08.11.2023 14:42 Uhr

Ist der FC Bayern ohne Kimmich wirklich besser?

Joshua Kimmichs Rolle beim FC Bayern ist umstritten
Joshua Kimmichs Rolle beim FC Bayern ist umstritten

In Abwesenheit des gesperrten Joshua Kimmich überzeugte das Duo Leon Goretzka/Konrad Laimer im Mittelfeld des FC Bayern beim 4:0-Erfolg bei Borussia Dortmund. Daraufhin entbrannte eine Debatte um die Besetzung der Münchner Schaltzentrale, in der Kimmichs bisherige Platzhirsch-Rolle in Frage gestellt wurde. Zu Recht? Ein Blick in die Statistiken gibt Aufschluss.

Mario Basler hat sich in den vergangenen Monaten als Chefkritiker von Joshua Kimmich einen Namen gemacht. Nach Bayerns jüngster Machtdemonstration gegen Borussia Dortmund knöpfte er sich den 28-Jährigen mal wieder vor - dabei hatte dieser nach seiner Roten Karte gegen Darmstadt 98 gar nicht mitspielen dürfen.

"Kimmich war immer unangefochten, immer unantastbar. Man sollte sich das mal überlegen, dass das in Zukunft vorbei ist", gab Basler in seinem Podcast zu bedenken. Mehr noch: "Ich hab's immer gesagt, neben Kimmich kann nur jeder schlecht aussehen. Das bewahrheitet sich."

Tatsächlich hatten der gesetzte Leon Goretzka und Sommer-Neuzugang Konrad Laimer im Bundesliga-Klassiker als Doppelsechs geglänzt, woraufhin neben Basler noch weitere Ex-Profis wie Lothar Matthäus und Dietmar Hamann Abgesänge auf Kimmich anstimmten.

Zugleich erhielt Kimmich, der seit seiner zunächst verweigerten Corona-Impfung in Deutschland sukzessive an Ansehen verloren hat, auch Rückendeckung.

Als Thomas Tuchel vor dem Champions-League-Heimspiel gegen Galatasaray (Mittwoch, ab 21:00 Uhr im LIVE-Ticker) gefragt wurde, ob der FC Bayern ohne Kimmich nicht besser dran sei, entgegnete der Trainer: "Er ist absoluter Stammspieler und Fixpunkt in unserer Mannschaft. In meinen Planungen wird er spielen." Ob im defensiven Mittelfeld oder auf der rechten Abwehrseite, ließ er offen.

Joshua Kimmichs Rolle beim FC Bayern ein Reizthema

Fakt ist: An Kimmich scheiden sich die Geister. So wichtig der Nationalspieler für den FC Bayern als kreativer Impulsgeber ist, so oft entblößt er auch den neuralgischen Sechserraum, für den Tuchel bekanntermaßen so gerne eine neue "Holding Six" gehabt hätte. In dieser Rolle sieht der Übungsleiter Kimmich wiederum nicht.

Der offensichtliche Versuch des ehemaligen Leipzigers, auf dem Rasen omnipräsent zu sein, wird ihm von seinen Kritikern immer wieder zum Vorwurf gemacht. Sein Blackout gegen Darmstadt, als er als letzter Mann den Ball vertändelte und sich in der Folge zur Notbremse gezwungen sah, bestätigte Basler und Co. nur.

Kimmichs Teamkollegen beurteilen die Lage erwartungsgemäß anders. "Wenn ich mir eine Mannschaft aussuchen kann und Joshua zur Verfügung steht, will ich immer mit ihm spielen", erklärte Manuel Neuer auf einer Pressekonferenz am Dienstag.

Ein Blick in die Statistik verrät, dass Kimmichs Einfluss auf den Erfolg der Mannschaft in der Tat größer ist, als es böse Zungen behaupten.

FC Bayern: Joshua Kimmich liefert positive Zahlen

Kimmich, dessen Zukunft beim deutschen Rekordmeister über 2025 hinaus noch nicht geklärt ist, weist nämlich durchaus positive Zahlen auf. Sieben der neun Bundesliga-Begegnungen bis zu seiner Sperre gewann der FC Bayern, dabei lieferte der Antreiber drei Vorlagen. Auch die drei bisherigen Königsklassen-Gruppenspiele mit dem gebürtigen Rottweiler in der Startelf endeten mit Siegen.

So weit, so gut. Die Zweifler zielen jedoch auf andere angebliche Schwachstellen bei Kimmich ab: Seine Standards, sein Positionsspiel, seine Torgefahr.

Basler behauptete nach Bayerns Gala in Dortmund, einen Eckball wie Leroy Sanés vor dem Führungstor von Kimmich "seit Monaten nicht gesehen" zu haben.

Zur Wahrheit gehört allerdings, dass seit Beginn der Datenerfassung vor 31 Jahren kein Bundesliga-Profi mehr Tore durch Ecken vorbereitet hat als Kimmich, nämlich 38. Alleine sieben davon stammen aus der Vorsaison (bei 204 Versuchen), womit ungefähr jeder 29. Versuch zum Erfolg führte - kein Spieler war ligaweit effektiver.

Auch die Laufleistung des DFB-Stars kann sich sehen lassen, teamintern hat nur Alphonso Davies bis hierhin mehr Kilometer abgerissen. 2022/2023 führte Kimmich das Ranking gar an.

Plus: In der aktuellen Spielzeit war Kimmich hinter Leroy Sané, Harry Kane und Kingsley Coman an den viertmeisten Chancen beteiligt. Zumindest offensiv dürfte sein Wert für die Mannschaft damit unbestritten sein.

Joshua Kimmich: Eigenwerbung in der Königsklasse?

Sind die Skeptiker also mit all ihren Einwänden im Unrecht? Sicher nicht. Dass sich Kimmich auf dem Rasen zuweilen zu viele Aufgaben zur selben Zeit auferlegt, ist kaum zu übersehen. Ihm seine Eignung für die Stammformation abzusprechen, geht indes zu weit.

Während er in der Bundesliga noch einmal zum Zuschauen verdammt ist, kann Kimmich gegen Galatasaray Werbung in eigener Sache machen und seinen Teil dazu beitragen, dass sich das öffentliche Bild von ihm zum Besseren wandelt.

Auch wenn Mario Basler in diesem Leben wohl kein Kimmich-Fan mehr wird.

Heiko Lütkehus