20.03.2023 12:33 Uhr

Der FC Bayern und das ungewohnte Mentalitätsproblem

Die Stars des FC Bayern waren nach der Niederlage bei Bayer Leverkusen sichtlich enttäuscht
Die Stars des FC Bayern waren nach der Niederlage bei Bayer Leverkusen sichtlich enttäuscht

Ausgerechnet vor dem Topspiel gegen Borussia Dortmund am 1. April hat der FC Bayern die Tabellenführung der Fußball-Bundesliga an den BVB abgeben müssen. Nach der Pleite bei Bayer Leverkusen stellt sich beim deutschen Rekordmeister eine ungewohnte Mentalitätsfrage.

Als Thomas Müller Anfang März gefragt wird, was "Mia San Mia" bedeutet, erklärte er: "Es ist das Selbstverständnis eines Bajuwaren, dass er weiß, dass er stark ist, dass er gewinnen kann. Aber dass er auch weiß, dass er dafür arbeiten muss. Eine breite, und bei einem echten Bajuwaren auch behaarte Brust, die dann schweißgebadet die Trophäe hochhält, das ist vielleicht das richtige Bild."

Doch bei der 1:2-Niederlage bei Bayer Leverkusen war von einem derartigen Selbstverständnis nichts zu spüren, die Brust der Bayern-Stars war allenfalls durch Angstschweiß benetzt.

Obwohl der FC Bayern zunächst dank Joshua Kimmichs Treffer (22.) in Führung gegangen ist, gab es am Ende eine verdiente Niederlage.

Dass die Pleite verdient war, sah auch Trainer Julian Nagelsmann so. "Außer die letzten zehn Minuten waren wir die schlechtere Mannschaft. Es war wenig Power auf dem Feld, wir haben kein gutes Spiel gemacht", analysierte er nach dem enttäuschenden Auftritt bei "DAZN".


Mehr dazu: Alle Bayern-Stars in der Einzelkritik


Dabei kritisierte der Coach auch die Einstellung seiner Spieler und ging hart mit ihnen ins Gericht: "Das hatten wir immer wieder mal. In den letzten Wochen war es besser geworden, diese Paarung aus Emotion und Qualität. Heute waren wir träge. Defensiv und offensiv hatten einige Spieler eine 0-Prozent-Quote. Im eigenen Spielvortrag waren wir ganz schwach."

Knallharte Kritik von Salihamidzic

Noch drastischere Worte fand Sportvorstand Hasan Salihamidzic in den Katakomben. "Das war nicht das, was Bayern München bedeutet. Wir haben alles vermissen lassen", urteilte er und ergänzte: "Wir haben uns von einer Mannschaft, die am Donnerstag noch gespielt hat, überrennen lassen. Bayer war in allen Belangen besser."

Salihamidzic redete sich weiter in Rage: "So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt. Diese Mannschaft ist so gut, wenn sie von Anfang an eine Mentalität hat und 100 Prozent geht. Und genauso ist sie nicht so gut, wenn sie spielt wie heute. Wenn sie träge ist und denkt, dass sie mit der spielerischen Qualität alles erledigen kann. Das kann sie einfach nicht."

Müller: "Wir müssen uns schon einige Fragen stellen"

Salihamidzics Wutrede ist hart, aber durchaus angebracht. In Leverkusen legten die Münchner einen blutleeren Auftritt hin, wirkten rat- und vor allem erschreckend lustlos.

"Wir müssen uns schon einige Fragen stellen", gab Thomas Müller offen zu. Sein Team habe "leider wenig von dem gezeigt, was uns in den letzten Spielen stark gemacht hat".

Die Zeiten, in denen der FC Bayern von Sieg zu Sieg in Richtung ungefährdeter Meisterschaft marschierte, sind vorbei. Ein Zurücklehnen kann sich der FC Bayern nicht erlauben.

Mentalitätsdebatte beim FC Bayern kommt zur Unzeit

Die Mentalitätsdebatte, die durch die Aussagen von Nagelsmann und Salihamidzic zusätzlichen Zündstoff bekommen hat, kommt zur Unzeit. Schließlich stehen sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League die entscheidenden Phasen an.

Weitere Ausrutscher könnten gleichbedeutend mit dem Verpassen der Meisterschaft oder dem Aus in der Königsklasse sein.

Gerade vor dem Topspiel gegen Borussia Dortmund nach der Länderspielpause sollte der FC Bayern wieder zu alter Stärke finden. Eine Niederlage gegen den BVB, dem sonst oftmals ein Mentalitätsproblem angekreidet wurde, könnte bereits das erste Titel-Aus bedeuten.

Mit einer Pleite im Gepäck dürfte die CL-Aufgabe bei Manchester City zudem nicht gerade leichter fallen.

Bei einem Sieg gegen den BVB dürfte die Mentalitätsdebatte allerdings im Keim erstickt werden - und der FC Bayern kann wieder davon träumen, Trophäen mit schweißgebadeter Brust in die Höhe zu stemmen.

Lissy Beckonert