06.10.2022 13:07 Uhr

Windhorst-Posse als Werbung für 50+1

Lars Windhorst hat kein Interesse mehr an Hertha BSC
Lars Windhorst hat kein Interesse mehr an Hertha BSC

Der millionenschwere Einstieg von Lars Windhorst bei Hertha BSC endet in einer Schlammschlacht. Der Fall belegt das riskante Geschäft mit Investoren - Verfechter der 50+1-Regel fühlen sich bestätigt.

Die Trennung ist beschlossen, die toxische Zweck-Ehe zwischen Hertha BSC und Lars Windhorst wird beendet - doch noch ist das große "Big City Chaos" in Berlin nicht ausgestanden. Es geht - worum auch sonst - ums Geld. Der Scherbenhaufen wiegt 374 Millionen Euro und ist ein teurer Beleg für den nächsten gescheiterten Versuch, im deutschen Profifußball über Investorenmittel zum schnellen Erfolg zu kommen. Die Blase ist geplatzt - und das nicht zum ersten Mal.

Windhorst bietet Hertha-Anteile zum Rückkauf an

Windhorst, der im Zuge der Spionage-Affäre um Ex-Präsident Werner Gegenbauer in Bedrängnis geraten ist, will nach dem Gesichtsverlust zumindest ohne finanzielles Minus aussteigen. Die Mehrheitsanteile in Höhe von 64,7 Prozent bot er Hertha über sein Unternehmen Tennor "zum damaligen Kaufpreis" zum Rückkauf an.

Der Klub müsste demnach eben jene 374 Millionen aufbringen und will Windhorst deshalb lieber bei der Suche nach einem (anderen) Käufer helfen. Ein notwendiger, schneller Abschied scheint unmöglich, zumal die finanzielle Bewertung der Anteile in dieser Höhe kaum haltbar sein dürfte. Derweil ist die großspurige Vision von der Champions League und Hertha BSC als großer Nummer im europäischen Fußball längst vergessen.

Hertha, das sich sportlich zumindest in der Bundesliga stabilisiert, ist also mal wieder mit sich selbst beschäftigt. Externe Beobachter fühlen sich in ihrer Einschätzung bestätigt - und sehen den Fall Windhorst als Beleg für die Bedeutung der 50+1-Regel.

"Wenn ich Vorgänge wie gerade bei Hertha BSC erlebe, bestärkt mich das noch einmal mehr in meiner Meinung. Ich bin dafür, dass die Regel beibehalten wird", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke der Sport Bild. Bei den BVB-Mitgliedern sei die 50+1-Regel eine "Glaubensfrage, wir als Klub wollen es allerdings auch", sagte Watzke, der auch als DFL-Aufsichtsratschef tätig ist.

Noch steht eine Mehrheit der deutschen Profiklubs hinter besagter Regel, nach der der Mutterverein immer die Stimmenmehrheit halten muss, um den Einfluss von Investoren zu begrenzen. Diskussionen über eine Anpassung oder gar Abschaffung gibt es aber ständig.

Die Meinungen gehen teils weit auseinander. Für Bayern Münchens Vorstandsboss Oliver Kahn sind Investoren "nicht per se schlecht", auch halte er nichts von einer "Ideologisierung der ganzen Thematik". DFB-Präsident Bernd Neuendorf warnt dagegen deutlich vor einer Abschaffung. Ein rein kapitalgetriebenes Event würde die Bundesliga "zu einem Spielball der Investoren machen", sagte er. Dies sei weder "wünschenswert noch vermittelbar".

Göttlich prangert "Systemsprenger" an

Denn viel zu oft scheitern Investoren-Projekte. Der jordanische Geschäftsmann Hasan Ismaik wollte mit 1860 München dem FC Bayern Konkurrenz machen - und landete in der 3. Liga. Martin Kind streitet sich inzwischen vor Gericht mit Hannover 96. Bei Zweitliga-Spitzenreiter Hamburger SV könnte nach dem Rücktritt des Finanzvorstands Thomas Wüstefeld erneut die Stunde des Milliardärs Klaus-Michael Kühne schlagen.

Das Kartellamt beobachtet all diese Entwicklungen mit Argusaugen. Schließlich hat die Behörde 50+1 zwar abgesegnet, die Ausnahmen für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim oder teilweise auch RB Leipzig sieht die Behörde aber kritisch - genau wie zahlreiche Verantwortliche anderer Klubs.

Die Auseinandersetzung rund um eine Wettbewerbsverzerrung durch die "Systemsprenger" (Präsident Oke Göttlich vom FC St. Pauli) schwelt weiter - genau wie die um andere Geldgeber. "Es ist noch nicht bewiesen", sagte Göttlich dem "kicker", "dass Investoren dem Fußball bisher zuträglich gewesen sind."

Mit Blick auf die Hertha scheint er damit Recht zu haben.