06.02.2019 15:45 Uhr

Wäre Bayern ohne Lewy wirklich besser dran?

Robert Lewandowski spielt seit 2014 für den FC Bayern
Robert Lewandowski spielt seit 2014 für den FC Bayern

Dietmar Hamann scheint einen wunden Punkt getroffen zu haben. Nach der harschen Kritik des Ex-Profis an Stürmerstar Robert Lewandowski diskutiert ganz Fußball-Deutschland über den Wert des Polen für den FC Bayern. Wäre der Rekordmeister ohne seine Nummer neun wirklich besser dran?

Am Tag nach der bitteren 1:3-Niederlage der Münchner bei Bayer Leverkusen tat Hamann etwas, das in den Augen vieler Fans Gotteslästerung gleichkommt. In der Talkrunde "Sky90" schoss sich der 45-Jährige ausgerechnet auf Robert Lewandowski ein - den Mann, der mit 24 Treffern und sieben Vorlagen an knapp der Hälfte aller Bayern-Tore beteiligt war.

"Ich glaube, dass Lewandowski zum Problem für Bayern München wird. Seine Theatralik, sein Abwinken, sein zum Teil lustloses Verhalten auf dem Platz. Ich glaube, es ist offensichtlich, dass er ein Einzelgänger ist", urteilte der 59-malige Nationalspieler, dessen Worte ein gewaltiges Echo hervorriefen.

Wie nicht anders zu erwarten, erhielt Lewandowski von überall Rückendeckung. Ob Teamkollegen, Ex-Mitspieler oder Berater - alle widersprachen der These, dass der 30-Jährige ein Ego-Problem hat.

Sind Hamanns Vorwürfe also völlig aus der Luft gegriffen? Spielt Lewandowski wirklich noch dieselbe Rolle wie vor drei Jahren, als er in einem Atemzug mit Ausnahmekönnern wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi genannt wurde?

Lewandowskis Torquote stimmt - der Rest nicht

Beim bloßen Blick auf die Scorerwerte wirken die Kritikpunkte tatsächlich weit hergeholt. Zwölf Tore in der Bundesliga lassen ebenso wenig Zweifel an Lewandowskis Knipser-Qualitäten zu wie seine acht Treffer in der Champions League (Top-Wert!). Im Durchschnitt schlägt der Angreifer alle 100 Minuten zu - eine exzellente Quote. Zudem feuert er ligaweit am häufigsten aufs gegnerische Gehäuse (68 Schüsse).

Andere Statistiken sprechen indes weniger für Lewandowski. Mit 33,79 Ballkontakten pro Partie und nur 43,54 % gewonnenen Zweikämpfen steht der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft erstaunlich schlecht da.

Hinzu kommen weiche Faktoren wie die Körpersprache, die bei dem früheren Dortmunder schon länger nicht mehr stimmt. Kein Spiel vergeht ohne lautstarkes Lamentieren über Teamkollegen, Gegenspieler oder den Schiedsrichter. Für Hamann und Co. ist Lewandowskis divenhaftes Gebaren ein gefundenes Fressen.

Gewohntes Bild: Robert Lewandowski sitzt genervt am Boden
Gewohntes Bild: Robert Lewandowski sitzt genervt am Boden

Lewandowskis Status beim FC Bayern (noch) nicht in Gefahr

Die Bayern-Verantwortlichen stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, in der Causa Lewandowski das Für und Wider abwägen zu müssen.

Klar ist: Bis zum Ende der laufenden Saison ist der Status des 30-Jährigen nicht in Gefahr. Nach dem Abgang von Sandro Wagner ist Lewandowski der einzig verbliebene Stoßstürmer im Aufgebot der Münchner, die auf einen physisch starken Zielspieler in der Offensive nicht verzichten können.

Über Jahre hinweg erfüllte Lewandowski diese Rolle perfekt. Wie der gebürtige Warschauer Bälle auf engstem Raum abschirmt und verarbeitet, verdient das Prädikat Weltklasse. Unzählige Male machte er gegen tiefstehende Mannschaften so den Unterschied. Doch die Vorzeichen haben sich geändert.

Der Paradigmenwechsel macht Lewandowski zu schaffen

Unter Trainer Niko Kovac ist die Dominanz des Rekordmeisters kleiner geworden. Ballbesitz alleine reicht nicht mehr, um Spiele zu gewinnen. Immer häufiger wählen gegnerische Trainer einen mutigen Ansatz, wenn es gegen den Branchenprimus geht. Viele von ihnen, zuletzt Leverkusens Peter Bosz, wurden mit Siegen belohnt.

Leidtragende dieses Paradigmenwechsels sind die Offensivkünstler der Bayern, die neuerdings deutlich mehr nach hinten arbeiten müssen. Oder müssten. Denn in der Rückwärtsbewegung lassen Lewandowski und seine Nebenleute viele Wünsche offen.

Dabei galt der Pole jahrelang als leidenschaftlicher Gegenpresser mit vorbildlichem Anlaufverhalten - auch dank Jürgen Klopp, der Lewandowski 2010 zum BVB geholt und dort zum Top-Stürmer geformt hatte. Europaweit zitterten Abwehrreihen vor dem lauf- und spielstarken Alleskönner, der sich für keinen Weg zu schade war.

Heute schlurft der Angreifer oftmals unbeteiligt über den Platz und provoziert auf diese Weise negative Reaktionen wie die von Dietmar Hamann.

Der Abschied von Robert Lewandowski wird immer wahrscheinlicher

Auf der Suche nach Ursachen für Lewandowskis Verdrossenheit stößt man unweigerlich auf die öffentlich zur Schau getragenen Abwanderungsgedanken des Goalgetters. Dessen Traum von einem Engagement beim spanischen Rekordmeister Real Madrid ist allgemein bekannt. Bislang schoben die FCB-Bosse einem Wechsel aber stets einen Riegel vor. Doch wie lange noch?

Fest steht: Den Bayern steht ein großer Umbruch ins Haus. Für den Sommer ist eine Frischzellenkur geplant, womöglich auch auf der Stürmerposition. Ob Lewandowski Teil des neuen, stark verjüngten Teams sein will, darf bezweifelt werden. Zu groß ist der Wunsch des 102-maligen Nationalspielers nach einer Luftveränderung.

Nach fünf erfolgreichen Jahren in München könnte Lewandowski, dessen Vertrag 2021 endet, nach Saisonende den Abflug machen - vorausgesetzt, die Bayern finden einen geeigneten Nachfolger.

Mit den zu erwartenden Einnahmen aus einem Verkauf des Torjägers könnte ein jüngerer, vor allem aber hungrigerer Spieler für die Neuner-Position verpflichtet werden - für alle Seiten wohl die beste Lösung.

Heiko Lütkehus