Petersen: So kann Bayern die Transferschlappen überwinden

Der frühere Bundesliga-Fußballer Nils Petersen hat im exklusiven Interview mit RTL/ntv und sport.de über die schwierige Transfer-Situation beim FC Bayern gesprochen und verraten, was sein Ex-Klub nun tun kann, um wieder interessanter für Top-Spieler zu werden.
Der FC Bayern musste in diesem Sommer schon einige Rückschläge auf dem Transfermarkt hinnehmen. Lange baggerten die Münchner an Florian Wirtz, der sich jedoch lieber dem FC Liverpool anschloss. Auch auf der Suche nach einem Ersatz für Leroy Sané fing sich der deutsche Rekordmeister gleich mehrere Schlappen ein, unter anderem blieb Transferflirt Nico Williams am Ende lieber bei Athletic Bilbao.
Sind die Münchner also mittlerweile zu uninteressant für diese Kategorie von Spielern? Laut dem früheren Bayern-Profi Nils Petersen trifft das aktuell zu.
"Die aufgezählten Spieler sind Top-Stars, die bei einem Spitzenverein spielen wollen, die vielleicht auch so etwas wie eine Titelgarantie bekommen wollen durch ihren nächsten Wechsel. Und Bayern garantiert sie eben nicht mehr. In der Bundesliga noch am ehesten, aber das zählt für diese eben Genannten halt nicht", legte Petersen im exklusiven Interview mit RTL/ntv und sport.de den Finger in die Wunde und fügte an: "Die wollen die Champions League gewinnen, die wollen bei der Klub-WM den Titel abräumen."
Petersen weiter: "Wenn der FC Bayern jedes Mal gefühlt im Viertelfinale ausscheidet und mittlerweile ein kleines K.o.-Spiel-Trauma hat und damit auch nicht mehr diese Identität als Top-Top-Top-Mannschaft, weil sie eben zu viele K.o.-Spiele verlieren, dann schwindet bei den Spielern einfach auch ein bisschen das Interesse." Andere Vereine erscheinen dann spannender, so der frühere Stürmer.
Petersen: FC Bayern muss "Schatulle öffnen"
Im letzten Jahr habe es eine Phase gegeben, da hätten die Trainer abgesagt, erinnerte Petersen an die langwierige Suche nach einem Nachfolger für Thomas Tuchel. "Jetzt gibt es eine Phase, da sagen die Topspieler ab. Die bleiben dann lieber in Bilbao oder bei anderen - nicht böse gemeint, nicht despektierlich gemeint - durchschnittlicheren Vereinen. Oder sie gehen dann nach Madrid oder Barcelona oder Manchester City. Da hat Bayern ein bisschen was liegen lassen in den letzten Jahren."
Doch wie könnten die Münchner das Ruder wieder herumreißen? "Man hält oder holt Spieler - je nachdem - mit Wertschätzung: Das kann in Form von sportlichem Erfolg sein, als Champions-League-Sieger, als Double-Gewinner, durch ein brutal gutes Abschneiden bei der Klub-WM oder durch guten Fußball, zu dem man den Spieler einlädt, mitzumachen oder dabei zu bleiben. Oder man schafft es finanziell, wenn man keinen sportlichen Erfolg hat", zählte der 36-Jährige die beiden Möglichkeiten auf, von denen der deutsche Rekordmeister derzeit nur eine zur Verfügung hat.
"Deswegen bleibt ja dem FC Bayern gar nichts anderes übrig, als die Schatulle zu öffnen und den Kader auf diese Weise zu verbessern, damit man mal wieder sportlichen Erfolg hat", erklärte Petersen.

Petersen: Kader des FC Bayern hat aktuell wenig Potenzial
Der aktuelle Kader gebe nur wenige Spieler her, "die eine Riesenentwicklung versprechen. Der eine oder andere Spieler wird ja auch älter aus der ersten Elf. Da gibt es aktuell nicht die Riesenperspektive", beschrieb er den Blick auf das Bayern-Team aus (Ex-)Spielersicht.
Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain, das auch am Mittwoch noch die Chance hat, ins Finale der Klub-WM einzuziehen (21 Uhr im sport.de-Live-Ticker gegen Real Madrid) sei in diesem Sinne "gerade viel spannender aufgestellt".
