07.03.2024 12:26 Uhr

Kavka exklusiv: "Matthäus ist ein streitbarer Charakter"

Markus Kavka ist glühender Fan des FC Bayern - sein neuer Podcast ist Lothar Matthäus gewidmet
Markus Kavka ist glühender Fan des FC Bayern - sein neuer Podcast ist Lothar Matthäus gewidmet

Lothar Matthäus ist Welt- und Europameister, deutscher Rekord-Nationalspieler - und seit Kindheitstagen ein Idol von Markus Kavka. Der hat Matthäus' Karriere als glühender Anhänger des FC Bayern über Jahrzehnte verfolgt. Heute hat der Host der zweiten Staffel von "11 Leben" einen deutlich distanzierteren Blick auf das Fußballgeschäft und die Rolle seines ehemaligen Lieblings. Pünktlich zur Veröffentlichung des Podcasts am 6. März hat sich sport.de mit Kavka zum Interview getroffen.

Markus, Du bist einer der bekanntesten Musik-Journalisten und TV-Moderatoren Deutschlands, im Fußballbereich hätte dich manch ein Leser aber wohl nicht erwartet. Zu Unrecht, oder? 

Fußball gab es in meinem Leben schon vor der Musik. Ich habe angefangen im Dorf, Manching bei Ingolstadt, wo ich wie alle Kids Fußball gespielt habe, auch im Verein. 1974 hat mich mein Papa, selbst großer Bayern-Fan, zum ersten Mal mit ins Olympiastadion genommen. Es war das Spiel gegen den 1. FC Köln, als sie nach einer halben Stunde 1:3 hinten lagen und am Ende noch 6:3 gewonnen haben. Das war meine erste Berührung mit dem FC Bayern. Seit ich sieben bin, bin in Fan – und deswegen ist mir natürlich auch mal Lothar Matthäus untergekommen. Wobei mir der schon aufgefallen ist, bevor er bei Bayern gespielt hat. Bei Gladbach habe ich gesehen, wie gut er war. Ich habe dann erfahren, dass er aus Mittelfranken kommt und hatte immer einen ganz besonderen Draht zu ihm. Ich war total aus dem Häuschen, als er dann zu Bayern gekommen und auch sofort voll eingeschlagen ist.

Auch als ich bei VIVA und MTV war, hat mich der Fußball immer begleitet. Bis heute sind Musik und Fußball absolut gleichrangig nebeneinander meine beiden größten Leidenschaften. Ein kleines Highlight war für mich, als ich für ein paar Jahre bei RTL NITRO mit Steffen Freund die EM- und WM-Qualifikation moderieren durfte. Das war ein totaler Traum.

Du sagst selbst, dass Lothar Matthäus seit deiner Jugend ein Idol ist. Auch deshalb bringst Du den Podcast an den Start. Was fasziniert dich an ihm? Hast Du ihn auch persönlich gesprochen?

Ich habe ihn einmal getroffen, als ich bei Sky90 eingeladen war. Da war ich ganz schön aufgeregt, ihn endlich mal persönlich zu treffen. Als Musikjournalist habe ich mittlerweile alle und jeden interviewt, auch meine großen Idole. Aber wenn ich Fußballer treffe, die ich verehre, ist das nochmal eine ganz andere Hausnummer. Du könntest mir Madonna auf den Bauch binden und ich würde nicht so ausflippen. Wenn ich vor jemandem wie Lothar Matthäus stehe, habe ich aber schnell einen Puls von 180. Lothar war supernett und verbindlich, kollegial und kein bisschen abgehoben. Das hat mich sehr gefreut.

