21.02.2024 16:28 Uhr

Tuchel scheitert an sich selbst - wie einst beim BVB

Thomas Tuchel wird den FC Bayern nach der Saison wieder verlassen
Thomas Tuchel wird den FC Bayern nach der Saison wieder verlassen

Die Zeit von Thomas Tuchel beim FC Bayern läuft im Sommer ab. Als "Lame Duck" und großes Missverständnis soll er die restliche Saison des Rekordmeisters noch zu Ende bringen. Dann ist Schluss. Das unschöne Aus weckt Erinnerungen – nicht nur an Tuchels Zeit beim BVB. Eine kommentierende Analyse.

Als großer Hoffnungsträger gekommen, erste Erfolge gefeiert, dann Wendepunkt, Zerwürfnis mit Teilen des Teams, zwischenmenschliche Probleme – plötzliches Aus. Das ist die Kurzform der Zeit von Thomas Tuchel beim FC Bayern.

Die Beschreibung passt aber auch zu den Engagements bei vielen, bei fast allen seiner Ex-Vereine, zum Beispiel bei Borussia Dortmund.

Kein Frage, Thomas Tuchel ist ein sehr guter Trainer. Ein sehr erfolgreicher Trainer. Kein Menschenfänger wie Jürgen Klopp, aber ein Erfolgscoach.

Viele Erfolge, viele Probleme für Thomas Tuchel

In Mainz brachte er die Bruchweg-Boys und attraktiven Fußball an den Start, mit dem BVB holte er mit dem DFB-Pokal im Jahr 2017 einen der letzten großen Titel. Paris Saint-Germain gewann unter ihm zweimal die französische Meisterschaft. Der größte Coup gelang ihm mit dem FC Chelsea, als er 2021 überraschend in der Champions League triumphierte. Ein Welttrainer.

Selbst mit dem FC Bayern wurstelte sich Tuchel im vergangenen Saisonende nach dem Nagelsmann-Aus doch noch in den letzten Minuten der Saison zur Meisterschaft.

Doch wie die Pokale und Triumphe ziehen sich auch die persönlichen Differenzen mit Klub-Bossen und/oder der Mannschaft durch die Vita des gebürtigen Schwaben.

Natürlich war die Ausgangslage bei all seinen Stationen nicht identisch. Beim BVB spielte der Bomben-Anschlag auf die Mannschaft im Teambus 2017 eine riesige Rolle, in Chelsea die Sanktionen gegen Ex-Besitzer Roman Abramovich wegen des Ukraine-Kriegs und PSG ist eben PSG.

Was auffällt: Seit dem Weggang von Mainz 2014 blieb Tuchel immer nur für eine kurze Zeit bei den Vereinen, die er trainierte. Eine Ära zu prägen, wie es Jürgen Klopp beim FC Liverpool oder zuvor in Dortmund spektakulär tat, schaffte der 50-Jährige dort nie.

In Paris kam er immerhin noch auf zweieinhalb Saisons. In London waren es trotz des Champions-League-Titels nur anderthalb Jahre.

Und man konnte die Uhr danach stellen, dass rund um das Ende seiner Amtszeit Berichte über Probleme und Differenzen aufploppten.

Fast schon legendärer Konflikt beim BVB

Fast schon legendär ist das Zerwürfnis zwischen Tuchel und BVB-Chef Hans-Joachim Watzke. Dieses trat nach dem Anschlag auf den Teambus im April 2017 und der kurzfristigen Neuansetzung der Champions-League-Partie gegen die AS Monaco offen zutage, soll aber schon vorher angedeutet haben.

"Da ist viel kaputtgegangen", sagte Watzke später. "Wir werden sicherlich keine großen Freunde mehr im Leben."

Während Tuchel den BVB spielerisch wieder nach vorne brachte, der Punkteschnitt ist bis heute der höchste eines BVB-Trainers seit 1912, verhinderte die Probleme mit Watzke und Co. sowie das angeknackste Verhältnis zu einigen (wichtigen) Spielern eine weitere Zusammenarbeit.

Eine weitere Parallel zu seiner Zeit beim FC Bayern: Die Transfer-Planung war schon beim BVB ein großes Streitthema.

Mit Manager Michael Zorc soll sich Tuchel deswegen zerstritten haben, genauso wie mit dem damaligen Chefscout Sven Mislintat, der kurz darauf nach England wechselte. Kurzum: Es knallte an allen Ecken und Enden - genauso wie jetzt an der Säbener Straße.

Im Sommer forderte Tuchel öffentlich einen breiteren Kader und eine "Holding Six" für das Mittelfeld, was sein Verhältnis zu Joshua Kimmich nachhaltig belastete. Inzwischen soll es völlig zerrüttet sein.

Die Gründe für den jüngsten Tiefflug des FC Bayern sind sicher nicht nur bei Tuchel zu suchen. Der Klub haderte mit Verletzungspech, qualitativ hochwertige Verstärkungen gab es nur vereinzelt, zum Beispiel mit Harry Kane im Mittelsturm.

Trotzdem ist es für den FC Bayern zu wenig, wenn man am 22. Spieltag das Ziel Meisterschaft nach einer Niederlage beim VfL Bochum quasi begraben muss.

Und auch der Umgang Tuchels mit der Krise sorgte für Zweifel. Zwischen angefressen, Durchhalteparolen und mit xG-Werten um sich werfend war alles dabei, nur offenbar nicht das richtige Zeichen an Klub-Führung und Mannschaft.

So endet wie schon einst beim BVB die Zeit von Tuchel in München vorzeitig.

Titel-Abschied beim FC Bayern unwahrscheinlich

Eine Parallele zum BVB wird es sicher nicht geben: den Pokal-Coup in Berlin.

In diesem ebenfalls wichtigen Wettbewerb war der FC Bayern schon früh gescheitert, blamabel gegen Drittligist 1. FC Saarbrücken. Für einen Titel-Abschied von Tuchel bräuchte es nun ein kleines (Champions League) oder schon großes (Bundesliga) Wunder.

Und wie geht’s für Tuchel weiter? Unklar, aber lukrative Angebote dürfte es geben. Zum Beispiel sucht der FC Barcelona einen neuen Cheftrainer.

Bleibt für den oft gescheiterten Coach zu hoffen, dass die Zeit bei seinem nächsten Verein nicht mehr mit dem fast schon gewohnten Abrupt-K.o. endet.

Emmanuel Schneider