12.03.2021 15:33 Uhr

Schalkes brisanter Tanz auf der Rasierklinge

Malick Thiaw (l.) gehört zu den Hoffnungsträgern beim FC Schalke 04, Amine Harit zu den Wechsel-Kandidaten
Malick Thiaw (l.) gehört zu den Hoffnungsträgern beim FC Schalke 04, Amine Harit zu den Wechsel-Kandidaten

Nicht einmal mehr die kühnsten Optimisten glauben an den Klassenerhalt des FC Schalke 04. Auch die Verantwortlichen verschließen die Augen vor dem (wohl) Unvermeidlichen längst nicht mehr. Der Saisonendspurt droht dennoch zum Tanz auf der königsblauen Rasierklinge zu werden. Hintergrund ist Schalkes prekäre Finanzlage.

Dass der FC Schalke 04 in der Zwickmühle steckt, offenbarten unlängst Kommentare von Interimssportchef Peter Knäbel.

Selbst wenn der Abstieg in Bälde unter Dach und Fach sein würde, gebe es auf Schalke "keine wertlose Zeit", betonte Knäbel gegenüber "Sport1". Der "Hauptschwerpunkt" liege derzeit auf der "Planung für die zweite Liga", daher wolle man im Bundesliga-Endspurt vermehrt den jungen Talenten aus der Knappenschmiede die Möglichkeit geben, sich zu beweisen.

Ein nachvollziehbarer, beinahe alternativloser Vorsatz, das belegt ein Blick auf den Kader des Ruhrgebiet-Klubs: Zwölf Profiverträge enden im Sommer, nur wenige dürften sich für einen Verbleib, den damit verbundenen Gang ins Unterhaus und wohl deutlich weniger Gehalt entscheiden. Die Kontrakte von Salif Sané, Matija Nastasic, Omar Mascarell, Benjamin Stambouli, Amine Harit, Benito Raman oder Mark Uth endet zwar nicht nach der Saison, eine königsblaue Zukunft dürften dennoch nur wenige der Stars haben: Zu schwer wiegt ihr Gehalt, zu unattraktiv ist die Knochenmühle 2. Bundesliga.

Talente sammeln bereits Erfahrung beim FC Schalke 04

Neben Ur-Schalker Ralf Fährmann, Routinier Bastian Oczipka sowie Offensiv-Senkrechtstarter Matthew Hoppe dürften ab dem Sommer Eigengewächse somit das Gerüst des Schalker Kaders bilden. Mit Malick Thiaw, Timo Becker, Kerim Calhanoglu, Can Bozdogan, Nassim Boujellab, Levent Mercan und Luca Schuler sammelten im Saisonverlauf bereits massig Talente Erfahrungen bei den Profis. Werden Knäbels Worte mit Taten untermauert, dürften weitere Partien hinzukommen. 

Der Lösungsansatz der tiefgreifenden Schalker Probleme liegt also scheinbar auf der Hand: Die hochbezahlten Lustlos-Stars müssen in den letzten Spielen dem eigenen Nachwuchs weichen. Das junge, hoffentlich hungrige Personal kann in dieser Zeit das System von Neu-Trainer Dimitrios Grammozis adaptieren, die Herzen der leidgeprüften Anhängerschaft zurückerobern und dann im kommenden Jahr mit Gier, Hunger, Lust und rosigen Aussichten das Projekt Wiederaufstieg in Angriff nehmen.

Ein Szenario, das sich viele Fans wünschen dürften. Ein Szenario, das natürlich auch Gefahren birgt. Ein Szenario, das mit der Realität wenig zu tun haben dürfte.

FC Schalke 04 benötigt Fingerspitzengefühl

Denn bei allem Wunschdenken kann, darf und wird der FC Schalke 04 einen weiteren wichtigen Aspekt nicht ignorieren: das liebe Geld.

Die 2. Bundesliga vor der Brust, abwanderungswillige Profis sowie das Wissen der Konkurrenz um klamme Kassen im Gepäck wird man auf Schalke ohnehin nicht die besten Argumente vorweisen können, wenn es darum geht, den ein oder anderen Profi noch zu Geld zu machen.

Bleibt den Stars, die vermeintlich im Schaufenster stehen, in den letzten Spielen auch noch die Chance verwehrt, Eigenwerbung zu betreiben, dürfte dies die Verhandlungsposition noch einmal schwächen.

Dass statt sturem Jugendwahn eher eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl gefragt ist, ist allerdings auch Knäbel bewusst. Am Ende gehe "es auch um den Marktwert von jedem. Daher erwarte ich eine Top-Einstellung in jedem Spiel", nahm der 54-Jährige auch die Etablierten in die Pflicht.

FC Schalke 04: Peter Knäbel will "aus Fehlern lernen"

Gelingt es Knäbel und Co. allerdings die richtige Mischung zu finden, erscheint der Plan für das Worst-Case-Szenario Abstieg durchaus solide: Die Hoffnung ruht auf der Knappenschmiede, der der Verein bekanntlich schon einige große Fußballer zu verdanken hat.

Das Gros der teuren Stars wird wohl einem Umbruch geopfert und ein Teil der erwarteten Einnahmen Knäbel zufolge in Spieler investiert, "die die zweite Liga auch annehmen, die aber dennoch vielleicht ein Stückchen besser sind. Die die Härte haben, im Verlauf einer harten Zweitligasaison oben dabei zu bleiben".

So oder so wolle man "aus den Fehlern lernen, die andere Traditionsvereine gemacht haben". Es wäre ein guter Zeitpunkt schnell damit zu beginnen.

Marc Affeldt