Schneider auf Schalke: Vom Hinterzimmer in den Mittelpunkt

Jochen Schneider ist seit einem Jahr Sportvorstand bei Schalke 04. Nach dem Klassenerhalt und dem Aufschwung unter dem neuen Trainer David Wagner ist er als Krisenmanager gefordert.
Jochen Schneider war kaum im Amt, da feuerte er schon den "wunderbaren" Trainer. Die Zeit als Sportvorstand bei Schalke 04 begann für den Nachfolger von Christian Heidel mit der denkbar schwierigsten Entscheidung, dem Rauswurf von Domenico Tedesco, den er wenige Tage zuvor noch in den höchsten Tönen gelobt hatte.
Knapp ein Jahr später - nach mühsam überstandenem Abstiegskampf und sportlichem Neubeginn unter David Wagner - ist Schneider wieder als Krisenmanager gefragt.
Dabei fand der 49-Jährige die stärksten Worte nicht zum sportlichen Absturz der Königsblauen, die nach starker Hinrunde aus der Spitzengruppe heraustaumeln. Schneider sprang Torhüter Alexander Nübel, der nach einem erneuten kapitalen Patzer von den Fans ausgepfiffen und verhöhnt worden war, zur Seite.
"Vor zehn Jahren war das Thema Robert Enke so groß, und wir übergießen einen 23-jährigen Jungen, der einen Fehler macht, mit dieser Art von Häme", sagte er nach dem 0:3 beim 1. FC Köln - und stieß mit dem Verweis auf den Suizid des ehemaligen Nationaltorwarts auch auf Kritik.
Klare Kante gegen Schmähplakate
Auch zu den Schmähplakaten gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp, die in mehreren Stadien zu Spielunterbrechungen führten, äußerte sich der Schwabe in aller Deutlichkeit: "Diese wenigen Menschen nehmen 99,99 Prozent der Zuschauer im Stadion und 100 Prozent vor den Fernsehern ihr Hobby."
Der Drei-Stufen-Plan, mit dem darauf reagierte wird, sei "auch nicht die Lösung, vielleicht braucht es einen Ein-Stufen-Plan: ein Transparent, Spielabbruch."
Dass Schneider derart meinungsstark in der Öffentlichkeit auftritt, hatten ihm viele vor einem Jahr nicht zugetraut. Damals kam der ausgewiesene Fußball-Fachmann mit hervorragendem Netzwerk quasi aus dem Hintergrund. Obwohl er seit 1999 im Profigeschäft arbeitete, war er für viele ein weitgehend Unbekannter. Beim VfB Stuttgart und bei RB Leipzig stand der gelernte Bankkaufmann meist in zweiter Reihe.
FC Schalke 04 muss "regelmäßig international" spielen
Bei den traditionell schnell aufgeregten Königsblauen kann Schneider sich eine zurückhaltende Beobachterrolle nicht leisten, das hat er erkannt. Dass er gerade in der ersten Krise unter seinem Wunschtrainer Wagner vorprescht, hält dem Coach in sportlich schwierigen Zeiten den Rücken frei. Denn die aktuelle Phase, in der Schalke dabei ist, seine gute Ausgangsposition zu verspielen, ist für die Zukunft enorm wichtig.
Verpasst der frühere Champions-League-Stammgast zum dritten Mal in vier Jahren den Europacup, wird der geplante Umbau deutlich schwieriger. "Die Welt wird nicht untergehen, wenn wir es nicht schaffen", sagte Schneider zwar im Interview bei "Sky". Doch die Möglichkeiten, die auf vielen Positionen nur durchschnittlich besetzte Mannschaft zu verbessern, wären eingeschränkt.
Denn, da ist sich der Sportvorstand mit seinen Kollegen aus der Klubführung einig: Schalke muss "regelmäßig international" spielen.