Wir müssen nicht darüber reden, dass er einer der besten Fußballer ist, die dieses Land jemals hatte und dass er in einer Reihe steht mit Franz Beckenbauer, Uwe Seeler, Fritz Walter und anderen Lichtgestalten. Bei ihm fand ich die Dynamik und die Ballbehandlung immer außergewöhnlich. Dass er hinten alles weggeputzt, aber vorne auch die Dinger reingehauen hat. Er war der Prototyp eines perfekten Achters – lange bevor es die Bezeichnung Box-to-Box-Spieler gab. Seit er nicht mehr spielt, sehe ich kaum jemanden, der dieses Prädikat so rundum ausfüllen würde. Michael Ballack mit Abstrichen, auch über Leon Goretzka hat man gesagt, er wäre ein perfekter Box-to-Box-Spieler, aber so gut wie Lothar war keiner auf dieser Position.

Was ich auch immer faszinierend fand, war dieser Siegeswille, den er jeder Mannschaft eingetrichtert hat. Er hat nie aufgegeben. So hat er immer die Leute mitgerissen. Als er zu Bayern gekommen ist, habe ich gedacht: 'Super, die werden jetzt kein Spiel mehr verlieren.' Haben sie dann aber doch (lacht).

RTL+ veröffentlicht den Podcast "11 Leben – Die Welt von Lothar Matthäus" am 6. und 13. März mit jeweils fünf Folgen. Die 40-60-minütigen Episoden sind ab 6. März im Wochenrhythmus auch auf anderen Podcast-Plattformen verfügbar.

Wer kommt außer Dir im Podcast zu Wort?

Relativ zu Anfang bin ich nach München gefahren und habe mich mit Mehmet Scholl getroffen. Wir kennen uns schon eine ganze Weile, haben uns lustigerweise über die Musik kennengelernt und sind seitdem Buddies. Als es darum ging, dass wir im Podcast über Lothar Matthäus sprechen, hat Mehmet sofort gesagt: Komm vorbei!

Es gab da noch eine Menge weiterer Weggefährten: Thomas Helmer, Klaus Augenthaler, Klaus Eder, Uli Borowka, auch Ex-Kollegen aus Mailand und New York. Außerdem haben wir mit vielen Journalistinnen und Journalisten gesprochen. Wir haben versucht, eine möglichst breite Liste an Leuten dafür zu gewinnen. Das sind nicht durch die Bank ausgewiesene Fans von Lothar, sondern auch welche, die durchaus kritisch über ihn sprechen. Er war und ist ja auch eine streitbare Persönlichkeit. Das wollten wir in diesem Podcast abbilden. Es ist nicht nur zehn Folgen lang Heldenverehrung.

Hat sich dein Blick auf Lothar Matthäus durch die Recherchen und Interviews für den Podcast verändert? Was macht ihn deiner Meinung nach als Menschen aus?

Mit diesem Podcast habe ich mein Bild von Lothar komplettiert. Einige Dinge haben sich bestätigt, einige nicht. Ich hatte viele Fragen an mich selbst: Wer ist Lothar Matthäus? Was hat ihn als Fußballer so besonders gemacht? Was hat sein Privatleben so streitbar gemacht? Ich habe jetzt vieles besser verstanden.

Er lobt sich zum Beispiel viel selbst. Ich habe mich gefragt, warum das so ist. Ich habe im Zuge des Podcasts dann festgestellt, dass ihm hierzulande nicht die Anerkennung zuteil wird, die er eigentlich verdient hat. Im Anschluss an seine Karriere hatte man das Gefühl, dass er - wie es oft in Deutschland mit sportlichen Helden so ist – aufgrund seines Privatlebens in Ungnade gefallen ist. Deswegen musste Lothar immer wieder daran erinnern, dass er als Fußballer ein ganz Großer war. Weil einen sonst niemand daran erinnert hat. Ich habe im Zuge des Podcasts auch nochmal festgestellt, wie gut er war, habe mir tonnenweise Material bei YouTube reingezogen und Revue passieren lassen. Ich habe einmal mehr festgestellt, dass er nicht umsonst Weltfußballer geworden ist. Dass Maradona nicht umsonst gesagt hat, dass Matthäus der beste Spieler war, gegen den er gespielt hat. Sowas vergisst man, auch ich habe das zwischendurch mal vergessen.

Wie siehst Du seine Tätigkeit als TV-Experte bei RTL und Sky?

