18.11.2016 10:28 Uhr

Kommentar: "50+1 ist mehr als nur 51"

Viele Fans in den Kurven der Bundesligastadien sind für den Erhalt der 50+1-Regel
Viele Fans in den Kurven der Bundesligastadien sind für den Erhalt der 50+1-Regel

Wir schreiben den 22. August 2036. Bundesligaauftakt. Der amtierende Deutsche Meister Adidas München empfängt Wiesenhof Bremen am Freitagabend zum Saisonstart. Am Samstag spielt unter anderem noch der 1. FC Rewe Köln gegen VW Wolfsburg. Die Domstädter tragen wie immer ihre Trikots mit der Werbung für das Angebot der Woche. Dagegen hat Gazprom Schalke 04 seit einer gefühlten Ewigkeit denselben Trikotsponsor – Tradition sei Dank! 

Natürlich ist auch Borussia Dortmund mit seinen chinesischen Besitzern noch in der Bundesliga vertreten – sogar mit eigenem Namen. Nur die Vereinsfarben haben sich geändert. Und der TSV 1860 München hat mit den Scheich-Millionen von Hassan Ismaik endlich die Champions League erreicht. Dietrich Mateschitz, Klaus-Michael Kühne, Dietmar Hopp und Martin Kind sind als einstige Pioniere des Umsturzes der 50+1-Regel längst in die Bundesligageschichte eingegangen. Durch das weite Rund hört man das Knallen der Sektkorken. Sonst nichts. Es ist ruhig geworden in den früher stimmungsvollen Bundesligastadien. Währenddessen verdrückt Aki Watzke, der sich vor 20 Jahren noch als Ultra titulierte, eine kleine Träne.

Zugegeben, diese Dystopie für den deutschen Fußball ist sehr überspitzt. Doch in Zeiten, in denen von Experten immer wieder die Abschaffung der 50+1-Regel gefordert wird, macht sich der geneigte Fußballfan Gedanken über die Zukunft seines Vereins.

Was bedeutet 50+1?

Zur Erinnerung: Die 50+1-Regel besagt, dass eine Kapitalgesellschaft nur eine Lizenz für die Liga erhält, wenn der Mutterverein über "50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt", so die Bundesligasatzung. Folglich dürfen Investoren keine Mehrheit an der Kapitalgesellschaft haben. In Hoffenheim gibt es dafür bereits eine Ausnahme, weil Dietmar Hopp den Klub seit mehr als 20 Jahren unterstützt. 2018 könnten Hannover 96 und Martin Kind folgen.

Das Argument, das nun Gegner der Regel aktuell immer wieder vorbringen, betrifft die sportliche Spannung und die Schere zwischen "armen" und "reichen" Vereinen. Bayern, Dortmund und Wolfsburg sind mit ihren Personaletats Vereinen wie Darmstadt und Freiburg um Lichtjahre voraus, wie die Statistik der "11Freunde" in der neuesten Ausgabe zeigt.

Öffnete man die Bundesliga für Investoren, die zweifelsohne bereits anklopfen, würden sich die finanziellen Unterschiede zwischen den Klubs verringern, so die Gegner von 50+1. Und mit höheren monetären Mitteln könnten die heute kleineren Teams die größeren öfter ärgern. Sprich: Red Bull investiert in sein Projekt in Leipzig und macht die Meisterschaft dadurch spannender.

Heiligt der Zweck die Mittel?

Aber heiligt der Zweck die Mittel? Sind Investoren Garanten für Chancengleichheit aller Klubs? Wohl kaum. Will sich ein Verein wirklich abhängig machen vom Gutdünken eines Investors, der bei Erfolglosigkeit bald schon keine Lust mehr auf sein Spielzeug haben könnte? Speziell in Deutschland, wo viele Fans noch ein inniges Verhältnis zu ihrem Verein haben, würden sich die Anhänger wohl bald von ihrem Klub verabschieden und nicht mehr ins Stadion gehen. Speziell bei Traditionsvereinen wie in Dortmund, Gladbach, Köln oder Frankfurt gäbe es sicherlich große Proteste. Bereits in Hamburg zeigt sich, dass viele Anhänger des HSV mit Investor Klaus-Michael Kühne, der immer mehr Einfluss will, auf Kriegsfuß stehen. 

Hinzu kommen Klubs, die es ohne Firmeninvestitionen wahrscheinlich nie in die Bundesliga geschafft hätten. Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Ingolstadt, die in der vergangenen Saison unter den sechs Teams mit dem geringsten Zuschauerschnitt lagen, zählen nicht gerade zu den beliebtesten Klubs.

Ein Fazit

So schnell wird 50+1 nicht fallen, denn die großen Vereine wie Bayern, Dortmund oder Schalke wollen ihren sportlichen und finanziellen Vorsprung vor den kleineren Klubs natürlich nicht verlieren. Vielleicht schwingt bei dem Festhalten an 50+1 aber auch ein bisschen Verständnis für die Fans und die Fankultur mit. Denn 50+1 ist mehr als nur 51 – sondern bedeutet auch ein Hindernis für die weitere Kommerzialisierung des Sports.

Die Dystopie zu Beginn kann man dann getrost vergessen und sich am Freitagabend wieder dem sportlichen Teil zuwenden. Dann empfängt Bayer Leverkusen Red Bull…nein, natürlich Rasenballsport Leipzig.

Florian Pütz