20.12.2023 16:54 Uhr

Die brisanteste Wahrheit der BVB-Saison

Die BVB-Abwehr weist alles andere als eine gute Statistik auf
Die BVB-Abwehr weist alles andere als eine gute Statistik auf

Die Defensive von Borussia Dortmund ist herausragend besetzt. Daran gibt es zumindest auf dem Papier keine Zweifel. Doch die wohl brisanteste Wahrheit der BVB-Saison spricht allerdings eine ganz andere Sprache.

Mit Mats Hummels, Nico Schlotterbeck und Niklas Süle verfügt der Kader von Borussia Dortmund gleich über drei Hochkaräter, die das Herzstück der BVB-Abwehr bilden können. Davor tummelt sich mit Kapitän Emre Can ein beinharter Abräumer und mit Ramy Bensebaini holte man im Sommer einen ausgesprochen zweikampfstarken Außenverteidiger.

Dass im Gegenzug mit Jude Bellingham der Dreh- und Angelpunkt des Dortmunder Spiels zu (sehr viel) Geld gemacht wurde und man mit Raphael Guerreiro den wohl torgefährlichsten defensiven Flügelspieler der Liga ziehen ließ, weckte zwar bereits im Vorfeld der laufenden Spielzeit Zweifel an den spielerischen Fähigkeiten der Borussen, um die defensive Stabilität machte sich im schwarz-gelben Umfeld aber wohl kaum jemand Sorgen - eine fatale Fehleinschätzung. 

Beim enttäuschenden 1:1 gegen Kellerkind 1. FSV Mainz 05 kassierte der BVB am Dienstag in der Liga bereits sein 25. Gegentor - eine Ausbeute, die beinahe historisch schlecht ist. 

BVB so schlecht wie vor 16 Jahren

Letztmals stand der Klub 2007/08, also vor 16 Jahren, zum selben Zeitpunkt der Saison schlechter da. Damals hatte die Abwehr um die Altstars Christian Wörns und Robert Kovac sowie Martin Amedick, Markus Brzenska, Antonio Rukavina und dem blutjungen Hummels 26 Gegentreffer kassiert - die Saison beendete man übrigens im tristen Mittelfeld der Tabelle.

Ansonsten präsentierte man sich selbst in der sportlich eher enttäuschenden Spielzeit 2016/17 oder der Horrorrunde 2014/15 defensiv stabiler. 

Umso erschreckender liest sich dieser Umstand, wenn man bedenkt, dass der BVB 2023/24 mit Gregor Kobel fraglos einen herausragenden Keeper (bester kicker-Notenschnitt aller Torhüter) in seinen Reihen hat und man auch ansonsten selten das Gefühl vermittelt bekommt, die Abwehr sei die Achillessehne der Dortmunder. 

Hummels hat sich mit teils bärenstarken Leistungen wieder zurück ins DFB-Team gekämpft und vom Aussortierten zu einem echten Anwärter auf einen Platz im EM-Kader gemausert. Niklas Süle sorgte unlängst mit der Grätsche des Jahrhunderts für Aufsehen und Schlotterbecks 65,89 Prozent gewonnenen Zweikämpfen bedeuten ligaweit einen der besten Werte.

BVB-Star nimmt Vorderleute in die Pflicht

Zur Wahrheit gehören allerdings auch zahlreiche individuelle Fehler und die Tatsache, dass die Defensive, vor allem dann, wenn es dem BVB nicht gelingt, sein Spiel aufzuziehen, zu häufig von den Vorderleuten im Stich gelassen wird.

"Das Grundprinzip" sei, "dass die Verteidigung nicht erst in der Abwehr beginnt", prangerte Schlotterbeck unlängst offen an und nahm explizit das gesamte Team in die Pflicht: "Da müssen wir uns alle hinterfragen. Ob das die Abwehrspieler sind – oder andere Spieler."

Wirklich zu denken geben, sollte der Dortmunder Führungsetage allerdings, dass eben jenes bedingungslose Füreinander ackern in der Champions League offenbar gelingt. Dass sich der BVB in der "Todesgruppe" mit Paris Saint-Germain, AC Mailand und Newcastle United als Gruppenerster durchgesetzt hat, ist das eine, dass man gegen die mit Weltstars gespickten Offensivreihen nur vier Gegentore (zweitbester Wert aller Teams) eingeschenkt bekommen hat, das andere. 

Warum mangelt es im Ligaalltag scheinbar an Bereitschaft und Wille? Diese Frage drängt sich auf und wirft natürlich auch kein gutes Licht auf Coach Edin Terzic, dem die brisante Defensivstatistik letztlich sogar den Job kosten könnte.

Marc Affeldt