Wieder auf diesen Niveau zu kommen, schaffe der FC Bayern nur, "wenn man jetzt dementsprechend auch Qualität kauft, die halt abartig teuer ist", betonte Petersen.
Weitere exklusive Aussagen von Nils Petersen im Interview mit RTL/ntv und sport.de:
Petersen darüber, wer die Schuld trägt beim folgenreichen Zusammenprall von Jamal Musiala und Gianluigi Donnarumma, der zum Wadenbeinbruch beim Bayern-Star führte:
Bei diesem Kontaktsport, diesem Zweikampfsport würde ich nie jemanden die Schuld geben. Es gibt natürlich immer mal übles Einsteigen, bei dem der eine den anderen mit Absicht verletzen will. Aber das lag an dieser Stelle in meinen Augen nicht vor. Und als Torwart geht man auch manchmal ein bisschen rigoroser zur Sache als als Feldspieler. Manchmal weiß man das auch als Spieler, Ich wusste zum Beispiel, bei welchem Torhüter gehe ich hin, bei welchem lieber nicht. Da habe auch mal den einen oder anderen Zweikampf gemieden, aber das schafft man nicht immer. Der Kontaktsport bringt mit sich, dass man sich hier und da mal etwas abholt. So wie in diesem Fall bei Musiala, der das nicht auf der Agenda hatte und das kostet ihn nun ein paar Monate. Das ist am Ende auch das Brutale an diesem Sport.
Petersen darüber, welche Folgen Musialas Verletzung für den FC Bayern auch mit Blick auf mögliche Neuverpflichtungen hat:
Das wird den Preis für den ein oder anderen Spieler nicht drücken, das ist klar. So übel die Verletzung ist, als abgebender Verein reibt man sich da natürlich auch die Hände, weil man die Not des FC Bayern jetzt kennt.
Gerade auf dieser Position in der Offensive wollen sich die Münchner ja auch weiter verbessern und verstärken. Man kennt ja auch das Portemonnaie der Bayern. Man will das immer ein bisschen kleinreden, aber natürlich weiß man auch, dass sie dazu in der Lage sind, hohe Summen zu bezahlen. Es muss natürlich dann trotzdem immer ein Kosten-Nutzen-Verhältnis da sein. Und das haben sie jetzt bei dem ein oder anderen Spieler, zum Beispiel bei Nick Woltemade, noch nicht so gesehen. Aber jetzt ist die Not halt größer und da muss man dann die Schatulle auch automatisch weiter aufmachen.
Petersen über den Poker des VfB Stuttgart um eine hohe Ablöse für Nick Woltemade:
Der VfB weiß genau um den Druck bei den Bayern. Man hat auch ohne die Verletzung von Musiala schon ein großes Interesse an Woltemade verkündet, das ging durch alle Gazetten. Das hat jeder mitbekommen. Durch Musialas Verletzung ist das Interesse nicht kleiner geworden. Das wird den Preis nicht drücken.
Ich glaube schon, dass die Bayern da nun all-in gehen. Ich glaube aber auch, dass man den ein oder anderen Spieler noch ein bisschen pusht neben Woltemade, um den Preis vielleicht noch etwas drücken zu können. Also, das man nicht das ganze Hauptaugenmerk auf Woltemade legt. Aber im Endeffekt glaube ich schon, dass es am Ende eher in Richtung der Summe geht, die der VfB aufruft, als in Richtung der kleineren Summe, die der FC Bayern bislang bereit war, zu bezahlen.
Petersen darüber, ob es jetzt schon der richtige Schritt für Woltemade zum FC Bayern ist:
Den Vergleich zu mir selbst kann man schwer ziehen, denn man kann ja nicht in die Zukunft schauen: Aber der beste Moment für einen Wechsel ist jetzt!
Ich sage immer, wenn Bayern anfragt und man sowieso vorhat, national auf höchstem Niveau zu spielen und wenn man Titel gewinnen möchte, dann muss man diesen Schritt gehen. Deswegen bin ich ihn damals auch gegangen. Es gibt viele, die immer sagen: 'Ach, hättest du es mal anders gemacht'. Aber es hat mir viele Türen geöffnet, ich bin sehr weich gefallen danach.
