09.11.2021 17:04 Uhr

Die gefährliche System-Diskussion beim BVB

Waren nicht einer Meinung: Marco Reus und Marco Rose vom BVB
Waren nicht einer Meinung: Marco Reus und Marco Rose vom BVB

Borussia Dortmund muss nach dem 1:2 (0:1) bei Vizemeister RB Leipzig Wunden lecken. Für zusätzlichen Zündstoff sorgte ausgerechnet Kapitän Marco Reus, der öffentlich die Systemfrage stellte - zu Recht? 

Es war eine bittere Heimkehr für Marco Rose. Nicht nur kassierte der seit Sommer in Diensten des BVB stehende Leipziger die dritte Pleite im elften Spiel Bundesliga-Spiel. Seine schwarz-gelben Schützlinge waren in der Red Bull Arena mit dem Endresultat obendrein noch gut bedient, vor allem im ersten Durchgang lief bei der Borussia nichts zusammen.

Zu allem Überfluss musste sich der 45-Jährige kritische Worte seines Führungsspielers Marco Reus gefallen lassen, die dieser öffentlich und deutlich kundtat. "Damit kommen wir gar nicht klar", hatte der Offensiv-Star bei "Sky" über die taktische Ausrichtung des von Marco Rose trainierten BVB in der ersten Halbzeit gepflügt.

Es war ein kleiner Affront gegen den Coach, der aufhorchen ließ.

Marco Roses Plan beim BVB geht nicht auf

Dieser hatte gegen RB Leipzig erneut eine Dreier- bzw. Fünferkette aufgestellt. Zentral agierten Mats Hummels, Manuel Akanji und Marin Pongracic, auf den Flügeln begannen Thomas Meunier und Thorgan Hazard. Die Idee: Bei gegnerischem Ballbesitz sollte in der Defensive eine deutliche Überzahl entstehen, sodass Leipzigs Angreifer Christopher Nkunku, Dominik Szoboszlai und Yussuf Poulsen keinerlei Entfaltungsmöglichkeiten bekommen.

Wie Reus hinterher jedoch konstatierte, ging der Plan völlig schief. Denn: Offensiv fehlte dem BVB dadurch ein Spieler, der im Zentrum bei eigenem Pressing unterstützt. Die Viererkette, so der Routinier deutlich, "liegt uns viel besser, weil wir da viel aktiver sind als in der Fünferkette".

Immerhin stellte Rose in der Halbzeitpause um und beorderte Angreifer Hazard noch eine Position weiter nach hinten in die Linksverteidigung. Der schwache Pongracic blieb in der Kabine, mit Ansgar Knauff erhielt die Offensiv-Abteilung Unterstützung. Augenscheinlich fruchtete die Umstellung, erzielte doch ausgerechnet Reus nach Meuniers Vorlage (52.) den zwischenzeitlichen Ausgleich.

BVB-Pleite liegt eher nicht am System

Doch fußte der kurze Umschwung tatsächlich allein auf der neuen taktischen Ausrichtung? Wohl kaum. Wohlwissend, dass das System der ersten Halbzeit nicht allein Grund allen Übels ist, hatte Reus auch die fehlende "Aggressivität" gegen die Sachsen moniert. Man sei eben nie wirklich "auf Augenhöhe" gewesen.

Ein unbrauchbarer Ansatz in der Fehleranalyse wohl auch deshalb, da der Revierklub zuvor mit Dreierkette gegen den 1. FC Köln (2:0), FC Ingolstadt (2:0) und Arminia Bielefeld (3:1) siegte. Zwar gilt RB Leipzig angesichts der individuellen Klasse als ein anderes Kaliber, fremd ist den Dortmunder Profis die taktische Vorgabe ihres Coaches aber keineswegs.

"Es ist keine Frage des Systems. Wir haben auch mit Dreierkette oder Fünferkette Punkte geholt. Die Diskussion erübrigt sich", antwortete Rose daher nach der Partie auf Reus' Kritik.


Vielmehr hing Leipzigs verdienter Sieg auch damit zusammen, dass Marco Roses Gegenüber Jesse Marsch nach dem Ausgleich das BVB-System spiegelte und seinerseits von einer Dreier- auf eine Viererkette umstellte. RB übernahm erneut das Zepter, keine zehn Minuten nach Emil Forsbergs Einwechslung war der alte Abstand wiederhergestellt. Und so verhinderte das von Reus bevorzugte System etwa auch nicht, dass Leipzig am Ende mehr Torschüsse (15 zu neun) abgab und deutlich mehr Zweikämpfe (123 zu 98) gewann. 

Reus-Aussagen mit Zündstoff - Zorc schaltet sich ein

Als Grund für die Niederlage machte Rose seinerseits vielmehr aus, dass "die Bewegung" in der Grundordnung nicht ausreichend war. Sein Vorgesetzter Michael Zorc erinnerte im "kicker" zudem an die Verletztenmisere, die Roses Mannschaft seit Ankunft im Ruhrgebiet begleitet.

Der Sportdirektor, wohl darüber im Klaren, welche Tragweite Marco Reus' Worte erreichen kann, versuchte zudem Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Aussagen des Spielers seien "dem Frust der Niederlage geschuldet" gewesen, Reus habe "anschließend sofort das Gespräch" mit Marco Rose gesucht. "Zwischen beiden ist alles okay."

Zeit, das Problem aus der Welt zu schaffen, haben die beiden Protagonisten vorerst derweil nicht. Reus ist mit der deutschen Nationalmannschaft unterwegs, auf Rose wartet in Dortmund viel Arbeit. Bleibt zu hoffen, dass der Frust nach der Länderspielpause verpufft ist. Genauso wie die gefährliche Diskussion ums System beim BVB.

Gerrit Kleiböhmer