18.07.2018 15:48 Uhr

Werder im Check: Gefährlicher Mut zur Lücke

Martin Harnik und Max Kruse sind beim SV Werder wiedervereint
Martin Harnik und Max Kruse sind beim SV Werder wiedervereint

Beim Fußball-Bundesligisten Werder Bremen herrscht Aufbruchstimmung. Die Hanseaten wollen den Trend der vergangenen Rückrunde in der neuen Saison bestätigen. Große Hoffnungen ruhen auf Trainer Florian Kohfeldt, der die Grün-Weißen wieder auf Kurs gebracht hat. Gänzlich sorglos ist man an der Weser aber nicht.

Im Augenblick bereiten sich die Norddeutschen im Zillertal auf die neue Spielzeit vor. Drei Neuzugänge mischen bereits mit: Angreifer Martin Harnik (Hannover 96), Offensiv-Allrounder Kevin Möhwald (1. FC Nürnberg) und Rechtsverteidiger Felix Beijmo (Djurgardens IF) schuften im Trainingslager für einen Stammplatz. WM-Teilnehmer Yuya Osako (1. FC Köln) stößt in Kürze dazu.

Viele neue Optionen für Kohfeldt, der den SV Werder in der Rückserie von einem Abstiegsplatz auf Rang elf geführt hatte. Nun soll der nächste Schritt folgen und die obere Tabellenhälfte anvisiert werden. Bevor Max Kruse und Co. zu neuen Ufern aufbrechen können, müssen die Strippenzieher im Hintergrund zunächst noch an einigen Stellschrauben drehen. weltfussball wirft einen Blick auf die Bremer Baustellen.

  • Die Lücke im Zentrum

Zlatko Junuzovic? Hat sich nach Österreich verabschiedet. Thomas Delaney? Für 20 Millionen Euro nach Dortmund gewechselt. Gleich zwei erfahrene Mittelfeldspieler haben den SV Werder in diesem Sommer verlassen. Plötzlich klafft im Herzstück der Bremer eine Lücke, die durch den plötzlichen Abgang von Allrounder Jerôme Gondorf zusätzlich vergrößert wurde.

Da Zweikampfmonster Philipp Bargfrede und Laufwunder Maximilian Eggestein gesetzt sind, ist nominell nur eine Position in der Stammformation vakant. Doch was, wenn eines der Eigengewächse längere Zeit ausfällt?

Manager Frank Baumann kündigte bereits Anfang Juni an, "noch zwei neue Spieler fürs Mittelfeld dazuholen" zu wollen. Passiert ist seither nichts.

Laut "Bild" stehen rund zehn Millionen Euro zur Verfügung, um frische Kräfte für die Zentrale an die Weser zu locken.

Die Zeit drängt: Das erste Trainingslager im Zillertal haben die Neuen schon verpasst, bis zum zweiten Vorbereitungscamp in Grassau am Chiemsee (4.-10. August) bleiben nur noch zwei Wochen. Dort steht das Finetuning im Fokus, Systeme und Spielzüge sollen eingeübt und perfektioniert werden.

Sollten die Hanseaten bis dahin noch nicht auf dem Transfermarkt zugeschlagen haben, droht späteren Neuzugängen ein schwieriger Start. Automatismen erfordern Zeit und Geduld, doch im laufenden Spielbetrieb ist beides begrenzt.

  • Die gegnerische Lufthoheit

Coach Kohfeldt wird nicht müde zu betonen, dass er von seinem Team vor allem "spielerische Lösungen" auf dem Platz erwartet. Mauertaktik und Langer Hafer sind dem 35-Jährigen zuwider.

Neuerdings finden man im Aufgebot der Werderaner kaum noch Spieler, die mit ihrer Physis punkten. Einzig Stammkeeper Jiri Pavlenka und Ersatzverteidiger Sebastian Langkamp knacken die 1,90-Meter-Marke.

Freilich hat mit Ishak Belfodil (1,91 m) nur ein großgewachsener Akteur den Klub verlassen, doch auch mit dem Franko-Algerier hatten die Bremer in der Luft - vor allem nach gegnerischen Standards - ihre Probleme.

Manager Baumann wiegelt via "Bild" ab: "Flanken und das Kopfballspiel haben nicht mehr die ganz große Bedeutung." Doch die WM in Russland hat gerade erst gezeigt, wie wichtig Standardsituationen sein können - speziell für fußballerisch limitierte, aber gut organisierte Mannschaften, die in der Bundesliga keine Seltenheit sind.

  • Das Dilemma mit den Chancenlosen

Bis heute kämpfen die Bremer mit den Altlasten des Transfersommers 2016, als zwei Manager (Thomas Eichin, Frank Baumann) und zwei Trainer (Viktor Skripnik, Alexander Nouri) für ständige Kursänderungen sorgten. Ein Dutzend Neuzugänge schlug damals an der Weser auf, die Hälfte floppte.

Zwei Jahre später stehen die chancenlosen Fallou Diagne, Thanos Petsos und Lennart Thy immer noch bei Werder unter Vertrag und belasten den Lizenzspieleretat. Hinzu kommt Luca Caldirola, der ebenfalls aussortiert wurde.

Obwohl keiner der Geschassten eine nennenswerte Ablöse einbringen dürfte, würden die eingesparten Gehälter wertvollen Handlungsspielraum schaffen. Problem: Die Interessenten stehen nicht gerade Schlange.

Heiko Lütkehus