04.04.2022 16:01 Uhr

Diese Folgen drohen dem FC Bayern jetzt

Der Wechsel-Fehler des FC Bayern hat hohe Wellen geschlagen
Der Wechsel-Fehler des FC Bayern hat hohe Wellen geschlagen

Wechsel-Chaos beim FC Bayern: Einige Sekunden lang spielte der Rekordmeister im Auswärtsspiel beim SC Freiburg am Samstag mit zwölf Mann. Wer ist schuld am Wechselfehler? Welche Folgen drohen dem FC Bayern jetzt? "Collinas Erben" geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Eigentlich sind Auswechslungen im Fußball keine komplexe Angelegenheit. Das Prozedere ist in der Regel 3 (Spieler) festgelegt und folgt einem klaren, überschaubaren Ablauf: Das Spiel muss unterbrochen sein, der Schiedsrichter wird über die Wechselabsicht informiert und gibt sein zustimmendes Zeichen.

Alsdann verlässt erst der auszuwechselnde Spieler das Feld, danach betritt der einzuwechselnde Spieler es an der Mittellinie. Damit ist der Wechsel abgeschlossen, und das Spiel wird fortgesetzt. Findet das Spiel mit Schiedsrichter-Assistenten statt, dann wickelt einer davon die Auswechslungen ab; gibt es zudem einen Vierten Offiziellen, übernimmt er diesen Job.

So lief das Wechsel-Chaos beim FC Bayern

In aller Regel gibt es dabei keinerlei Komplikationen, doch manchmal steckt der Teufel im Detail, und dann kann es zu Irritationen und Aufgeregtheiten kommen. So wie am Samstag in der Partie des SC Freiburg gegen den FC Bayern München (1:4) nach 84 Minuten.

Der Rekordmeister wollte Corentin Tolisso und Kingsley Coman durch Marcel Sabitzer und Niklas Süle ersetzen, diese beiden betraten auch mit Zustimmung von Schiedsrichter Christian Dingert – respektive mit der Erlaubnis des Vierten Offiziellen Arno Blos – den Rasen. Allerdings hatte zuvor nur Tolisso den Platz verlassen, Coman dagegen war auf dem Feld geblieben.

Der Grund dafür lag in einem Irrtum der Teammanagerin des FC Bayern, Kathleen Krüger. Sie hatte auf der Wechseltafel die Rückennummer 29 eingestellt – Comans alte Nummer; seit dieser Saison trägt er jedoch die 11. Dadurch fühlte sich der Angreifer nicht angesprochen und machte keine Anstalten, sich vom Feld zu begeben. Dennoch ließ der Unparteiische das Spiel zunächst fortsetzen – ihm war, genau wie dem Vierten Offiziellen, entgangen, dass für Sabitzer und Süle nur Tolisso vom Platz gegangen war. Fünfzehn Sekunden lang waren die Bayern dadurch zu zwölft auf dem Feld, dann unterbrach Dingert, den sowohl der Freiburger Nico Schlotterbeck als auch der Vierte Offizielle auf diese Tatsache hingewiesen hatten, das Spiel mit einem Pfiff.

Nun ging auch Coman vom Platz. Doch ehe die Begegnung mit einem Schiedsrichterball im Mittelfeld fortgeführt wurde, vergingen fünf Minuten und 40 Sekunden. So lange dauerte es, bis das Team der Unparteiischen das Problem und dessen Zustandekommen geklärt hatte, auch unter Zuhilfenahme des Video-Assistenten Felix Zwayer in Köln. Die Diskussionen hatten damit jedoch noch lange kein Ende, denn nicht wenige fragten sich: Hat dieses Wechselchaos womöglich Konsequenzen über das Spiel hinaus? Könnte es ein Wiederholungsspiel geben? Oder verlieren gar die Münchner ihre drei Punkte, weil die Partie vom Sportgericht für den SC Freiburg gewertet wird? Hier sind die Antworten auf diese und weitere Fragen.

Liegt der Fehler bei den Unparteiischen oder beim FC Bayern?

Auch wenn der FC Bayern durch die falsche Nummernanzeige zum Durcheinander beigetragen hat: Falsch gehandelt haben hier in erster Linie Christian Dingert und Arno Blos, wobei der Schiedsrichter immer die Gesamtverantwortung trägt. Der Vierte Offizielle hätte Süle und Sabitzer den Eintritt ins Spiel nur unter der Voraussetzung gestatten dürfen, dass zwei andere Spieler der Bayern zuvor den Platz verlassen.

Etwaige Unklarheiten, wer ausgewechselt werden soll, hätten zunächst von ihm ausgeräumt werden müssen. Auch das Spiel hätte nicht fortgesetzt werden dürfen, solange die Bayern zu zwölft waren.

Das Schiedsrichtergespann hätte sich vergewissern müssen, dass das Spiel mit der korrekten Anzahl an Spielern auf beiden Seiten weitergeht.

Hätte Kingsley Coman verwarnt werden müssen?

Nein, sagt DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner im Interview des Online-Portals "Spox". Denn Coman habe nicht unsportlich gehandelt: "Es lag nicht an ihm, dass der Wechsel nicht richtig vollzogen wurde, weil die Tafel von Bayerns Teammanagerin falsch angezeigt wurde und der Schiedsrichter es nicht richtig kontrolliert hat."