Er musste sich auch erstmal als Experte profilieren. In seinen ersten Jahren bei Sky fand ich ihn ok, aber da waren für mich viele Allgemeinplätze dabei. Da hat mir so ein bisschen das taktische Verständnis gefehlt, er hat immer noch diesen Ansatz aus den 80ern und 90ern vertreten, dass alles über Willen und Einsatz kommen muss. Er hatte es da noch nicht so drauf, mir ein Spiel zu erklären. Da hat er auf jeden Fall nochmal zugelegt in den letzten Jahren. Für mich gehört er jetzt zu den besten Experten, die man regelmäßig im Fernsehen sieht.

Beim FC Bayern ist er mit seinen Analysen allerdings schon ein ums andere Mal angeeckt …

Er ist ja alles andere als ein Hofberichterstatter des FC Bayern. Das wird ihm von Seiten des FC Bayerns nochmal ganz besonders übel genommen, wie ein Lothar Matthäus überhaupt auf die Idee kommt, den Verein oder seine Angestellten zu kritisieren. Er polarisiert als Experte, genau wie er es schon als Spieler gemacht hat. Er legt den Finger in die Wunde. Klar, dass er beim FC Bayern besonders hinguckt. Da ist er auch immer noch gut vernetzt. Lothar würde diese Sachen nicht so klar aussprechen, wenn er nicht die entsprechenden Informationen hätte. Ich respektiere ihn als Experten schon.

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass Lothar Matthäus in Deutschland oftmals ins Lächerliche gezogen wurde?

Das ist sehr, sehr komplex. Es zieht sich wie ein roter Faden durch den kompletten Podcast, dass Lothar Matthäus, sobald er sein natürliches Habitat, den Fußball, verlässt und es ins Private geht, auf seifigem Terrain unterwegs ist. Er hat vieles gesagt, was heute zu Recht gecancelt werden würde, hat sich mit einigen Projekten wirklich keinen Gefallen getan. Da sind wir wieder beim Thema Anerkennung, die ihm nicht zuteil wurde: Teilweise hat er sie sich selbst verbaut durch Peinlichkeiten, die er sich geleistet hat.

Hat es deshalb bei ihm nie zum Bundesliga-Trainer gereicht?

Das spielte auf jeden Fall eine Rolle. Die Bundesligavereine wussten, was sie sich ins Boot geholt hätten. Viele Klubs hatten keinen Bock darauf, bei aller sportlichen Expertise auch eine Menge Stoff für die Boulevardpresse zu holen. Er ist ein streitbarer Charakter. Du kaufst dir immer das Gesamtpaket Lothar Matthäus ein. Ich glaube auch nicht, dass er für das Tagesgeschäft als Vereinstrainer gemacht ist, ich sehe ihn eher als Nationaltrainer. Als ein Nachfolger für Hansi Flick gesucht wurde, hab auch ich mich gefragt: Warum nicht mal Lothar Matthäus? Er hat sich als Experte bei RTL und Sky etabliert.

>> 11 Leben – Die Welt von Lothar Matthäus - Podcast jetzt streamen bei RTL+!

Eine in gewisser Weise traurige These zum Abschluss: Ist Lothar Matthäus nun, wo Gerd Müller, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer verstorben sind, die größte noch lebende Fußballikone des Landes?

Sicherlich, zusammen mit Uli Hoeneß. Er wird immer in den Top 5 der deutschen Fußballer bleiben.

Möchtest Du zum Abschluss noch ein paar Worte an die interessierten Hörer des Podcasts "11 Leben – Die Welt von Lothar Matthäus" richten?

Ich hoffe, dass es allen Leuten, die den Podcast hören, so wie mir geht: Ich hatte das Gefühl, dass ich Lothar Matthäus nochmal ganz neu kennengelernt habe, obwohl ich dachte, ich wüsste alles über ihn. Man hat ein Bild, das deutlich komplexer ist als das, was man durch die Medien mitbekommen hat.

Das Interview führte Heiko Lütkehus.