11.09.2004 18:30 Uhr

Platz eins macht Sammer keine Freude - HSV im Keller

Stuttgart (dpa) - Der VfB Stuttgart steht ganz oben, doch sein Trainer will ihn dort gar nicht sehen. «Ganz ehrlich, Platz zwei wäre mir viel, viel lieber», kommentierte Matthias Sammer die Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga.

Beim 2:0 (1:0) gegen den Hamburger SV hatte er zu viel gesehen, was einer Spitzenmannschaft nicht gut zu Gesicht steht. «Wir haben in der zweiten Halbzeit sehr schlecht nach hinten umgeschaltet und die Drecksarbeit in der Defensive nicht gemacht. Das muss ich klar kritisieren», sagte Sammer nach der nur vom Ergebnis her gelungenen Generalprobe für das UEFA-Cup-Spiel bei Ujpest Budapest.

Während Stuttgarter Nachlässigkeiten nicht bestraft wurden und der VfB im vierten Bundesliga-Spiel erstmals ohne Gegentor blieb, war HSV-Coach Klaus Toppmöller wegen des schlechten Abwehrverhaltens seines Teams richtig bedient. «So bestraft man sich als Mannschaft selber. Ich könnte als Trainer vor Wut heulen, hier nicht gewonnen zu haben», sagte Toppmöller, und spielte damit auf die 16. Minute an, als Silvio Meißner völlig ungedeckt zum Stuttgarter 1:0 einköpfte. Imre Szabics (90.+1) verwertete einen Konter zum 2:0.

Nach der dritten Niederlage im vierten Spiel steht das Bundesliga-Gründungsmitglied weiter im Tabellenkeller und Toppmöller nach wie vor in der Diskussion. «Nur Erfolg oder Punkte zählen in diesem knallharten Trainerjob», weiß auch der 53-Jährige, sieht seine Mannschaft aber trotzdem auf einem «guten Weg» und hofft, «dass das die Vereinsverantwortlichen auch so sehen».

Auch wenn Toppmöller gerade nach seiner Kritik an der Hamburger Transferpolitik weiter unter Druck steht, stärkt Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer seinem Trainer in der Öffentlichkeit zumindest vorläufig den Rücken: «Es ist ein Prozess, bis sich alles gefunden hat. Ich sehe keinen Anlass über den Trainer zu sprechen.»

Unumstritten, nicht nur wegen der neuerlichen Tabellenführung, ist Sammer bei den Schwaben. Doch der Cheftrainer sieht sich noch immer als Lehrling. «Für mich ist das nach wie vor noch ein Kennenlernen, was die Mannschaft betrifft», sagte der 37-Jährige und meinte damit auch die Reaktion seines Teams, das die Auswechslung des offensiv orientierten Horst Heldt für den Defensivspieler Jurica Vranjes als Sicherheitsvariante verstehen musste. «Im Nachhinein muss ich sagen: Das war ein Scheißsignal», sparte Sammer nicht mit Selbstkritik.

Doch statt in alte «Motzki»-Verhaltensweisen zu verfallen, differenzierte Sammer und kritisierte nur die Nachlässigkeiten, die auch den 45 000 Zuschauern nicht gefallen haben konnten. Wichtig war für ihn «endlich einmal zu Null gespielt zu haben», die Tabellenführung sei nur eine Momentaufnahme.

Damit wird es aber schwieriger, das zu tun, was Sammer am liebsten ist: «Weiter in Ruhe zu arbeiten. Erst in drei bis vier Wochen wissen wir, wo die Mannschaft steht.» Dass Kevin Kuranyi nach neun Toren in den vergangenen vier Pflichtspielen beim Konter zum 2:0 in der Nachspielzeit den Ball uneigennützig zu seinem Stürmerkollegen Szabics rüberschob, nötigte Sammer ein großes Lob ab: «Das finde ich richtig gut.»