Und Nick Woltemade ist ja schon auf einem ganz anderen Level, als ich es damals war. Das heißt, er kommt ja durch die Musiala-Verletzung als potenzieller Stammspieler nach München. Dementsprechend hat er da einen ganz anderen Rucksack. Der ist schon richtig prall gefüllt mit Druck, gerade, wenn er so teuer wird.
Aber ich finde, er ist als Typ eine coole Socke. Ich finde, er könnte auch ein guter Müller-Ersatz werden auf lange Sicht. Sportlich schafft er das sogar jetzt sofort. Aber auch menschlich, glaube ich, passt er gut rein. Deswegen: Bayern ist ja auch wieder drauf und dran. Man möchte ja auch die deutschen Nationalspieler am liebsten immer in seinem Kader haben und deswegen macht das für alle Seiten total Sinn.
Natürlich wäre das jetzt romantisch zu sagen, man macht noch ein Jahr weiter in Stuttgart und entwickelt sich auf dem Niveau. Aber vielleicht kommt dann nie wieder das Angebot. Man muss auch gucken: Bleibt das Niveau so, bleibt man verletzungsfrei, wie performt der VfB? Schlussendlich hat er in der Rückrunde auch "nur" acht Tore erzielt. Das ist jetzt auch keine Wahnsinnsquote. Deswegen: Ich an seiner Stelle würde es sofort machen. Ich würde auch wieder zum FC Bayern wechseln.
Petersen, darüber, wie sich Nick Woltemade beim FC Bayern noch steigern kann:
Er wird mit dem Druck umgehen können, weil er eine coole Socke ist. Und er hat auch einfach eine krasse Qualität. Er hat nochmal einen riesigen Sprung gemacht, jetzt von Jahr zu Jahr noch heftigere Sprünge. Und da sind immer noch Reserven. Der Junge ist ja noch jung. Er kann von Harry Kane, Joshua Kimmich, Jamal Musiala und Co. auch noch viel viel lernen. Nicht nur sportlich, auch im Mindset. Da ist noch viel Potenzial nach oben. Ich glaube, Woltemade wird die Zukunft in Deutschland in der Offensive mitbestimmen und da auch einiges abreißen. Und je früher du ihn kriegen kannst, vielleicht auch desto günstiger ist er, und desto mehr kannst du ihn auch noch formen als absolutes Top Team, wie es die Bayern halt auch sind .
Petersen darüber, wie der FC Bayern nun den Kader umbauen muss:
Der ein oder andere macht vielleicht Vincent Kompany einen Vorwurf, er habe sich im letzten Klub-WM-Spiel vercoacht. Aber er muss ja rotieren. Gerade auf diesem Level. Bei so vielen Spielen im Jahr muss rotiert werden. Und aktuell habe ich das Gefühl, wenn rotiert wird, verliert man schnell, und das darf bei Bayern einfach nicht passieren.
Als ich damals dort war, hat man auch keinen Titel gewonnen und dementsprechend hat man danach ausgemistet, weil das natürlich einfach nicht geht bei den Bayern. Und dann hat es mich damals auch erwischt. Dann muss man sich entweder von den Spielern trennen, die dafür gesorgt haben, dass man nicht groß rotieren konnte ohne Qualitätsverlust. Man muss also dafür, dass keine Qualität flöten geht, wenn man Spieler von der Bank bringt. Und das ist aktuell noch zu oft der Fall, dass man das Gefühl hat, wenn man jetzt wechselt, verbessert sich gar nichts mehr. Daher hat man auch Leroy Sané abgegeben. Da hat man ja schon einen Anfang gemacht.
Ich glaube auch, dass der ein oder andere auf der Agenda stand, der jetzt wieder drauf ist durch die ganzen Verletzungen. Aber in der Breite muss sich einfach etwas verbessern. Und es ist einfach schade, dass man das Gefühl hat, dass aus der Jugend kaum etwas dazukommt.
Wenn man das mit PSG vergleicht, da ist jetzt keiner dazugekommen für 50, 70, 90, 100 Millionen, sondern da hat sich etwas entwickelt aus einer Mannschaft, die zusammengewachsen ist. Das ist jetzt ein spannendes Vorbild und da sollte Bayern auch wieder drauf schielen und auch dahin kommen.