Das brisante Stagnations-Rätsel des BVB

Borussia Dortmund ist endgültig im Krisenmodus angekommen! Beim Klub, der sich einst unter Jürgen Klopp zu einem mehr als ernsthaften Konkurrenten des FC Bayern aufschwang, läuft derzeit kaum noch etwas zusammen. Das Erwachen kommt brachial daher, der Weg dorthin war jedoch eher ein schleichender.
Borussia Dortmund hat sich mit der 0:2-Pleite bei RB Leipzig am vergangenen Samstag endgültig ins tief graue Mittelfeld der deutschen Fußball-Bundesliga katapultiert. Von der eigentlich obligatorischen Qualifikation für die Champions League ist man zehn Zähler entfernt, der Abstiegszone ist man 15 Punkte enteilt.
Die Entwicklung vom euphorischen, wilden Kloppfußball, der die Ansprüche der BVB-Fans zwischen 2008 und 2015 in ungeahnte Höhen schraubte, zum Nicht-Fisch-Nicht-Fleisch-Klub mag mannigfaltige Gründe haben. Ein Umstand wirft allerdings besonders rätselhafte Fragen auf: die Nicht-Weiterentwicklung der eigenen Spieler.
BVB einst unerreicht beim Aufspüren von Talenten
Neven Subotic, Mats Hummels, Sven Bender, Kevin Großkreutz, Shinji Kagawa, Robert Lewandowski, Ilkay Gündogan, Marco Reus, um nur ein paar Namen zu nennen: Mit der Verpflichtung junger, talentierter Spieler hatte der BVB unter Jürgen Klopp nach und nach erfolgreich den Grundstein für das Team gelegt, das 2011 die Meisterschaft, 2012 das Double gewann und 2013 ins Finale der Champions League einzog.
Auch nach Klopps Abschied im Sommer 2015 hatte der BVB beim Aufspüren neuer Gesichter ein gutes Näschen, holte Spieler wie Christian Pulisic (2015), Ousmane Dembélé (2016), Jadon Sancho (2017), Achraf Hakimi (2018), Erling Haaland (Januar 2020) oder Jamie Gittens und Jude Bellingham (Sommer 2020).
Dennoch ist eine Entwicklung ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, die den Dortmundern gerade im Sommer 2025 mächtig auf die Füße fallen könnte: Die Schwarz-Gelben machen aus den durch Verkäufen von Top-Talenten generierten Einnahmen schlicht und einfach viel zu wenig.
In den vergangenen Jahren investierte man immer wieder große Summen in die Dienste von Spielern, die, überwiegend in der Bundesliga, den ersten Schritt zum Leistungsträger bereits gemeistert hatten und nun in Dortmund den Schritt zu einem echten Unterschiedsspieler machen sollten - nur blieb dieser in rätselhafter Beständigkeit aus.
Gut zum BVB gekommen - und kaum besser geworden
Beispiele gefällig? Mit André Schürrle (für ca. 30 Mio./Wolfsburg) lockte man 2016 einen gestandenen deutschen Nationalspieler ins Ruhrgebiet - ein Flop auf ganzer Linie! Wenig besser lief es 2017 mit Maximilian Philipp (20 Mio.) und Andriy Yarmolenko (25 Mio./Dynamo Kiev), 2018 mit Thomas Delaney (20 Millionen/Werder Bremen) und Abdou Diallo (28 Mio./Mainz).
2019 setzte man mit dem Kauf von Nico Schulz (25,5 Mio./Hoffenheim) und Thorgan Hazard (25,5 Mio./Gladbach) mehr als 50 Millionen Euro in den Sand. Der im selben Jahr für ebenfalls rund 25 Millionen Euro verpflichtete Julian Brandt (Bayer Leverkusen) wie der wenig später für 25 Millionen Euro geholte Emre Can (Juventus), inzwischen immerhin Vizekapitän und Kapitän, lieferten zu selten konstant ab und sind nun die Gesichter der aktuellen Krise.
Damit aber nicht genug: Der 2022 für mehr als 30 Millionen Euro verpflichtete Sebastien Haller versucht sich seit rund sieben Monaten vergeblich bei Leihen abseits des ganz großen Rampenlichts. Das im Sommer 2023 verpflichtete Mittelfeldupdate Felix Nmecha (30 Mio./Wolfsburg) und Marcel Sabitzer (20 Mio./Bayern) konnte die Erwartungen ebenso selten durchgängig erfüllen, wie Maximilian Beier (28,5 Mio./Hoffenheim) und Waldemar Anton (22,5 Mio./Stuttgart), die man zugegebenermaßen erst vor der laufenden Krisensaison an Bord holte.
Und selbst der Transfercoup des Jahres 2022, als die Dortmunder Niklas Süle ablösefrei vom FC Bayern weglockten, erwies sich als Fehlgriff. Der Verteidiger, der Topverdiener sein soll, brachte seine PS bislang kaum auf den Rasen.
Kirsche auf der leicht ranzigen Sahnetorte: Mit Yan Couto lieh man vor der Spielzeit zudem einen brasilianischen Nationalspieler von Manchester City, der in der Bundesliga noch gar kein Bein auf den Boden bekommen hat, bei dem inzwischen aber dennoch eine Kaufpflicht wirksam geworden sein soll. Etwa 25 Millionen Euro belasten angeblich schon jetzt die BVB-Bilanz für den kommenden Transfer-Sommer.
Muss der BVB zur kloppschen Transfertaktik zurückkehren?
Kurz: Der nächste Schritt zum absoluten Star des deutschen oder sogar europäischen Fußballs gelang bisher keinem der genannten Akteure endgültig. Hochphasen bleiben bei den zweifelsfrei hochveranlagten Akteuren meist Strohfeuer - statt Entwicklung heißt es Stagnation.
Ein Umstand, der den Handlungsspielraum für eine eigentlich dringend benötigte Frischzellenkur ebenso einschränkt wie die vielen gut bezahlten Krisen-Stars, deren Verträge 2026 auslaufen (Can, Brandt, Süle, Haller).
Erschwerend kommt hinzu, dass es im aktuellen Kader nicht DAS herausragende Talent gibt, dessen Verkauf das nötige Transferbudget generieren könnte. Gittens traute man dies im ersten Halbjahr der Saison zu, inzwischen befindet sich aber auch der junge Engländer im Krisenmodus.
Bleiben mit Gregor Kobel und Nico Schlotterbeck zwei der besten Einkäufe der letzten Jahre. Für beide könnte der BVB wohl eine enorme Summe verlangen, die Lücke, die ein Abschied reißen würde, wäre jedoch kaum - schon gar nicht günstig - zu schließen.
Sollte dem BVB nicht doch noch dank eines unerwarteten Siegeszugs die Qualifikation für die Champions-League-Saison 2025/26 gelingen, dürften die fetten Jahre vorbei zu sein. Eine Rückkehr zum kloppschen Erfolgskonzept mit jungen, eher unbekannten Spielern könnte notgedrungen erfolgen - noch schwieriger dürfte es sein, den Trainer zu finden, der aus diesen dann ein Top-Team formt.