03.12.2021 13:35 Uhr

Emre Cans (vergeblicher) Kampf gegen das Rüpel-Image

Will seine Kritiker endgültig verstummen lassen: BVB-Profi Emre Can
Will seine Kritiker endgültig verstummen lassen: BVB-Profi Emre Can

Emre Can durchlebt bei Borussia Dortmund in dieser Saison eine Berg- und Talfahrt. Kritik am BVB-Profi wurde zuletzt immer lauter. Und doch setzt man bei den Schwarz-Gelben vor dem Spitzenspiel gegen den FC Bayern auch große Hoffnungen auf den deutschen Nationalspieler.

Mark van Bommel? Stefan Effenberg? Da musste Emre Can doch eher schmunzeln, als er einst im "kicker" auf Vergleiche mit den beiden Paradebeispielen eines "Aggressive Leaders" angesprochen wurde. Der damals frisch zum BVB gewechselte Mittelfeldspieler konterte selbstbewusst: "Ich kann mich nicht erinnern: Waren die fußballerisch so gut, auch beidfüßig wie ich und so schnell?"

Eine Aussage, die das Selbstverständnis des Emre Can wohl perfekt verdeutlicht. Er habe sich bei Juventus und in Liverpool nicht allein wegen der "guten Mentalität behauptet", sagte er. Emre Can will also mehr sein als einer, der laut ist und bisweilen kräftig dazwischen haut.

Doch von Cans fußballerischer Qualität war beim BVB bislang nur selten etwas zu sehen - vielmehr untermauerte er sein Rüpel-Image.

Hauptfigur bei der BVB-Pleite von Lissabon

Hauptauslöser war die Rote Karte, die er sich im so wichtigen Champions-League-Duell bei Sporting abholte. Ja, Can wurde von seinem Lissaboner Gegenspieler eigentlich gefoult, doch seine ungestüme Reaktion ließ dem Schiedsrichter auch nur wenig Spielraum.

Kritiker erinnerten daran, dass dies nicht sein erster Platzverweis in der Königsklasse war. Schon im Achtelfinale gegen PSG im Vorjahr sah er die Ampelkarte. Auf Cans Konto gehen zudem noch die zwei verschuldeten Elfmeter in der letzten Saison gegen Manchester City und Sevilla. Einem Mann mit seiner Erfahrung wurde beim BVB mehr zugetraut.

Weiterer Image-Treiber war, dass sich Can nach seinem Fehltritt in Lissabon offenbar alles andere als kleinlaut gab. Als sich Trainer Marco Rose seine Mannschaft nach der Pleite vorknöpfte, fiel Can dem Fußballlehrer immer wieder ins Wort, berichtete "Sport Bild". Erst als Rose ihm mit dem Rausschmiss aus der Kabine drohte, habe sich Can gefügt.

Und so konstatierten auch die "Ruhr Nachrichten" längst, dass von der im Januar 2020 in Dortmund entfachten Euphorie rund um die Verpflichtung des Nationalspielers "nicht viel geblieben" ist.

Emre Cans schwierige Zeit beim BVB

Die Gründe, warum es in der laufenden Saison nicht nach Plan läuft, haben allerdings auch viel mit fehlender Spielpraxis zu tun. 

Gleich mehrere muskuläre Verletzungen führten dazu, dass Can bereits zwölf Pflichtspiele des BVB verpasste. Nur viermal spulte der Allrounder mehr als 45 Minuten ab. Sich so eine gute Form zu erarbeiten, war kaum möglich. Und wenn Can dann eingesetzt wurde, dann oftmals als Notnagel.

So fand sich der 27-Jährige aus Ermangelung an Alternativen mehrfach auf der ungeliebten linken Abwehrseite wieder.

In seiner Abwesenheit nahmen derweil andere Akteure im zentralen Mittelfeld das Heft in die Hand. Jude Bellingham ist trotz seines jungen Alters schon so etwas wie der Chef, Mahmoud Dahoud zeigte bis zu seiner Verletzung gute Entwicklung und auch Axel Witsel kämpfte sich nach langer Ausfallzeit zurück. In der Innenverteidigung, Cans bester Nebenrolle, stehen Manuel Akanji und Mats Hummels ganz oben in der Hierarchie.

Der Konkurrenzkampf beim BVB ist enorm, wenn alle Spieler fit sind.

BVB: Wichtiger Treffer von Emre Can in Wolfsburg

Abschreiben darf man Can aber noch nicht. Nach einer Aussprache mit Rose erhielt er im Spiel eins nach der Königsklassen-Klatsche das Startelfmandat für die Partie beim VfL Wolfsburg (3:1).

Prompt wusste Can im Mittelfeld zu überzeugen, übernahm zudem die Verantwortung, als der Strafstoß zum zwischenzeitlichen Ausgleich anstand. Sein Jubel - die Handflächen hinter die Ohren gelegt - ging anschließend vor allem an seine Kritiker.

 

Zusammen mit Dahoud, der für den verletzten Bellingham spielte, brachte Can zudem "Stabilität" ins Dortmunder Spiel, lobte Rose anschließend. "Beide sind nach ihren Verletzungen noch nicht wieder im Rhythmus. Man hat auch gesehen, dass noch etwas fehlt", bekannte Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl zwar gegenüber den "Ruhr Nachrichten", "aber beide waren sehr engagiert und lauffreudig".

Und so ist es doch vor allem wieder die Mentalität, die Can vor dem Gipfeltreffen gegen Tabellenführer FC Bayern am Samstag (18:30 Uhr) so wertvoll macht. Eben jene Qualität, die einst Spieler wie van Bommel und Effenberg auf den Platz brachten. "Irgendetwas haben wir bestimmt gemeinsam", musste auch Can in besagtem Interview zugeben.

Gerrit Kleiböhmer