Schlotterbeck und der Kampf gegen das Negativ-Image
Nico Schlotterbeck hatte in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht immer den leichtesten Stand. Bei der Heim-EM erhielt der Abwehrspieler von Borussia Dortmund von Bundestrainer Julian Nagelsmann die Job-Beschreibung Herausforderer. Nun winkt dem neuen BVB-Abwehrchef eine weitere Chance, im DFB-Team aufzusteigen. Die sollte er besser nutzen.
Nein, Nico Schlotterbeck war entgegen erster Vermutungen nicht der Übeltäter, sprang Niclas Füllkrug seinem Ex-Vereinskollegen von Borussia Dortmund jüngst auf einer DFB-Pressekonferenz zur Seite.
Es sei der Frankfurter Robin Koch gewesen, der ihn im Training empfindlich getroffen und für eine kurze Unterbrechung gesorgt hatte, schilderte der Ex-BVB-Profi. Kein Abschiedsgeschenk nach London also, die Aufregung umsonst. Nein, schob der 30-Jährige mit einem Lächeln nach: "Schlotti ist vorsichtig."
Dass eine derart alltägliche Trainingssituation auf einer Pressekonferenz überhaupt zum Thema gemacht wird, zeigt zweierlei: Wer in die deutsche Nationalmannschaft berufen wird, steht noch mehr im Fokus als sonst schon. Und Schlotterbeck sowieso, der abseits des BVB nicht immer den besten Ruf genießt.
Julian Nagelsmann forderte "maximale Konstanz"
Einige individuelle Fehler in seinen inzwischen 14 A-Länderspielen haben dazu geführt, dass der Innenverteidiger von Borussia Dortmund unter den DFB-Fans kritisch betrachtet wird. Zu risikoreich sei sein gutes Aufbauspiel, zu stümperhaft sein Zweikampfverhalten, lautet die Kritik.
Auch Julian Nagelsmann sah das lange so. Der Bundestrainer hatte nach seinem Amtsantritt zunächst mehrfach auf eine Nominierung Schlotterbecks verzichtet, während dieser von Vorgänger Hansi Flick noch regelmäßig einen Anruf erhalten hatte. Unweigerlich war Schlotterbecks Name somit mit der wenig ruhmreichen Amtszeit von Flick verbunden. auch mit dem frühen WM-Aus in Katar, wo er zwei Gruppenspiele bestritt.
"Er muss die maximale Konstanz im Klub reinbringen", sagte Nagelsmann mit Blick auf den BVB-Verteidiger.
Schlotterbeck, schon in der vergangenen Spielzeit unter dem damaligen Cheftrainer Edin Terzic in der Abwehrzentrale absolut gesetzt, fehlte somit in allen drei Länderspielperioden von Nagelsmann bis zur Heim-EM. Erst seine herausragende Leistungen in der Champions League verhalfen ihn kurz vor dem Turnier wieder zurück in die DFB-Auswahl.
Dort, das machte Nagelsmann deutlich, erhielt er allerdings nur den Status als Herausforderer. Schlotterbeck war als Abwehrmann Nummer vier eingeplant, so schien es, also hinter dem neuen Stammduo Antonio Rüdiger und Jonathan Tah und auch hinter DFB-Neuling Waldemar Anton, mit dem er inzwischen gemeinsam beim BVB verteidigt.
Beim BVB gesetzt, im DFB-Team nur Herausforderer
Die Rolle als Ersatzmann nahm Schlotterbeck im DFB-Training an, erkämpfte sich so den Status als dritter Innenverteidiger und kam auf immerhin zwei Einsätze.
Beim 1:1 gegen die Schweiz ersetzte er nach gut einer Stunde den mit Gelb vorbelasteten Jonathan Tah. Wieder zeigte der BVB-Profi seine zwei, beim DFB gewohnten Gesichter: In der Spieleröffnung setzte er gute Akzente. Im Zweikampfverhalten war sein Spiel fehlerbehaftet, nicht selten musste er zum Foul greifen.
Beim 2:0 im Achtelfinale gegen Dänemark durfte Schlotterbeck dann erneut den Ersatz für Tah geben, der nun gesperrt fehlte. Vor heimischer Kulisse in Dortmund begann er fulminant, sein Kopfballtor wurde allerdings aberkannt. Abgesehen von einem Ballverlust im ersten Durchgang, den die Dänen ungestraft ließen, machte er ein bärenstarkes Spiel.
Mehr Verantwortung, weniger Fehler?
Nach seiner Rückkehr zum Verein ging es für Schlotterbeck weiter bergauf: Nicht nur setzt auch der neue BVB-Cheftrainer Nuri Sahin in der Abwehrzentrale auf seine Dienste, er ernannte den Dauerbrenner (48 Pflichtspiele in 2023/24, davon 45 von Beginn an) zugleich zum neuen Vizekapitän.
Ihm sollte damit signalisiert werden, dass er auf und abseits des Platzes mehr Verantwortung übernehmen kann und soll. "Durch die Abgänge von Mats Hummels und Marco Reus bildet sich eine andere Hierarchie", sagte Schlotterbeck. Er werde "jetzt langsam erwachsener, ein bisschen reifer" und sei bereit für diese Aufgabe.
Worte, die dem 24-Jährigen allerdings schon im nächsten Spiel um die Ohren flogen, als er beim 0:0 bei Werder Bremen nach zwei Fouls die Gelb-Rote Karte erhielt.
Diese Eindrücke, die der Heim-EM und des Saisonstarts beim BVB, wird auch Nagelsmann im Kopf haben, wenn er sich mit der Zusammensetzung seiner Nations-League-Startelf gegen Ungarn (Samstag, 20:45/ZDF) und gegen die Niederlande (Dienstag, 20:45 Uhr, live bei RTL) beschäftigt. Diesmal ist der zweite Platz in der Innenverteidigung neben Tah frei, da Rüdiger um eine Ruhepause gebeten hat.
Schlotterbeck winkt eine weitere Chance, sich bei Nagelsmann zu beweisen und sein Image aufzubessern. Nutzt er die nicht, steht der BVB-Star erneut unfreiwillig im Fokus.