30.10.2018 10:35 Uhr

So schwierig ist die Situation der FCB-Talente

Lukas Mai gab im April sein Profi-Debüt beim FC Bayern
Lukas Mai gab im April sein Profi-Debüt beim FC Bayern

Im Frühjahr stattete der FC Bayern München einige vielversprechende Talente aus der eigenen Jugend mit Profi-Verträgen aus. Von einer Nachwuchs-Offensive ist beim deutschen Fußball-Rekordmeister allerdings nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die vermeintlichen Hoffnungsträger bekommen keinerlei Spielpraxis.

Als Lukas Mai das erste Mal Bundesligaluft bei den Profis des FC Bayern München schnupperte, überzeugte der Innenverteidiger auf Anhieb.

Beim 3:0-Auswärtssieg gegen Hannover 96 im April, wenige Tage vor dem wichtigen Champions-League-Duell mit Real Madrid, machte Jupp Heynckes aus der Personalnot in der Abwehr eine Tugend. Der damalige Chef-Trainer der Münchner beorderte den erst 18-jährigen Mai in die Startelf. Der Youngster spielte durch und wurde im Anschluss mit Komplimenten nahezu überschüttet.

"Er hat das richtig gut gemacht", befand Niklas Süle, selbst einer der besten jungen Spieler weltweit auf der Position im Abwehrzentrum, der junge Teamkollege sei ein "Top-Talent". Auch Heynckes lobte den Debütanten: "Natürlich darf er Fehler machen, aber er hat keine gemacht."

Eine Woche später beim 4:1 gegen Eintracht Frankfurt durfte Mai noch einmal ran, wieder von Beginn an und über die gesamten 90 Minuten.

Kurz zuvor hatte der 2014 von Dynamo Dresden gekommene Youngster einen Profivertrag bis 2021 unterschrieben.

"Wir sind sehr froh, mit Lukas Mai einen hochtalentierten Spieler an uns gebunden zu haben", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Man habe "großes Vertrauen in seine Fähigkeiten".

Lukas Mai bekommt beim FC Bayern keine Einsatzzeit mehr

Der Hamburger SV, damals angeblich kurz vor der Einigung mit Mai, ging leer aus. Der 1,90-Meter-Bubi schien auf bestem Wege, regelmäßig Spielzeit im Münchner Star-Ensemble zu bekommen.

Doch weit gefehlt: Im letzten knappen halben Jahr stand Mai keine einzige Minute mehr in der Bundesliga auf dem Platz. Ein Teilriss des Innenbandes im Knie stoppte ihn in der Sommer-Vorbereitung.

Mais Betätigungsfeld seit der Ausheilung der Verletzung ist das Regionalliga-Team der Bayern. Zudem kam er in der Youth League zum Einsatz.

Auch Meritan Shabani und Co. beim FC Bayern ohne Einsatz in dieser Saison

Sein Schicksal teilt Mai mit drei weiteren jungen Spielern, die seit dem Frühjahr Profi-Verträge besitzen, aktuell aber offensichtlich keinerlei Chancen auf Spielpraxis bei den "Großen" haben.

  • Meritan Shabani durfte das durch die WM ausgedünnte Bayern-Aufgebot auf die USA-Reise begleiten. Der gebürtige Münchner wurde 2015 direkt von der U16 in die U19 befördert, gewann 2017 die deutsche A-Jugend-Meisterschaft. Als "großes Talent" wurde der offensive Mittelfeldspieler mit kosovarischen Wurzeln von Heynckes bei seinem Bundesligadebüt gegen Frankfurt im Frühjahr bezeichnet. Er ist bis 2020 an den FC Bayern gebunden.
  • Ein Jahr länger läuft der Kontrakt von Ron-Thorben Hoffmann, ehemaliger Torhüter der U19. Er kommt aktuell in der Regionalliga Bayern sowie der Youth League zum Einsatz. In der Torhüter-Rangfolge des Bundesliga-Teams ist der frühere Leipziger die Nummer vier.
  • Franck Evina (ebenfalls Vertrag bis 2021) debütierte wie Shabani gegen Frankfurt. Der Flügelstürmer machte dabei mit mutiger Spielweise und einigen starken Eins-gegen-Eins-Duellen auf sich aufmerksam. Evina sei ein "super Junge, hat Potenzial", schwärmte Salihamidzic damals.

Dass Niko Kovac nach seinem Amtsantritt das Ziel ausrief, "dass wir wieder eigene Jungs hochbekommen", klingt angesichts der dürftigen Einsatzbilanz des Quartetts wie eine leere Phrase.

Einst ebenfalls hochgehandelte Junioren aus dem eigenen Stall wie Manuel Wintzheimer (jetzt Hamburger SV), Fabian Benko (Linzer ASK), Niklas Dorsch (1. FC Heidenheim) oder Mario Götzes Bruder Felix (FC Augsburg) kehrten München im Sommer mangels Perspektive den Rücken.

BVB als Vorbild für den FC Bayern?

Während bei Tabellenführer Borussia Dortmund blutjunge Akteure wie Jadon Sancho (18), Dan-Axel Zagadou oder Achraf Hakimi (beide 19) längst zum (erweiterten) Stammpersonal zählen, bleibt der FC Bayern trotz des kleinen und mittlerweile in die Jahre gekommenen Kaders ein schwieriges Pflaster für Nachwuchsspieler.

27,5 Jahre alt sind die 20 in dieser Saison in der Bundesliga eingesetzten Bayern-Profis im Schnitt. So alt ist kein anderes Team im Oberhaus.

Den Schnitt erheblich senken könnte zukünftig das kanadische Super-Talent Alphonso Davies. Für elf Millionen Euro sicherten sich die Bayern die Dienste des 17 Jahre alten Flügelstürmers.

Schon im November und nicht erst wie zunächst vermutet Anfang 2019 wird Davies nach München kommen. Er ist fest im Profi-Team eingeplant. "Wenn man so viel Geld für einen jungen Spieler ausgibt, parkt man ihn nicht bei der zweiten Mannschaft", sagte Kovac.

Ob ein möglicher Durchbruch des millionenschweren Neuzugangs auch ein Türöffner für Mai, Shabani und Co. sein kann, muss dann die Zeit zeigen.

Ein Fingerzeig könnte die Partie im DFB-Pokal gegen den SV Rödinghausen am Dienstag sein. Mit Paul Will (19), dem Südkoreaner Woo-Yeong Jeong (19), Ersatzkeeper Christian Früchtl (18) und Shabani berief Kovac ein Nachwuchsquartett in den 18er-Kader. Allerdings zwingen wohl lediglich die großen Personalsorgen Kovac zu diesem Schritt, die Partie bei einem Regionalligisten versprüht zudem nicht den ganz großen Flair.

Tobias Knoop