Auch Süle und Sabitzer ist kein Vorwurf zu machen, weil sie die Zustimmung des Unparteiischen zum Spieleintritt hatten. Sie haben damit nicht unerlaubt am Spiel teilgenommen.

Hat der FC Bayern durch den Fehler einen Wechselslot zu viel genutzt?

Ebenfalls nein. Sabitzer und Süle betraten im dritten und letzten Wechselslot der Münchner mit Zustimmung des Schiedsrichters den Platz, damit wurden sie zu Spielern. Denn in der Regel 3 heißt es: "Die Auswechslung ist vollzogen, wenn der Auswechselspieler das Spielfeld betritt.“ Und das ist auch dann der Fall, wenn der auszuwechselnde Spieler den Platz noch nicht verlassen hat.

Maßgeblich ist hier das Einverständnis des Unparteiischen mit dem Spieleintritt, selbst wenn es zu früh gegeben wurde. Süles oder Sabitzers Einwechslung war also nicht erst abgeschlossen, als Coman das Feld in der nächsten Unterbrechung verließ. Ein unzulässiger vierter Wechselslot wurde somit nicht in Anspruch genommen.

War es richtig, das Spiel mit einem Schiedsrichterball fortzusetzen?

Wenn der Schiedsrichter das Spiel unterbricht, weil sich ein überzähliger Spieler auf dem Feld befindet, gibt es laut Regel 3 einen direkten Freistoß, sofern dieser Spieler ins Spiel eingegriffen hat, etwa durch eine Ballberührung. Wenn dieser Eingriff im Strafraum stattgefunden hat, gibt es sogar einen Strafstoß.

Hat er nicht ins Spiel eingegriffen, muss das Spiel im Falle einer Unterbrechung mit einem indirekten Freistoß fortgesetzt werden. Da Coman den Ball erst kurz nach dem Pfiff spielte, lag kein Eingriff vor, es hätte somit einen indirekten Freistoß geben müssen.

Ist der Wechselfehler mit dem des VfL Wolfsburg im DFB-Pokal gleichzusetzen?

Auch hier lautet die Antwort: nein. Wolfsburg wechselte im Erstrunden-Pokalspiel bei Preußen Münster in der Verlängerung ein sechstes Mal aus, obwohl nur fünf Wechsel zulässig waren. Der zusätzlich eingewechselte Spieler war also nicht einsatzberechtigt. Nach Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB war deshalb das Spiel zwingend für Münster zu werten, auch wenn der Schiedsrichter – es war ebenfalls Christian Dingert – diesen Wechsel gestattet hatte.

In Freiburg lagen die Dinge anders, wie Lutz Wagner betont: "Der Wechsel als solcher war völlig korrekt und durfte durchgeführt werden, weil der eingewechselte Spieler spielberechtigt war." Aufgrund eines Missverständnisses sei dann der auszuwechselnde Spieler auf dem Feld geblieben. Das sei jedoch "nicht zu vergleichen mit Wolfsburg oder anderen Fällen, in denen ein unzulässiger Wechsel durchgeführt wurde".

Hätte ein Einspruch des SC Freiburg dennoch Aussicht auf Erfolg?

Auf den erwähnten Paragrafen, der beim Einsatz eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers eine Spielwertung für den Gegner vorsieht, würde sich der Klub jedenfalls aller Voraussicht nach nicht berufen können. Dass das Sportgericht einen Regelverstoß des Unparteiischen feststellen würde, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. Denn Christian Dingert hat nicht das Regelwerk irrtümlich falsch angewendet, sondern die Spielfortsetzung zugelassen, weil er – fälschlicherweise – davon ausging, dass die Auswechslung anweisungsgemäß durchgeführt worden war. Es lag also eine falsche Tatsachenentscheidung vor.

Einen Regelverstoß stellt lediglich die falsche Spielfortsetzung – Schiedsrichterball statt indirekter Freistoß – nach der nächsten Unterbrechung dar. Das ist jedoch unerheblich, zumal Freiburg auch so in Ballbesitz kam. Und selbst wenn ein Regelverstoß bei der Auswechslung festgestellt werden würde, müsste das Sportgericht – so sehen es die Regularien vor – bewerten, ob dieser Verstoß den Ausgang des Spiels so erheblich beeinflusst hat, dass die Partie wiederholt werden muss. Denn das wäre dann die Konsequenz.

Bei einem Spielstand von 1:3 kurz vor Schluss und einer Überzahl von lediglich 15 Sekunden, in denen nichts von Bedeutung geschah und Coman noch nicht einmal einen Ballkontakt hatte, liegt es allerdings auf der Hand, dass der Fehler den Ausgang des Spiels nicht zuungunsten der Freiburger beeinflusst hat.

Nach menschlichem Ermessen dürfte es also im Falle eines Freiburger Einspruchs – ohne den die Sportgerichtsbarkeit des DFB in diesem Fall gar nicht tätig werden würde – weder eine Spielwertung gegen den FC Bayern noch ein Wiederholungsspiel geben.

Denn weder haben die Münchner einen nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spieler eingesetzt, noch haben sie einen Wechselslot zu viel genutzt. Der Schiedsrichter wiederum hat seinen Fehler bemerkt und korrigiert, bevor dieser Lapsus einen Einfluss auf den Spielausgang nehmen konnte. Es wäre deshalb eine Überraschung, wenn der 4:1-Sieg des FC Bayern keinen Bestand behalten sollte.

Alex Feuerherdt