01.03.2024 10:00 Uhr

Jadon Sancho und der BVB: Die Zeit läuft ab

Jadon Sancho kam im Winter auf Leihbasis zum BVB zurück
Jadon Sancho kam im Winter auf Leihbasis zum BVB zurück

Der "verlorene Sohn" Jadon Sancho hat in der Winterpause bei Borussia Dortmund eine neue Euphorie entfacht. Allerdings verpuffte diese so schnell wie sie gekommen war. Dem BVB - und dem Angreifer - läuft die Zeit davon.

Borussia Dortmunds Cheftrainer Edin Terzic hatte es unmissverständlich klargestellt: Jadon Sancho muss liefern. Und zwar sofort.

"Ich habe keine Zeit. Er hat keine Zeit. Wir haben keine Zeit", hatte der BVB-Coach Mitte Januar nach der Bekanntgabe der halbjährigen Ausleihe auf den Punkt gebracht. "Wenn er hierhinkommen will und Zeit einfordert, geht das nicht."

Märchenhaftes BVB-Comeback

Alle waren sie in Dortmund - rund ein Jahr nach dem Fabel-Comeback von Sébastien Haller - bereit für die große Märchenstunde. In einer Saison, in der spielerisch wenig zusammenpasst, sollte das einstige Wunderkind den Glanz zurückbringen. Auch für Sancho selbst steht viel auf dem Spiel: Bei Manchester United nach einem Zoff mit Teammanager Erik ten Hag aus dem Kader verbannt, geht es für um nicht weniger als seine sportliche Zukunft.

Und Sancho lieferte prompt. Gleich zum Auftakt nach der Winterpause legte er in Darmstadt (3:0) nach Einwechslung das Tor für seinen alten Kumpel Marco Reus auf - Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt. Und als er bei seinem ersten Startelfeinsatz für den BVB wenig später in Köln (4:0) den Elfmeter für Niclas Füllkrug herausholte, schien die schwarz-gelbe Welt wieder richtig heile zu sein. 

Schnell häuften sich auch bei Sportdirektor Sebastian Kehl die Fragen, wie es der BVB im Sommer fertig bringen will, den Tempodribbler ein für alle Mal zurückzuholen. Die Frage war nur wie, und nicht ob.

Wollte der BVB zu früh zu viel?

Doch jene Forderungen verstummten derart rasant, wie sie gekommen waren. Auf eine schwache Leistung im Derby gegen Bochum (3:1) folgte eine Zwangspause aufgrund muskulärer Probleme - schließlich kam Sancho keineswegs in bester körperlicher Verfassung zurück nach Dortmund. 

Schon da drängte sich der Verdacht auf, BVB-Trainer Terzic habe mit dem 23-Jährigen zu früh zu viel gewollt. Die enttäuschenden Startelf-Auftritte in Wolfsburg (1:1), Eindhoven (1:1) sowie gegen Hoffenheim (2:3) verstärkten den Eindruck.

Ein Blick in die Statistik verdeutlicht, wie viel "Luft nach oben" (O-Ton Terzic nach der Partie bei der PSV) noch besteht. Sancho gibt im Schnitt pro 90 Minuten weniger als einen Schuss aufs gegnerische Tor ab. In seiner letzten BVB-Saison 2020/21 feuerte er im Schnitt noch 2,1 Schüsse pro Spiel ab. Gegen Eindhoven gelang zudem kaum ein Dribbling, nur 58 Prozent seiner Aktionen waren erfolgreich (sport.de-Note 5,0). Eigentlich ist dies Sanchos größte Waffe.

Und so kippte auch im Klub der Ton zuletzt. "Jadon war bemüht, hat viel versucht, war aber vielleicht hier und da etwas unglücklich. Ihm sind einige Bälle versprungen. Wir haben den höchsten Anspruch an diesen Jungen, den hat er aber auch an sich selbst", kritisierte etwa Sportdirektor Kehl nach der Partie.

Entwicklung der BVB-Talente wird gebremst

Dennoch wurde der Dortmunder Nummer zehn anschließend gegen Hoffenheim erneut das Vertrauen geschenkt. Nicht wenige hätten da auch einen längeren Einsatz von Jamie Bynoe-Gittens erwartet, der im Januar mit drei direkten Torvorlagen Argumente für mehr Einsätze gelieferte hatte. Dem Toptalent wurde wohl zum Verhängnis, die Chance in Heidenheim (0:0) nicht genutzt zu haben, als sein Landsmann Sancho verletzt fehlte.

Durch Sanchos anhaltende Schwächephase müssen sich die Dortmunder Verantwortlichen aber mehr und mehr der Kritik stellen. Stellt die Rückholaktion aus finanzieller Sicht wenig Risiko dar, wird die Entwicklung der eigenen Spieler gebremst. Spieler, die im Ruhrgebiet eine realistische Zukunft haben. Anders als Sancho.

Offensiv-Ausnahmekönner Gio Reyna etwa hatte die Borussia im Winter vorsorglich bei Nottingham Forest geparkt. Schon in der Hinrunde kam der Nationalspieler der USA nicht zu den gewünschten Einsatzzeiten, durch die Ankunft von Jadon Sancho verringerten sich die Chancen nur noch. Da Reyna in England bislang jedoch fremdelt, droht auch diese Idee zu scheitern.

Neben Jamie Bynoe-Gittens müssen sich nun auch die nach Verletzungen zurückgekehrten Karim Adeyemi und Julien Duranville hinten anstellen - junge Spieler, deren Entwicklung der BVB eigentlich mit Einsatzzeiten vorantreiben müsste.

Und so liegt es an Jadon Sancho, die neuen Zweifel zu entkräften. Bleibt Edin Terzic bei seinem Wort, wird der Engländer nicht mehr allzu viele Chancen bekommen. Die Zeit läuft bald ab.

Gerrit Kleiböhmer