

Für den Klub wäre der Erfolg äußerst wichtig. Vor allem, weil es in der Liga nicht nur rund lief. Wie bewerten Sie die VfB-Saison?

Das Pokalfinale ist nun eminent wichtig. Mit einem Sieg ziehst du in die Europa League ein. Über die Liga haben sie es nicht geschafft, weil sie Körner gelassen und auch Fehler gemacht haben durch die Belastung, die für die Spieler neu war. Deswegen ist dieses Spiel unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Situation eminent wichtig. Solltest du nicht gewinnen, wird es einen negativen Einfluss auf den Fortlauf haben.

Sie kennen die Europa League gut, haben dort mit Frankfurt für Furore gesorgt.

Die Europa League ist genauso ernst zu nehmen wie die Champions League. Sie ist ein aufgewerteter Wettbewerb durch die Eintracht. Jeder Bundesligist nimmt diese europäischen Wettbewerbe sehr ernst.

Zuletzt war viel von Nick Woltemade die Rede. Er wurde für das Final Four der Nations League nominiert. Kommt Bundestrainer Julian Nagelsmann überhaupt noch an ihm vorbei?

Er hat es sich verdient. Der Junge hat unheimlich viel Potential. Ihn mitzunehmen, hat auch damit zu tun, dass Tim Kleindienst operiert wird. Dann auf Woltemade zu kommen, ist genau die richtige Entscheidung.

"Es freut mich total für Niko Kovac"

Im Fokus war auch eines Ihrer Ex-Teams: Borussia Dortmund. Deren Trainer Niko Kovac kennen Sie gut. Hat Sie dieses Liga-Comeback überrascht?

Dass sie es auf Platz vier geschafft haben, davon waren alle überrascht. Selbst beim BVB und auch Niko. Es hatte auch mit der Ligakonstellation zu tun, aber sie haben trotzdem mit fünf Siegen in Folge natürlich da etwas geschafft, was sensationell ist. Es freut mich total für Niko, weil er die Mannschaft in die Spur bekommen hat und den Leistungsgedanken wieder an erste Stelle gestellt hat, nicht den Namen und nicht irgendwelche Systeme, sondern sie einfach fit und heiß gemacht hat. Es war von Anfang an nicht einfach für ihn, aber er war genau der richtige Mann für genau die Situation beim BVB.

Das Kovac-Geheiminis ist also: einfacher Fußball und viel laufen lassen?

Einfache Arbeit. Dann kommen die Qualität und Selbstvertrauen von selbst. Das wird manchmal unterschätzt. Man redet immer viel von Systemen. Aber am Ende des Tages sind es die einfachen Dinge und wenn man dann die Qualität im Team hat, macht es das aus.

Legia ist der FC Bayern von Polen

Seit April haben Sie eine neue Aufgabe bei Legia als Fußballchef. Was sind Ihre Ziele mit dem Klub?

Wir haben einen aufregenden Sommer vor uns. Wir müssen die Mannschaft wieder frisch kriegen. Sie hat 54 Spiele gemacht, den Pokal gewonnen, aber in der Liga sind wir Fünfter geworden und mussten da ein bisschen Tribut zollen aufgrund der Riesenanzahl an Spielen und weil der Kader doch nicht so tief ist. Daran werden wir arbeiten. Ich schaue auf alles drauf in meiner Position. In der Zusammenarbeit mit unserem Sportdirektor versuchen wir, die Strukturen so sauber zu ziehen, dass der Verein nachhaltig gestaltet werden kann und wettbewerbsfähig ist für mehrere Wettbewerbe.

Haben Sie sich vorgenommen, etwas konkret anders zu machen als bei Ihren letzten Stationen Hertha, SGE und dem VfB?

Jeder Verein hat seine eigenen DNA. Deswegen habe ich auch früher angefangen, um den Verein besser kennenzulernen. So nach zwei Monaten ist ein Gefühl da: Jetzt verstehe ich den Verein besser. Ich habe Interviews geführt mit allen möglichen Leuten, mit allen möglichen Abteilungen und so langsam vervollständigt sich für mich das Bild. Und damit auch: Was wir vielleicht verändern und verbessern müssen.

Die Fans von Legia sind berühmt-berüchtigt. Inwiefern ist das ein Thema für Sie oder ein Problem?

Das sehe ich nicht so. Die Fans sind sehr leidenschaftlich. Der Verein ist privat geführt von einem Eigentümer. Die Fans haben was zu sagen, so soll es auch sein. Das Stadion ist immer voll, sie folgen uns überall hin. Jedes Auswärtsspiel ist ausverkauft. Sie sind lautstark, sehr gut organisiert. Auch kritisch, wenn es nicht läuft.

Es ist wie bei den Bayern in Deutschland. Es ist die größte Marke. Jeder redet über Legia. Social Media ist voll davon in Polen. Über den Verein wird drumherum meistens geredet. Das darf uns im Operativen aber nicht stören. Das macht uns stolz, dass wir so einen Support haben.

Danke für das Gespräch.